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Salzburg
Salzburger Festspiele: Das Psychogramm des Mörderpaars "Macbeth"
Das Ensemble besteht aus einem Reigen großer Stimmen: Kann da etwas schiefgehen bei diesem großen Verdi-Abend in Salzburg?
Richard Mayr
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:59 Uhr

Machtgier, Mordlust und Gewaltherrscher-Paranoia: Macbeth und seine Lady haben als Prachtpaar des Bösen ihren Logenplatz in der Theatergeschichte sicher. Bei und mit ihnen geht’s nicht um die Liebe, sondern ums Herrschen um jeden Preis. Aber je mehr sie morden, je größer ihre Freveltaten werden, desto irrer werden die beiden. Auch und gerade in Giuseppe Verdis eingedampfter Opernfassung des Shakespeare Dramas.

Regisseur Krzysztof Warlikowski interessiert die Psychologie hinter „Macbeth“

Der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski hat die Oper für die Salzburger Festspiele mit Starbesetzung auf die Bühne gebracht. Dabei gilt sein Interesse weniger den Fragen der Macht als vielmehr der Psychologie des Mörderpaars. Wie wird man so? Warlikowskis Antwort: durch ungewollte Kinderlosigkeit. Während Macbeth sich im ersten Akt gemeinsam mit Banco im Krieg bewährt und dort die Prophezeiung der Hexen hört, hier ein großer Chor von blinden Frauen, erhält Lady Macbeth von einem Arzt die niederschmetternde Diagnose.

Da haben sich nun also zwei gefunden, die kein Erbe weitergeben können, weil es keinen Erben geben wird, streben nun zwei nach der Macht, die sich nur auf ihr Leben konzentrieren und kein Kommendes mehr im Blick behalten müssen. Die brutale Wirklichkeit, die sie dabei schaffen, findet immer wieder einen Kontrast in Videoeinblendungen, die eine junge stillende Mutter auf einer Wiese zeigen, das Familienglück, das nicht hat sein sollen. Wäre die gute Wendung so einfach gewesen?

Mord an König Duncan: Der Aufstieg der Macbeths

Von da bekommt der Reigen irrer Bilder seinen Schwung. Den Kostümen nach erinnert das an die 1930er-Jahre. Der Mord am König Duncan findet im Krankenbett statt. Der Aufstieg der Macbeths wird an den immer opulenter werdenden Kleidern von Lady Macbeth kenntlich. Gegen Ende des zweiten Akts steht sie beim großen Bankett wie der Star einer royalen Revue im Mittelpunkt eines bühnenbreiten Lichterkranzes. Das große Festspielhaus in Salzburg entfaltet in seiner monströsen Breite öfter den Charme einer riesigen Turn- oder Wartehalle, eine Sitzbank in Überbreite inbegriffen (Bühne und Kostüme: Małgorzata Szczęśniak).

Der Horror kriecht ins Stück, wenn Macbeth Gespenster sieht

Mit den Gewaltexzessen der Macbeths hält sich Warlikowski nicht größer auf. Der Horror kriecht ins Stück, als Macbeth anfängt, Gespenster zu sehen – am Festmahl glaubt er, dass ihm eine Babypuppe an Blumenkohl und Brokkoli serviert wird. Später nehmen zig Kinder mit Duncan-Maske an der großen Tafel im Bühnenzentrum Platz. Aus den Mini-Duncans wird eine Armee von Kindern in Erwachsenenmasken. Noch bevor Macbeth die entscheidende Schlacht verliert, wird er Opfer eines Attentats und Pflegefall. Woraufhin Lady Macbeth zusammenbricht. Und die Lady bleibt dann auch noch ein gutes Stück länger am Leben als sonst. Sie wird mit Macbeth am Ende gefesselt. Und erschießt sie dann Macduff und steigt als Königsmörder in ihre Fußstapfen? Oder überlässt er sie einfach der wütenden Menge?

Das Publikum feiert die Premiere in Salzburg

Man kann diesen psychologischen Ansatz Warlikowskis verstehen, kann ihn auch feiern wie ein Großteil des Premierenpublikums, man kann aber auch die vereinzelten Buhrufer verstehen. Denn vieles wirkt aufgesetzt, hinzugefügt, angestückelt. Die psychologische Erklärung für die Gewaltexzesse wirkt auch zu sehr wie eine Entschuldigung: Sie können eben nicht anders. 

Zum Opernfest wird das vor allem wegen der Besetzung, ein Reigen an außergewöhnlichen Stimmen: Jonathan Tetelman haucht seinem Macduff so viel Mitgefühl, Empathie und Wärme ein, dass er für Augenblicke den Irrsinn der Macbeths vertreiben kann. Vladislav Sulimskys Bariton gibt weniger den zu allem Bösen entschlossenen Macbeth als vielmehr den innerlich Zerstörten. Und Asmik Grigorian, sowieso einer der Publikumslieblinge der Festspiele, glänzt nicht nur mit der Fülle und dem Farbenreichtum ihres Soprans, sondern auch mit den Koloraturen ihrer Partie. Bei so viel Stimmgewalt auf der Bühne stört es nicht, dass Dirigent Philippe Jordan und die Wiener Philharmoniker diesen Verdiäußerst energisch anpacken. Opulent wird das zudem durch den riesigen Chor, die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor. Das Publikum applaudiert im Stehen. 

 
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