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Porträt
Judith Herrmann: Das verborgene Leben der Star-Autorin
"Wir hätten uns alles gesagt": Erstmals gewährt Judith Hermann tiefe Einblicke in ihr Privat- und Familienleben. Das ist erschütternd – in gleich doppeltem Sinne.
283606417.jpg       -  Die Autorin Judith Hermann: Ihre Frankfurter Poetikvorlesungen sind jetzt als Buch erschienen, 'Wir hätten uns alles gesagt'.
Foto: Michael Bahlo, dpa | Die Autorin Judith Hermann: Ihre Frankfurter Poetikvorlesungen sind jetzt als Buch erschienen, "Wir hätten uns alles gesagt".
Wolfgang Schütz
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:40 Uhr

Sehr vieles ist berührend und ja, so manches durchaus auch erschütternd, was sie da erzählt. Von Großeltern auf den unterschiedlichen Seiten des Weltkriegs, der russischen Oma, von ihrer Familie vorstoßen und krank an der Seele, dem deutschen Opa mit Tattoo der Totenkopf-SS auf dem Unterarm. Vom Aufwachsen mit einem schwer depressiven und in immer wieder aufflammendem Jähzorn auch gewalttätigen Vater, den chaotisch dysfunktionalen Eltern überhaupt.

Von auch einer eignen Grundunsicherheit in allen Lebensrollen, als Freundin, als Mutter eines Sohnes, in der Partnerschaft nun mit einem Fotografen – existenziell aber auch im eigenen Ich, selbst über zehn Jahre hinweg in Therapie gewesen …

Judith Hermanns "Wir hätten uns alles gesagt" aus den Frankfurter Poetikvorlesungen

Denn ja, das alles ist nun über Judith Hermann zu lesen, dieser weltweit gelesenen deutschen Autorin, die gleich mit ihrem Debüt "Sommerhaus, später" vor jetzt 25 Jahren zum Literatur-Star wurde und bis zu ihrem aktuellsten Roman "Daheim" innig verehrt wird, aber auch böse bekrittelt. Denn die Besonderheit ihres Schreibens, ist eine intime Poesie, die viele als kraftvoll und zauberhaft empfinden, jene, die nach Klarheit in Handlung und Dramaturgie verlangt, aber schon mal ätzen lässt: "Sie kann nichts erzählen. Und sie hat nichts zu erzählen." 

Und natürlich hat Judith Hermann, inzwischen 52, damit immer auch schon viel von sich selbst erzählt – aber eben in künstlerischer Anverwandlung, nie so unmittelbar wie die vielen, die, siehe Annie Ernaux oder Karl Ove Knausgard, im "autofiktionalen" Erzählen ihre eigene Biografie ganz öffentlich ausstellen und bespiegeln. Bis jetzt. Die wie von Kindheit an sowohl städtisch in Berlin-Prenzlauerberg und ländlich in Friesland lebende Autorin nämlich hat sich bereit erklärt, bei den sehr prominenten Frankfurter Poetikvorlesungen über ihr Schreiben zu sprechen. Was bei ihr eben etwas sehr Intimes ist. 

Die Autorin fragt sich selbst, "ob das zu bereuen ist"

Und muss nun, da das dafür Geschriebene auch als Buch erhältlich ist mit dem Titel "Wir hätten uns alles gesagt" (S. Fischer, 192 S., 23 €), selbst konstatieren: "Auf dem Weg von ihrem Anfang bis zu einem Ende hin ist unerwartet Privates im Text aufgetaucht, es wird sich zeigen, ob das zu bereuen ist." Und das verdoppelt dann tatsächlich das Erschütternde. Denn plötzlich steht diese so poetisch so berührend durchschimmernde Person damit ganz unmittelbar in der Öffentlichkeit.

 
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