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Staatstheater Augsburg
Ein Haus, das alle Wünsche kennt: Premiere von "Das Haus auf Monkey Island"
Tierschutz, Auswüchse der Werbung, Manipulation durch Algorithmen: "Das Haus auf Monkey Island" spricht viele Themen an. Auf der Brechtbühne in Augsburg wird daraus eine flotte und amüsante Aufführung.
Birgit Müller-Bardorff
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:16 Uhr

„Big Brother“ oder „Dschungelcamp“ machen es vor: Man sperre eine Handvoll Menschen an einem einsamen Ort oder in einem abgeschlossenen Raum zusammen und es entsteht eine Dynamik, in der sich ihre dunkelsten Seiten und Geheimnisse offenbaren. So ähnlich funktioniert das auch in Rebekka Kricheldorfs Schauspiel „Das Haus auf Monkey Island“, das der junge Regisseur Lukas Joshua Baueregger für das StaatstheaterAugsburg auf der Brechtbühne inszeniert hat. 

Auf der Pazifik-Insel Monkey Island treffen vier Menschen aufeinander: Tim ist ein karrierebewusster Neurowissenschaftler (Paul Langemann), die Psychologin Kristina (Mirjana Milosavljevic), ein Gutmensch mit sozialen Interessen, dazu der Soziologe Hannes (Andrej Kaminsky), ein Alt-68er, der sich gern den schönen Seiten des Lebens widmet, und schließlich Neuro-Ökonom André (Florian Gerteis), der einen starken Drang zur Selbstoptimierung aufweist. Die vier sollen im Auftrag einer chinesischen Firma eine Werbestrategie entwickeln für ein neues Produkt, das auf In-vitro-Fleisch basiert, also den Stammzellen von Tieren, die dafür aber nicht in engen Käfigen gehalten oder geschlachtet werden müssen. 

In "Das Haus auf Monkey Island" geht es zunächst um Tierschutz und Werbung

Es geht zunächst also um Themen wie Tierwohl und manipulative Mechanismen der Werbung, die Kricheldorf in etwas sperrigen Dialogen ausbreitet. Wie Maschinengewehrsalven geht es zwischen den vier Protagonisten des Stücks hin und her mit neuro-wissenschaftlichen Fakten und Fachbegriffen. Schauspielenden wie Publikum wird dabei einiges abverlangt. Doch dann dreht das Stück seine Richtung. 

Die Insel-Residenz mit Panoramafenster, Riesenkühlschrank und Küchentheke (Bühne und Kostüme: Katharina Schmidt und Claudia Kapfinger) offenbart sich als Smarthome, das sich auf seine temporären Bewohner eingestellt hat: Hannes findet im Pornokanal nur Filme mit Frauen, die genau seinem Typ entsprechen, Kristina öffnet sich den Rotwein, den sie so gerne trinkt, André hört immer den gleichen Song, der in ihm einige Erinnerungen wachruft, und in Tims Zimmer steht das Wasserbett, das er sich schon immer gewünscht hat. 

Werden die vier Gäste im "Haus auf Monkey Island" überwacht?

Die anfängliche Begeisterung über diesen Service macht dem Misstrauen gegenüber den smarten Qualitäten des Hauses Platz. Totale Überwachung oder doch nur ein Algorithmus, der sich aus all den Daten füttert, die Tim, Kristina, Hannes und André wie Spuren zu ihrer Persönlichkeit und ihrem Leben irgendwann in den sozialen Medien und im Internet gelegt haben? Die Blinklichter des über den Teppich gleitenden Saugroboters passen zu Befürchtungen der Kontrolle einer Instanz von außen auf jeden Fall ganz gut. 

Und schon gerät das Thema Tierschutz in den Hintergrund, nicht nur zugunsten der kritischen Betrachtung, wie manipulierbar wir durch die digitalen Datenströme geworden sind, sondern auch zugunsten der persönlichen Traumata, welche die vier Figuren mit sich herumschleppen, und für die all die Annehmlichkeiten zum Trigger werden. Wie die Autorin diese Stränge vermischt, in Dramen kleidet und dann doch mit Witz versieht, ist ein wenig unentschieden.

Regieneuling Lukas Joshua Baueregger gelingt eine unterhaltsame und amüsante Inszenierung

In seiner flotten Inszenierung macht Regieneuling Lukas Joshua Baueregger daraus aber 110 pausenlose Theaterminuten, die unterhaltsam und amüsant sind, vor allem weil er sich auf großartige Schauspieler verlassen kann. 

So klischeehaft die Figuren auch angelegt sind, in seiner Darstellung lässt das Schauspielerquartett des Staatstheaters diese Schablonen vergessen. Paul Langemann spielt den zielorientierten Forscher Tim ebenso glaubwürdig wie das kotzende Elend, zu dem er schließlich mutiert. Florian Gerteis ist als sportbesessener André, der seiner Seelennot davonläuft, die akrobatische Rampensau der Inszenierung. Und herrlich zynisch bis überheblich gibt Andrej Kaminsky den Bonvivant Hannes, der schließlich, wie die beiden anderen Männer, komplett die Facon verliert. In dieses Männertrio ordnet sich Mirjana Milosavljevic mit ihrer Coolness als undurchsichtiger Gegenpol ein.

Wer manipuliert hier wen und wofür? Eindeutig beantworten kann man es nach diesem Abend nicht. Und deutet man das Schlussbild der Inszenierung richtig, dann hat auch keiner ein Interesse daran – da ist Regisseur Baueregger in seiner Gesellschaftskritik eindeutiger als die Autorin.

Nächste Aufführung am 26. April, 19.30 Uhr, in der Brechtbühne im Gaswerk.

 
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