Angenommen, Sie wohnen in oder nahe einer alten Reichs- oder Residenzstadt Süddeutschlands – etwa Augsburg, Nürnberg, Ulm, Würzburg – oder an einem anderen kulturhistorischen Ort Schwabens und Frankens, etwa Bamberg, Nördlingen. Und nun beschließen Sie, es müsse etwas an karätiger Kunst ins Heim, die mit Ihrer Heimat und dessen Geschichte eng verknüpft ist. Aber der ansässige Kunsthandel zeigt sich überfordert. Was tun?
Alte Kunst aus Augsburg, Nürnberg, Ulm und Würzburg steht in Maastricht zum Verkauf
Eine gute Lösung wäre: Reise ins niederländische Maastricht. Dort, bei der weltweit bedeutendsten Kunstmesse, wo zwischen Faustkeil und Gegenwartsmalerei angeboten wird, was aus allen Erdteilen seit Jahrtausenden, Jahrhunderten, Jahrzehnten das Auge entzückt – dort werden Sie garantiert fündig, speziell im Bereich der alten Kunst oben genannter Städte. Erstklassig erhaltenes Silber- und Gold-Tafelgeschirr gibt es in breiter Auswahl beispielsweise aus Augsburg, Nürnberg, Ulm.
Doch am anderen Ende der Preisskala, dort, wo große Namen regieren, ist da auch was zu finden? Gibt es auf der Messe Tefaf heuer etwas von Hubert Gerhard, bekanntlich Schöpfer des Augustus-Prachtbrunnens auf dem Augsburger Rathausplatz? Oder von Dürer, dem Übersohn Nürnbergs? Oder von Tilman Riemenschneider, der einst Würzburg als Bürgermeister vorstand und dann wegen seiner Haltung zum Bauernkrieg im Kerker saß? Ja, gibt es. Gehen wir Kunstbaden in Maastricht.
Dürers Druck mit Wappen und Totenschädel kostet etwa 325.000 Dollar
Zunächst Hubert Gerhard. Die New Yorker Kunsthandlung Blumka bietet eine kleine vergoldete, feinst ziselierte Löwenbronze an, die ihm aufgrund von Stilistik und Vergleichsobjekten (etwa eine Hundeskulptur) zugeschrieben werden kann. Würde sich mit Blick auf den Augsburger Rathausplatz bestens als Skulptur ausmachen auf dem Fensterbrett! Kostenpunkt: 120.000 Euro. Was also ist der komplette Augustusbrunnen wohl wert!?!? Wechsel nach Nürnberg zu Dürer. Selbst ein Kupferstich auf Papier von ihm kann erheblich teurer werden als der Löwe. Sein berühmter Druck mit Wappen und Totenschädel (1503) kostet heute bei Tunick/New York 325.000 Dollar, während seine kleine 36-teilige Holzschnitt-Passionsfolge bei Rumbler/Frankfurt mit 180.000 Euro ausgezeichnet ist. Günstiger dort: Hans Sebald Behams dornengekrönter Christus, ein eindrucksvoller Holzschnitt, den der Nürnberger Kollege betrügerisch mit Dürer-Initialen drucken ließ (34.000 Euro).
In Sachen Riemenschneider aber wird es nun richtig teuer. Für eine thronende Madonna mit Jesuskind, 92 Zentimeter hoch, doppelt restauriert und aus ehemaligen fürstlichen Liechtensteiner Besitz werden von Fogg/London fünf Millionen Euro verlangt. Das Antlitz Marias, ihre Haartracht plus Kopftuch sowie die Falten ihres Mantels zeigen sich jedenfalls exzellent aus dem Holz geschnitten.
Das teuerste Bild stammt von Kandinsky
Aber damit sind wir noch lange nicht bei den teuersten Objekten der Messe. Weltberühmte Namen aus der jüngeren Kunstgeschichte – wie Rodin, Giacometti, Twombly – rangieren zwischen 7,5 und zehn Millionen. Kandinsky indessen schießt mit einem oberbayerischen Bild den Vogel ab. Offiziell gibt Landau/Montreal nicht preis, was "Murnau mit Kirche II" (1910) kosten soll, aber unter Eingeweihten wird hinter vorgehaltener Hand die Marke von 50 Millionen gezwitschert. Es ist aber auch ein berückendes – 2022 restituiertes – Mittelformat aus Kandinskys genialer Phase! Und "Murnau mit Kirche" belegt ebenfalls: In Süddeutschland entstandene Kunst wird in Weltstädten höchstpreisig gehandelt.
Zurück nach Schwaben und Franken: Eine seltene, komplette Augsburger Hofapotheke aus 73 Stücken Silber im Kabinettschränkchen (um 1683) bietet Laue/München für 220.000 Euro an; ein Vergleichsobjekt gibt es im Kunsthistorischen Museum Berlin. Und Kugel/Paris hält ebenfalls wieder ganz Außergewöhnliches aus Augsburg parat: diesmal eine kleine goldene, mit Emaille verzierte Schnecke als Tischbrunnen (um 1625), zugeschrieben dem Kreis um David Altenstetter. Macht 3,8 Millionen Euro. Ohne Zweifel ein Luxusobjekt. Aus Bamberg indes stammt ein holzgeschnitzter Heiliger Sebastian (Böhler/Starnberg), während Williams/New York einen kreuztragenden Christus in Öl auf Goldgrund des Nördlinger Meisters Hans Schäufelein anbietet und Fogg/London eine Heimsuchung des Ulmer Schnitzers Daniel Mauch.
In der Barockmalerei sind die Frauen auf dem Vormarsch
Hochinteressant die Tendenzen der Messe: Kunst Klassischer Moderne und der Nachkriegszeit gewinnt weiter an Boden, während Maritimes und Venedig-Veduten zurücktreten. Was aber 2024 besonders auffällt: Etliche Galerien legen ihren Fokus auf italienische Barockmalerei bislang unterbewerteter Frauen: Lavinia Fontana, Elisabetta Sirani, Diana de Rosa, Giovanna Garzoni. Da wird offenbar gerade schwer umgedacht. (Laufzeit bis 14. März)