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Rammstein
"Für die Band ist das der Todesstoß": Hören Rammstein-Fans noch die Musik?
Mehrere Frauen werfen Till Lindemann Machtmissbrauch vor. Viele sind empört, viele verteidigen den Sänger aber auch. Zwei Rammstein-Fans äußern sich.
till.jpg       -  Aktuell ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann.
Foto: Malte Krudewig, dpa | Aktuell ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann.
Bianca Dimarsico
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:24 Uhr

Katja war vergangenes Jahr noch auf einem Rammstein-Konzert in Prag. Heute kann sich die 23-Jährige das nicht mehr vorstellen. Grund sind die schwerwiegenden Vorwürfe, die aktuell gegen Rammstein-Frontsänger Till Lindemann erhoben werden: Demnach sollen Frauen aus der "Row Zero" – der Bereich direkt vor der Bühne – auf den Konzerten systematisch ausgewählt worden sein, um in den Pausen und nach der Show Backstage Sex mit Lindemann zu haben – ohne, dass die Frauen wussten, worauf sie sich einlassen. Einige Frauen behaupten außerdem, unter Drogen gesetzt worden zu sein, allen voran die Nordirin Shelby Lynne, deren Aussage den Skandal auslöste. Was davon wahr ist und was nicht, lässt sich aktuell nicht beweisen. Klar ist, dass es unter den Beobachtenden zwei Fronten gibt. Die einen zeigen sich solidarisch mit den Betroffenen und stellen die Erfahrungsberichte nicht infrage. Die anderen berufen sich auf die in Deutschland geltende Unschuldsvermutung. Diese besagt, dass jeder und jede unschuldig ist, bis das Gegenteil rechtskräftig bewiesen ist. Doch wie gehen Fans der deutschen Band mit der Debatte um? Glauben sie dem Sänger? Einem Mann, der vielleicht das eigene Idol ist, dessen Musik einen seit Jahren begleitet? Wir haben mit Rammstein-Fans und solchen, die es bis vor kurzem waren, darüber gesprochen. 

Da wäre die 23-jährige Katja aus Augsburg, die eigentlich anders heißt. Sie hat vor etwa vier Jahren angefangen, die Musik von Rammstein zu hören. Sie kam über ihren Ex-Freund, einem großen Fan der Band, dazu. "Ich empfand damals einige Texte schon als ziemlich krass. Etwa das Lied 'Puppe', das ist sehr brutal. Die Musikrichtung an sich gefällt mir gut", erzählt die Studentin. 2022 war sie auf einem Konzert von Rammstein in Prag. "Davon, dass Frauen dort für Till ausgesucht werden, habe ich nichts mitbekommen", sagt Katja. Heute hört sie die Musik von Rammstein nicht mehr – zu schwer wiegen für sie die Vorwürfe gegen Lindemann. Er selbst weist über Anwälte die Beschuldigungen als unwahr zurück. Inzwischen ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den Sänger wegen Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln. 

Der Fall Till Lindemann: Kann man die Kunst vom Künstler trennen?

Ein paar Lieder liegen noch in Katjas Playlist, die möchte die Studentin aber bald löschen. Einige Texte sowie die teils brutalen Musikvideos hätten ihr schon immer ein komisches Gefühl gegeben. Eine Zeit lang mochte sie die Musik trotzdem. Die Studentin höre allgemein gerne Rock und Metal, härteren Klang sei sie deshalb gewohnt. "Ich glaube, insgesamt habe ich die Brutalität gar nicht so hinterfragt, das kam erst mit den Vorwürfen. Das Ganze bekommt einen faden Beigeschmack", erklärt sie. 

Auch wegen dieser Brutalität sei Katja von den Vorwürfen zwar schockiert, aber nicht überrascht gewesen. "Was den Frauen passiert ist, ist schrecklich. Aber es hat mich nicht sehr gewundert. Till hatte schon immer so eine dunkle und düstere Ausstrahlung", sagt die 23-Jährige. Für sie war gleich klar, sich mit den Betroffenen zu solidarisieren. "Inzwischen geht es nicht mehr nur um Rammstein, sondern um das ganze Thema Machtmissbrauch", sagt Katja. Es sei gut, dass das Thema in der Öffentlichkeit besprochen wird."Ich stelle die Vorwürfe nicht infrage. Es ist großer Quatsch, dass die Frauen sich das alles ausdenken. Es ist wahnsinnig schwer, darüber zu reden", findet sie. Kunst und Künstler trennen, das ginge nie zu hundert Prozent. "Ich kann verstehen, dass man das als großer Fan nicht aufgeben will. Aber der Mann als Individuum präsentiert ja seine Kunst", sagt Katja. Sie selbst hörte die Musik schon länger nicht mehr regelmäßig. Jetzt ist damit für Katja endgültig Schluss.

Anders sieht das Kevin, 30, aus Bad Harzburg in Niedersachsen. Er hört die Musik von Rammstein schon seit seiner Schulzeit. Lieder wie "Ich will" und "Du hast" waren damals die ersten, die ihn für die Band begeisterten. "Es ist harte Musik mit teilweise grenzwertigen Texten. Für mich haben die aber eigentlich immer einen ironischen Unterton gehabt", sagt Kevin. Seit der Debatte rund um Lindemann sei dieser Unterton seltsam geworden. Die Vorwürfe der Frauen stellt der 30-Jährige nicht infrage. "Sowas wird man sich ja nicht aus den Fingern saugen. Da wird schon was dran sein", glaubt er. Frontsänger Lindemann nimmt er nicht in Schutz. 

Viele Rammstein-Fans halten die Vorwürfe gegen Lindemann für Lügen

Trotzdem findet Kevin: Man kann Privatperson und Kunstfigur trennen. "Rammstein besteht aus sechs Menschen. Wenn eine Person Mist baut, heißt das für mich nicht, dass ich die Musik nicht mehr hören kann", sagt er. "Aber für die Band ist das der Todesstoß. Das Image ist auf jeden Fall futsch." Kevin, der selbst noch nie auf einem Rammstein-Konzert war, glaubt, dass die aktuelle Tour die letzte der Band sein wird. 

Obwohl er Fan der deutschen Band ist, distanziert er sich klar von den "Hardcore-Rammstein-Fans", wie er sie nennt. "Das ist eine homogene, gefährliche Masse. Diese drastischen Lügen-Schreie, die derzeit aus der Richtung über die Frauen kommen, sehe ich extrem kritisch", sagt Kevin. "Die vergöttern die Band quasi, das führt auch zu nichts." Er werde die Musik von Rammstein weiterhin hören, die Lieder von nun an aber in einem anderen Licht sehen. Er möchte in der Hinsicht niemandem etwas vorschreiben. "Jeder muss gucken, wie er das für sich selbst verarbeitet", meint Kevin. Trotzdem: Ob er seine Rammstein-Shirts jetzt noch draußen tragen wird, das weiß er nicht. 

 
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