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Augsburg
"Meister und Margarita" in Augsburg: Ein Hochamt des Ensemble-Spiels
Der Roman gehört zur Weltliteratur. Regisseur Armin Petras richtet den Fokus auf die Liebesgeschichte in Bulgakows "Meister und Margarita". Aber reicht das aus?
Richard Mayr
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:19 Uhr

Der Teufel im Moskau der 1930er-Jahre, dazu eine Liebesgeschichte wie die von Faust und Margarete, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Schwarze Magie trifft auf den Kommunismus. Der Roman "Meister und Margarita" gehört zur Weltliteratur, obwohl der Autor Michail Bulgakow selbst die Veröffentlichung nicht mehr erlebte. Er starb 1940, zermürbt auch durch das Schreibverbot in Stalins Diktatur. Sein Roman erschien 1966/67, als die Ereignisse, die er aufspießte, schon wieder Geschichte waren. Trotzdem war dieses Buch immer noch aktuell. 

Immer wieder wird der Roman fürs Theater inszeniert. In Augsburg haben Regisseur Armin Petras und Dramaturgin Sabeth Braun einen Weg durch den Roman gefunden, haben ein klein wenig Goethe dazugemengt, um die Parallelen und auch Unterschiede herauszuarbeiten. Die Zeitgeschichte des Romans blendeten sie weitgehend aus, das Moskau der 1930er diente als Lokalkolorit, blitzte in dem irren Reigen an Kostümen (Philipp Basener) und dem vielgestaltigen Bühnenwürfel (Kathrin Frosch) auf. Die Teile des Romans, die das menschenverachtende stalinistische System beschrieben, fielen den Kürzungen zum Opfer.

Der "Meister und Margarita" ist ein Hochamt des Ensemble-Spiels

So gerät die Augsburger "Meister und Margarita"-Fassung zu einem Fest für die Sinne und einem Hochamt des Ensemble-Spiels. Ein solch aufwendiges Bühnenbild hat man in der Brechtbühne noch nicht gesehen, mal ist es Kneipe, mal Küche, mal Psychiatrie oder einfach nur Hinterhof. Immer wieder rotiert der Würfel und zeigt neue Seiten. Hinzu kommt die pralle Handlung: Gleich am Anfang mit Woland (Robert Kuchenbuch), der sich als verkleideter Mephisto die meiste Zeit gesittet gibt und nur manchmal das Raubtier in sich bändigen muss. Die da draußen in dieser verrückten Welt müssen nicht groß animiert werden, jeder ist ein Betrüger, sobald er an Devisen kommt. 

Paul Langemann stürzt sich förmlich in die Rolle des jungen Schriftstellers Iwan Besdomny, der als lebende Panikattacke in Unterwäsche Moskau vor dem Leibhaftigen warnt und als Dank dafür einen Platz in der Psychiatrie bekommt. Fast schon das lässige Gegenstück dazu gibt Andrej Kaminsky als Kater Behemoth im Gefolge des Teufels. Sind es zwei oder drei Sätze, die er an dem Abend hat? Doch bleibt er immer präsent, wenn er auf der Bühne steht. Wohingegen Florian Gerteis als Fagot, der Dritte im teuflischen Bund, der Wirbelwind ist – mal lebende Schreibmaschine, mal der erste Arbeiter des Bösen.

Margarita geht bei Bulgakow den Pakt mit dem Teufel ein

Ins Zentrum wird in Augsburg die Liebesgeschichte vom Meister und Margarita gerückt – Bulgakows Version von Faust und Margarete. Der Meister (Sebastian Müller-Stahl) ist als Schriftsteller mit seinem Pilatus-Roman am System gescheitert und hat sich in der Psychiatrie vor der Welt und seiner Liebe verschanzt, ein in Feinripp gehülltes Gespenst von einem Menschen, das nicht mehr an seine Erlösung glaubt. Seine Margarita geht den Pakt mit dem Teufel ein, um ihren Geliebten zu retten. Katja Sieder spielt diese werdende Hexe mit einer Inbrunst, Tollheit und Frechheit, dass man gern auch mehr als diese drei Stunden und 15 Minuten gesehen hätte. Eine Paraderolle. 

Auf der Strecke bleibt am Ende allerdings die Stoßrichtung. Es überwiegt der Eindruck, dass das alles zuerst ein großer Spaß ist, der pralle Bulgakow. Aber Petras Interesse, das erklärte er schon vorab, liege in einem offenen Kunstwerk, einem, das dazu einladen soll, das Gesehene weiterzudenken und diesen Roman wieder einmal zu lesen. Die Kombination lohnt sich ganz sicher.

Weitere Termine bis zum 17. April.

 
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