Nicht nur das Bild, sondern auch der Rahmen ist in den Filmen von Wes Anderson von großer Bedeutung. Das gilt nicht nur für die zahllosen Einstellungen mit ihren liebevollen Details, die wie gerahmte Bilder wirken, welche man sich gerne ins Wohnzimmer hängen möchte. Auch in die filmische Erzählung selbst werden immer wieder Umrahmungen eingearbeitet, die das Geschehen auf der Leinwand als fiktives, künstlerisches Produkt kenntlich machen. In seinem neuen Film „Asteroid City“ werden gleich mehrere Rahmenhandlungen ineinander gelegt.
Edward Norton und Adrian Brody spielen mit in "Asteroid City"
Im Inneren befindet sich das Wüstenstädtchen Asteroid City, das Handlungsort eines Theaterstücks des Autors Conrad Earp (Edward Norton) ist, über dessen Inszenierung am New Yorker Broadway durch Regisseur Schubert Green (Adrien Brody) wiederum der TV-Moderator (Bryan Cranston) berichtet. Während im Jahre 1955 am Horizont über der WüsteNevadas die Rauchpilze der Atombombenversuche malerisch in den Himmel steigen, soll in Asteroid City zudem der junge Wissenschaftsnachwuchs ausgezeichnet werden. Der Ort ist zu bescheidenem Ruhm gekommen, weil hier vor 3000 Jahren ein Asteroid niedergegangen ist.
Zur Preisverleihung reist der ehemalige Kriegsfotograf Augie (Jason Schwartzman) mit seinem hochbegabten Sohn Woodrow (Jake Ryan) und seinen drei Töchtern an. Der kürzlich verwitwete Vater hat es noch nicht übers Herz gebracht, den Kindern die Nachricht vom Tod der Mutter mitzuteilen. Die Familie bezieht im Motel direkt gegenüber der Schauspielerin Midge Campbell (Scarlett Johansson) und ihrer Tochter Dinah (Grace Edwards) Quartier. Während sich die jugendlichen Wissenschaft-Nerds direkt zueinander hingezogen fühlen, bewahren die Schauspielerin und der Fotograf bei ihren Gesprächen von Fenster zu Fenster zunächst eine Distanz. Und natürlich sehen die beiden dabei aus, als würden sie sich gegenseitig aus gerahmten Bildern heraus anschauen.
So gut ist Wes Andersons neues Werk nach "French Dispatch"
Der touristische Alltag in Asteroid City verwandelt sich in den militärischen Ausnahmezustand, als ein UFO vor versammelter Gemeinde niedergeht, ein Alien herausklettert und den Asteroiden klaut. Die Begegnung mit den Außerirdischen lässt Einheimische wie Gäste das eigene Sein neu überdenken. Dazwischen wird das farbenfrohe 50er-Jahre-Ambiente immer wieder zur Seite geschoben, um in kontraststarken Schwarz-Weiß-Aufnahmen hinter die Kulissen der Theaterproduktion zu schauen, wo Regisseur und Schauspielende über das Wesen ihrer Figuren sinnieren.
War Wes Andersons letztes Werk „French Dispatch“ als kreatives Feuerwerk und dramaturgische Loseblattsammlung angelegt, wirkt sein neuer Film etwas strukturierter und zugleich komplexer. Aber auch wenn sich die Erzählebenen kunstvoll ineinander verschlingen, ist „Asteroid City“ ein Film, der am besten Szene für Szene verkostet werden sollte. Denn wieder einmal steckt in jeder Sequenz, jeder Figur, jeder Einstellung und jedem Interieur eine unbändige kreative Originalität, die Glückshormone freisetzt. Dabei stehen die Farb- und Bildkompositionen, mit denen Anderson das bunte 50er-Jahre-Dekor ins Surreale überhöht, im Kontrast zu den melancholischen Hauptfiguren.
Tom Hanks spielt in "Asteroid City" den Schwiegervater
Jason Schwartzman spielt den tiefverunsicherten Familienvater mit einer Verletzlichkeit, die ihr passgenaues Gegenstück in der gelassenen Selbstsicherheit von Scarlett Johanssons Hollywood-Diva findet. Um die beiden herum oszilliert ein ganzes Universum aus nachhaltig eigenwilligen Figuren, die bis in die kleinsten Nebenrollen hinein prominent besetzt sind: Steve Carrell als windiger Motel-Besitzer, Tom Hanks als grummeliger Schwiegervater, Tilda Swinton als begeisterte Wissenschaftlerin und Jeff Goldblum, der auch im Ganzkörper-Alien-Kostüm an seiner unverwechselbaren Körpersprache zu erkennen ist. Dabei überschreitet Anderson allerdings auch die Grenze zur schauspielerischen Überbevölkerung, was die Erzählung trotz dreifacher Rahmenhandlung zunehmend ausfasern lässt.