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Sinfoniekonzert
Mit der Tuba über den Highway: Das 2. Sinfoniekonzert der Augsburger Philharmoniker
Im 2. Sinfoniekonzert bieten die Augsburger Philharmoniker eine Reise durch die jüngere Musikgeschichte der USA. Mit tiefen Tönen und Entertainment mit Anspruch.
Veronika Lintner
 |  aktualisiert: 08.11.2024 02:34 Uhr

Als ob dieses Land nicht schon ausreichend Aufmerksamkeit abbekommt! Alle Welt blickt auf die USA: Trump gegen Harris, schmutziger Polit-Boxkampf, große Show um Freiheit, Demokratie und den härtesten Haken, in einem Land, das sich immer noch als das beste auf dem Planeten versteht. Und die Augsburger Philharmoniker? Horchen etwas genauer in diesen Klang der USA hinein. Im zweiten Sinfoniekonzert der Spielzeit 2024/25 spielt das Orchester Werke, die einen dieses Spektakel von einem Land wieder lieben und schätzen lernen lassen. Sinfonisches Entertainment bei musikalischem Höchstanspruch, mit Werken von Leonard Bernstein, Charles Ives und John Williams. Und über diesen Highway in Richtung Schlussakkord brummt vor allem ein Instrument mit Macht: die Tuba.

Fabian Heichele spielt das Tuba-Konzert von John Williams

Immer dann, wenn es im Hollywood-Film extra edel, melodiös, dramatisch klingen soll, dann klingeln die Studios bei John Williams an. Kein anderer Komponist hat so viele Oscars für seine Filmmusiken gewonnen, 5 an der Zahl bei 54 Nominierungen. Ob Luke Skywalker beim Laserschwertkampf in „Star Wars“, Indiana Jones im Dschungel oder Superman im Anflug, solche Filmgeschichten stattet Williams mit Leitmotiven und Ohrwürmern aus. Sein Stil: gemischt aus Romantik, Impressionismus und auch atonaler Kante, mit Vorsicht dosiert. Allerdings: Williams schreibt nicht nur für den Film. Nun zu erleben im Kongress am Park: Sein Konzert für Tuba und Orchester aus dem Jahr 1985. Solist: Fabian Heichele.

Seit 2010/2011 spielt der Tubist aus Füssen fest bei den Philharmonikern. Oft legt Heichele ein Fundament, verborgen im Orchestergraben, jetzt aber spielt er ganz vorne, an der Bühnenkante. Es ist sein erstes Solokonzert mit sinfonischem Orchester. Williams weckt ganz leise Erinnerungen an das Weltraumflimmern aus Star Wars, hohe Streicher, schwirrende Töne. Und vor dieser Klangtapete begibt sich die Tuba auf Heldenreise. Es klingt überraschend, originell und gar nicht so gefällig harmonisch, die Fabian Heichele aus Williams liest: Faszinierend, wie gut eine Tuba (das tiefste Blasinstrument) mit einer Querflöte (das höchste) harmoniert, in gemeinsamen Kadenzen. Oder auch: Tuba und Hörner im Wechselspiel. Immer wieder scharen sich Register-Grüppchen um die Melodie der Solo-Tuba. Wie wendig sich so ein 10-Kilogramm-Blechinstrument über das Notenpapier bewegen kann, demonstriert Fabian Heichele zupackend. Steilflüge in hohe Posaunenlagen, ratternde Tonfolgen in Geigen-würdigem Tempo, aber dann landet jeder Superman-Flug auch wieder sanft auf einem tiefsten Basston. Eine Wolke von Wärme und Vibration.

Wie eine Revue: Augsburgs Philharmoniker spielen Bernstein

Um dieses amerikanische Tongemälde mit Tuba spannen die Philharmoniker einen amerikanischen Rahmen: Leonard Bernstein hat sich als Dirigent in die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts eingeschrieben, aber eben auch als Komponist. Er schuf das vielleicht amerikanischste aller Musicals, die „West Side Story“, und Werke wie die klangschöne Slapstick-Operette „Candide“. Die Philharmoniker, unter dem eleganten Dirigat von Generalmusikdirektor Domonkos Héja, nehmen sich an diesem Abend sein Divertimento für Orchester vor. Große Revue: Mit Bernsteins Instinkt für Entertainment führt das Stück quer durch die Prärie der Formen, in acht kurzen Sätzen mit Charakter: Walzer, Mazurka, Samba. Bernstein spielt mit klassischen Vorlagen, zauberhaft sein Quasi-Walzer nach Tschaikowsky-Manier, im krummen 7/8-Takt. Und immer wieder amerikanische Musik, Blue Notes aus den USA: „Turkey Trot“ und „Blues“. Da bringt sich das Schlagwerk der Philharmoniker in voller Bandbreite ein, von Conga bis Kuhglocke. Dazu ein Flügel. Im Finale dürfen alle Blechbläser aufstehen zur Fanfare. Das ist Hollywood – aber eben auch Stückwerk, ein kulturelles Puzzle, so wie die amerikanische Kultur selbst.

Viel subtiler beginnt das Hauptwerk des Abends. Die Sinfonie Nr. 3 von Charles Ives – Vordenker der modernen, amerikanischen Musik – klingt auf den ersten Höreindruck vor allem: erstaunlich europäisch. Ives setzt mit diesem Werk aus dem Jahr 1901 ein Denkmal für die Sinfonie der Romantik. Vier ordentliche, sortierte Sätze, ein Klarinettensolo eröffnet das Werk fast im klassischen Ton. Aber dann entwickelt sich in den Philharmonikern ein Vorwärtsdrang, über verkantete Rhythmen, unerwartete Tonartenwandel hinweg. Mächtig viel dazu geboten in den Bläserreihen, Soli wie Blitze. Ein Tremolo der Streicher führt zum Satzfinale, es klingt, als hätte Anton Bruckner an Ives‘ Werk mitgeschrieben.

Echo von Dvorak und Bruckner: Charles Ives Sinfonie Nr. 1

Ein Echo „aus der neuen Welt“ eröffnet den langsamen zweiten Satz: Wie in Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 9 (der Tscheche ließ sich da von der Faszination Amerika inspirieren) spielt hier das Englischhorn eine traumschöne Melodie. Die das Orchester mit einer enormen Zärtlichkeit auffängt, weiterführt. Dann mischen sich kleine Verzierungen aus den Streichern in den Fluss der Musik, die sich zu einem breiten Orchesterklangpanorama öffnet – bis sie zur ruhigen Englischhorn-Melodie zurückfindet. Die Zeit, die stillzustehen scheint, kurbelt erst der dritte Satz wieder an. Das Scherzo gelingt wuselig, umtriebig, aber endet doch auf einer leisen Pointe. Das Finale dagegen: Paukenschlag! Ein Auf und Ab über die Tonleitern mit Schwung und dann ein langer, schnaubender, spannungsvoller Anstieg bis zu den letzten Tönen. Orchesterorgel, große Geste, ein stattliches, mitreißendes Finale – auf die amerikanische Art.

 
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