"Un café con leche, por favor." Einen Kaffee im Urlaub zu bestellen, bekommen die meisten Menschen noch hin. Wie sie das gelernt haben, ist unterschiedlich: Manche behelfen sich mit einem Reiseführer, in dem die wichtigsten Sätze stehen. Andere nutzen Übersetzungsapps, die den Satz ohne Umwege in der gewünschten Sprache ausspucken. Oder man wählt den anspruchsvollen Weg und bemüht sich, die Sprache tatsächlich zu lernen.
Wer eine neue Sprache lernen will, hat einige Optionen, die mehr oder weniger Zeit kosten: einen Kurs an der Volkshochschule belegen, Bücher kaufen und im Selbststudium durchgehen oder das Smartphone in die Hand nehmen und mit einer App üben. Letzteres ist inzwischen immer beliebter. Denn die Anwendungen versprechen einen leichten Spracherwerb und ermöglichen es, immer und überall eine kurze Lektion einzulegen. Tippt man "Sprachen lernen" im Appstore ein, ploppen viele bunte Bildchen am Bildschirm auf. Die beiden Apps mit den meisten Bewertungen: Babbel und Duolingo. Aber kann das funktionieren? Lässt sich eine Sprache wirklich per App lernen?
Duolingo oder Babbel? So unterschiedlich sind die bekannten Sprachapps
Eine kleine grüne Eule winkt aus dem Bildschirm heraus. „Hallo! Ich bin Duo!“, steht in einer Sprachblase neben dem Vogel. Ein Klick auf die kostenlose Version der App, schon geht es los. "Starte deine Sprachlernreise! Los geht's!", sagt die Eule enthusiastisch und mit leuchtenden Augen. Die App ist in Hellgrün gehalten, hat eine verspielte Schrift, es gibt viele Bilder und Animationen. Alles sieht irgendwie nett und spaßig aus, die Lektionen fühlen sich an wie Spiele. Ein kinderleichter Spracherwerb also. Im Duolingo-Universum gibt es acht Hauptfiguren. Sie haben alle unterschiedliche Charakterzüge: Da ist die ständig schlecht gelaunte Teenagerin Lily, der verschlagene und lustige Junge Junior oder Lehrer Oscar. All diese Figuren tauchen in der App auf, entweder als Protagonisten in Kurzgeschichten, Übungen oder als Motivatoren zwischendurch.
Anders dagegen Babbel: Wer das kostenpflichtige Programm öffnet, bekommt ordentlich organisierten Sprachunterricht, viele Übungen und strukturierte Lektionen. Das orangefarbene Design ist unaufgeregt, es gibt kein Maskottchen oder Figuren, die die Nutzerinnen und Nutzer durch die App begleiten. Würde man es mit anderen Handyspielen vergleichen, wäre Duolingo wie Candycrush, Babbel eher wie Sudoku.
Laut Duolingo ist es die "meist heruntergeladene Bildungs-App weltweit". Täglich nutzen 26,9 Millionen Menschen die App, im Monat sind es 88,4 Millionen, gibt das US-Unternehmen an. Duolingo bietet 42 verschiedene Sprachen an. Von Französisch und Spanisch bis zu Suaheli oder Hawaiianisch ist alles dabei. Film- und Serienfans dürfen sich sogar über Fantasiesprachen wie Klingonisch (aus der Filmreihe "Startreck") oder Hochvalyrisch (aus der Serie "Game of Thrones") freuen. Duolingo will das "weltweit beste Bildungsangebot" entwickeln und "es jedem zugänglich" machen. Deshalb gibt es eine kostenlose, werbefinanzierte Version der App sowie die bezahlbare Variante ohne Werbung.
Babbel hingegen ist ein kostenpflichtiges Programm. Die App hat über 16 Millionen verkaufte Abos, genaue Zahlen veröffentlicht das Unternehmen aus Deutschland nicht. Babbel bezeichnet sich als die "meistverkaufte Sprachlernapp der Welt" mit aktiven Nutzern. Die App bietet 14 Sprachen an, fast alle davon sind europäisch, Englisch ist nach Angaben des Kommunikationsdirektors Christian Hillemeyer mit Abstand am beliebtesten. Das Sprachangebot orientiere sich an der Nachfrage und wirtschaftlichem Interesse. Indonesisch ist die einzige Ausnahme im Babbel-Portfolio. Der Grund für den Ausreißer: Laut Sprachwissenschaftlern sei diese Sprache recht einfach und "damalige Mitarbeitende hatten Lust eine Sprache zu machen, die aus der Reihe fällt", so Hillemeyer.
Der Markt für Sprachapps ist groß. Dennoch haben sich Duolingo und Babbel neben unzähligen weiteren Apps wie Busuu, Mondly oder GoTalk durchgesetzt. Die meisten, die eine Sprache lernen wollen, haben es schon mal mit einer der beiden Apps versucht oder sind drangeblieben. Vor allem Duolingo zieht, mit Spielereien und Animationen.
Duolingo-Universum und gelungenes Marketing hält Nutzer in der App
Wer täglich eine Lektion erledigt, hat einen sogenannten Streak. Dieser Streak wird symbolisch als Flamme dargestellt. Je länger dieser aufrechterhalten wird, desto mehr Belohnungen gibt es dafür. Kurz gesagt: Fleißiges Üben zahlt sich aus, zumindest am Bildschirm. "Welchen Streak hast Du?", wichtige Frage unter Duolingo-Usern. Vergisst man die App an einem Tag, erlischt die Flamme und fängt wieder bei null an.
Manch einen Nutzer hält das bei Laune, andere stresst es. Denn täglich erinnert eine Nachricht auf dem Smartphone daran, die App zu öffnen und eine Lektion zu erledigen. In den Nachrichten erinnert die Eule an die Lektion oder eine der anderen sieben Figuren aus dem Duolingo-Universum, mal in lustigem, mal in forderndem Tonfall. Die kultigsten Erinnerungen kommen von der Eule selbst und sind unter den App-Nutzern zum Dauerwitz mutiert. Ein Beispiel: "Duo ist traurig, wenn du deine Lektion heute nicht erledigst." Auf die Tränendrüse drücken, um Nutzende bei der Stange zu halten?
Nicht die einzige Strategie im Duolingo-Universum: Ranglisten innerhalb der App sorgen dafür, dass sich Freundinnen und Freunde vergleichen können. Das Unternehmen verkauft Party-Sets, mit dem Nutzende feiern können, wie lange sie schon eine Sprache lernen. Die Duolingo-Eule tanzte schon als Maskottchen auf dem Karneval in Rio. Es gibt Fan-Webseiten und unzählige Memes, also lustige Bildmontagen im Internet. In Berlin stieg sogar mal eine Technoparty, bei der Feiernde nur hineinkamen, wenn sie einen Duolingo-Streak vorweisen konnten. Duolingo hat sich zu einer Marke entwickelt, die weit über das Kernprodukt hinausgeht.
Kleine Spielereien bietet auch der Konkurrent Babbel: Die Nutzer bekommen Anreize, ihren Streak zu erhalten und können ab einem gewissen Sprachniveau Minispiele innerhalb der App spielen oder mit echten Menschen Sprachunterricht nehmen. Aber es ist bei Weitem nicht so spielerisch gestaltet wie Duolingo. Babbel bleibt in seinen Lektionen auch deutlich näher an der Realität. Anstatt animierter Figuren erscheinen in der App Bilder von "echten" Menschen und auch die Inhalte sind lebensnäher.
Während Babbel-Nutzer alltagsnahe Sätze wie "¿Dónde está el supermercado?" (Wo ist der Supermarkt?) oder "¿Cuál es tu profesión?" (Was bist du von Beruf?) lernen, sind die Duolingo-Lerninhalte manchmal etwas abstrakter. Sätze wie "Hola, yo soy una manzana", auf Deutsch "Hallo, ich bin ein Apfel" sind nicht unüblich. Aus den alltagsfremden Sätzen wird schnell mal ein Internetgag, aber was bleibt bei den Nutzern wirklich hängen? Wie gut lässt sich eine Sprache lernen, wenn sie nur am Handy geübt wird?
"Je absurder und politisch inkorrekter": So bleiben Vokabeln im Kopf
Anruf bei Professor Joachim Grzega. Er unterrichtet an der Katholischen Universität Eichstätt und gibt Sprachkurse an der Volkshochschule Donauwörth. Grzega unterscheidet beim Sprachenlernen zwischen Sprechen, Hören, Lesen und Schreiben. "Es ist möglich, in einer Sprache Kompetenzen unterschiedlich gut zu erreichen", sagt er.
Vom klassischen Sprachunterricht aus der Schule hält Grzega relativ wenig. Denn im derzeitigen Fremdsprachenunterricht werde oft nur in der neuen Sprache unterrichtet. Grzega zufolge sollte stattdessen zwischen Effektivität und Effizienz unterschieden werden. "Ich kann die Muttersprache zum Freund des Sprachenlerners machen", sagt er. Indem die Lehrkraft beispielsweise ein neues Wort direkt in die Muttersprache übersetzt, anstatt es lang und umständlich in der Fremdsprache zu erklären. Auch sollten Anfänger nicht mit grammatikalischen Fachbegriffen überhäuft werden.
Zu Sprachapps sagt der Eichstätter Professor: "Keine hat mich persönlich überzeugt." Aber die Apps bekämen gute Bewertungen, zumindest die Nutzer scheinen zufrieden. Wenig alltagstaugliche Sätze wie "Die Hexe läuft im Wald ohne Turnschuhe", die viele an Duolingo kritisieren, empfindet Grzega hingegen als hilfreich: "Je absurder und politisch inkorrekter, umso besser." Denn mit den Sätzen entstehen Bilder im Kopf, die sich besser einprägen. Bei den aktiven Kompetenzen hingegen, also Sprechen und Schreiben, sagt der Eichstätter Professor: "Ich brauche doch einen Lehrer vor mir, der Feedback geben kann."
Thorsten Piske von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen beschäftigt sich damit, wie Fremdsprachen abhängig vom Alter, Geschlecht und der Motivation gelernt werden. Ihm zufolge funktioniere es am besten, wenn man die neue Sprache viel im Alltag nutzt. Allein mit Sprachapps werde es nicht klappen. Zudem werden Apps oft nicht den gleichen Qualitätskriterien unterzogen wie etwa Schulbücher, bemängelt der Forscher. In gewisser Weise könnten sie zwar helfen, die Sprachkenntnisse zu festigen, etwa als Vokabeltrainer. Außerdem seien sie motivierend und bieten einen ersten Zugang zur Sprache. Dennoch: Sie "sind sehr unterschiedlich gestaltet und häufig eher aufs Verstehen fokussiert", sagt Piske.
Polyglotten nutzen Sprachapps wie Duolingo und Babbel nur wenig
Wissenschaftlich betrachtet kann eine Sprache also nicht allein per App fließend erlernt werden. Wie machen es dann diejenigen, die mehrere Sprachen beherrschen? Menschen wie Petra Spetko. Die 51-Jährige wuchs zweisprachig auf, inzwischen beherrscht sie acht Sprachen fließend, zwei weitere lernt sie gerade. Als Übersetzerin studierte sie Französisch und Englisch, Spanisch lernte sie an einem Stammtisch, Italienisch brachte sie sich beim Fernsehschauen bei.
"Ich lerne Sprachen nicht gerne nach der klassischen Schulmethode", sagt Spetko. Viel lieber nutze sie die "natürliche Methode", also viel in der Zielsprache hören, lesen und dann mit Muttersprachlern unterhalten und üben. Die Muttersprachler lernt sie in ihrer Arbeit oder über Sprachplattformen im Internet kennen. Für einige Sprachen machte Spetko den Anfang auch mit Duolingo: "Das ist ganz praktisch, weil die App einem so lange auf die Nerven geht, bis man sagt 'okay, ich mache das jetzt'". Denn die Erinnerungen von Duolingo werden hartnäckig jeden Tag gesendet, auch wenn man sie mehrere Tage ignoriert. Allein mit der App zu lernen, ist ihrer Meinung nach aber nicht ausreichend.
Davon ist auch Stephan Behringer aus Würzburg überzeugt. Wie Petra Spetko ist er ein Polyglotter, dabei wuchs der 42-Jährige einsprachig auf. Nach seinem BWL-Studium setzte er sich das Ziel, innerhalb von zehn Jahren einhundert Länder bereist zu haben und zehn Sprachen zu sprechen. Dieses Ziel hat er inzwischen erreicht und Gefallen daran gefunden, immer wieder in neue Sprachen und damit auch Kulturen einzutauchen. "Am Anfang quält man sich", sagt Behringer. Aber es sei der Schlüssel zum Herzen der Menschen, wenn man deren Sprache spricht.
Behringer lernte seine zwölf Sprachen vor allem über Sprachreisen und Intensivkurse im Ausland. "Ich bin nicht so der Typ, zu Hause zu lernen, zwei Wochen Ausland-Intensivkurs bringen mehr als ein Jahr Vhs-Kurse." Er selbst nutzt keine Sprachapps, wie er erzählt. Dennoch hat er eine gewisse Begeisterung für die Smartphone-Programme, denn: "Ich kann jederzeit darauf zugreifen und habe strukturierte Kurse." Trotzdem ist sein Tipp für alle Anfänger: "Ich glaube, es ist wichtig, unter Leute zu gehen." Und sich trauen zu sprechen und dabei Fehler zu machen.
Trotz aller Mühen dauerte es Jahre, bis Behringer und Spetko mehrere Sprachen sprechen konnten. Beim Spracherwerb ist also auch Geduld gefragt. Aber lohnt sich das überhaupt noch? Angesichts von Übersetzungstools, Sprachassistenten und künstlicher Intelligenz, die immer besser werden. Selbst Übersetzerin Petra Spetko sagt: "Ich war früher gegen Übersetzungsprogramme wie Google Translate oder DeepL. Inzwischen nutze ich solche Werkzeuge, um Zeit zu sparen." Allerdings gehe durch die Technik das Persönliche verloren: "Wie charmant ist es, jemandem das Smartphone ins Gesicht zu halten und etwas vorbrabbeln zu lassen, anstatt ihn in der Muttersprache anzusprechen?", fragt die 51-Jährige. Behringer hat eine ähnliche Position. "Für kurze Fragen und Gespräche wird es sich durchsetzen", prognostiziert der Würzburger. Der Austausch von Person zu Person lasse sich damit nicht ersetzen.
KI sollte Spracherwerb nicht ersetzen, so Leuphana-Professor Schmidt
Und was sagt ein Experte in Sachen künstliche Intelligenz und Spracherwerb? Torben Schmidt von der Leuphana Universität Lüneburg forscht in diesem Bereich und gibt einen Ausblick auf die Veränderungen durch KI. Die Entwicklungen sind rasant, die Systeme werden immer besser. Deshalb müsse die Frage sein, wie sich die Art des Unterrichts und der Prüfungen verändern muss, so der Professor. "Es ist wichtig, dass man viel über die Lernenden weiß." Dadurch könne ein passendes Programm oder digitales Angebot konzipiert und nicht nur die Inhalte aus einem Buch in eine digitale Form gegossen werden. KI könne dann unterstützend im Unterricht eingesetzt werden.
Den Sprachunterricht ersetzen sollte ein KI-System Schmidt zufolge aber nicht. Neben der Sprache selbst sei der Inhalt und das, was im Sprachunterricht vermittelt werde, ebenso wichtig. Denn der moderne Fremdsprachenunterricht soll auch dazu befähigen, den Kontext der Sprache sowie die kulturellen Gegebenheiten kennenzulernen. Deswegen sei der Bildungsauftrag vor allem an Schulen bei Weitem mehr als lediglich digital gestützt Verben und Grammatik zu lernen. Schmidt sagt: "In der Mischung liegt das Ganze." Dies gelte auch für den Einsatz von Sprachapps, Kursen und Auslandsaufenthalten. In den Apps fehlen das differenzierte Feedback sowie der Transfer in die Wirklichkeit. Denn Ziel sollte ja letztlich sein, dass man irgendwann vielleicht doch mehr sagen kann als "un café con leche, por favor."