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Regensburg
Mit "Die Schule der magischen Tiere" schreibt sich Margit Auer in die Herzen der Kinder
Margit Auers Kinderbuchreihe "Die Schule der magischen Tiere" wurde zu einem riesigen Erfolg. Für das Finale will sich die Autorin etwas Besonderes einfallen lassen.
Lit.Kid.Cologne - Margit Auer       -  Erfolgsautorin Margit Auer: Seit genau zehn Jahren verfasst sie Band um Band ihrer Kinderbuchreihe 'Die Schule der magischen Tiere'.
Foto: Rolf Vennenbernd, dpa (Archivbild) | Erfolgsautorin Margit Auer: Seit genau zehn Jahren verfasst sie Band um Band ihrer Kinderbuchreihe "Die Schule der magischen Tiere".
Birgit Müller-Bardorff
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:14 Uhr

Es ist ein sonniger, heißer Tag hier in Regensburg, aber gut hundert Buben und Mädchen haben heute nichts Besseres vor, als in die fensterlose Halle eines Jugendzentrums am Rand der Stadt zu strömen. Mit Fahrrädern kommen sie angeflitzt, von Parkplatz suchenden Mamas oder Papas werden sie im Auto hergefahren, von der nahe gelegenen Busstation kommen sie in kleinen Grüppchen mit Oma oder Opa. Kinder, die an jenem schönen Nachmittag kein Freibad, kein Spielplatz, keine Eisdiele mehr locken kann als dieser Mehrzweckraum mit Kletterhaken, Basketballkorb und Graffitis an den Wänden. Der Grund dafür steht vor einem Holzpodest, wartet, bis alle auf den roten Plastikstühlen einen Platz gefunden haben und Ruhe einkehrt: Margit Auer.

Wem der Name nichts sagt, hat wohl wenig zu tun mit Kindern im Grundschulalter und stöbert eben auch nicht in den Regalen der Kinderabteilung in Buchhandlungen oder Büchereien. Sonst wäre ihm und ihr nämlich zwangsläufig irgendwann ein Band mit bunt gezeichnetem Cover und der krakeligen Aufschrift "Die Schule der magischen Tiere" in die Hände gefallen oder empfohlen worden. 

Seit genau zehn Jahren schreibt Margit Auer Band um Band dieser Reihe um eine Schulklasse, ihre Lehrerin Miss Cornfield, deren Bruder Mortimer Morrison und eine Schar von Tieren mit außergewöhnlichen Fähigkeiten: Die Tiere können sprechen und stehen "ihren" Kindern bei Problemen zur Seite. Damit hat es die Schriftstellerin zu einer der auflagenstärksten Kinderbuchautorinnen in Deutschland gebracht. Mehr als acht Millionen Bücher hat sie verkauft, übersetzt wird sie in 26 Sprachen. Und nicht nur das! Wie erfolgreich Lesestoff für den Nachwuchs ist, lässt sich oft ja auch daran erkennen, was es über die Bücher hinaus im Angebot gibt. Also Filme (bisher zwei an der Zahl) und Merchandising-Produkte (Zubehör für Motto-Partys, Malbücher, Kuscheltiere und vieles mehr).

Schule und Tiere – für ein Kinderbuch ist das eine Mischung, die besser nicht sein könnte

Man muss Margit Auer also als Bestsellerautorin bezeichnen, auch wenn sie nicht in den einschlägigen Listen vorkommt, in Talkshows auftritt oder von Literaturkritikern wie Denis Scheck in den Himmel gehoben oder in die Tonne geworfen wird. Wer Kinderbücher schreibt, taucht einfach äußerst selten in den Feuilletons auf oder ist gar Gegenstand literarischer Debatten, mal abgesehen von Ausnahmen wie Harry-Potter-Schöpferin Joanne K. Rowling oder "Tintenherz"-Autorin Cornelia Funke. Kinderbücher, das ist vor allem Lesestoff zur Unterhaltung, so die allgemeine Annahme.

Margit Auer wird sich darüber im Gespräch ein paar Tage später ziemlich heiß reden, aber erst einmal besinnt sie sich ganz auf das, was man die "Kernleserschaft" nennt oder, wie Auer an diesem Nachmittag in Regensburg sagt, "ein perfektes, himmlisches Publikum". Also Buben und Mädchen im Alter von sechs bis zwölf Jahren. In Jeans, Jackett mit feinen Nadelstreifen, einer Bluse in knalligem Orange darunter und Sneakers steht Auer vor den Kindern und winkt. Die großen Ohrringe wippen dazu und geben der Frau mit den roten Locken noch ein bisschen mehr Fröhlichkeit. Das Headset mit Mikrofon vor dem Mund erlaubt ihr Bewegungsfreiheit, um vor der Bühne auf und ab zu gehen. "Prassel, prassel" liest sie und macht dazu die passende Gießkannen-Bewegung.

Jeder Kinderbuchautor weiß es, Lesungen mit Tisch und Wasserglas funktionieren nicht bei jungen Zuhörerinnen und Zuhörern. Deshalb bindet Auer ihr Publikum von Beginn an ein, fragt danach, welches Tier zu Ida gehört (der Fuchs) und wie der Besitzer der magischen Tierhandlung heißt (Mortimer Morrison). Die Antworten kommen aus vielen Kindermündern gleichzeitig, und Margit Auer weiß nun: Da sitzen ziemlich viele echte Fans, die ihre Bücher schon kennen. Die neunjährige Mathilde in Reihe 6 etwa, die nur das neueste Buch, "Bravo bravissimo!", aus dem Auer nun vorliest, nicht besitzt. Und weil es nicht nur wichtig ist, dass eine Lesung für Kinder lebendig ist, sondern die junge Zuhörerschaft einen großen Bewegungsdrang hat, gibt es auch eine kleine Turnstunde mit Schildkröte Henrietta: eine Runde am Platz gehen, Kniebeugen, Arme heben, senken und schwenken, schon ist das quirlige Publikum bereit, für die nächste Leserunde wieder still zu sitzen.

Schule und Tiere, für ein Kinderbuch ist das eine Mischung, die besser nicht sein könnte, ja, man muss es sagen, die Mischung selbst ist magisch. Nicht erst seit dem Internatszögling Harry Potter funktionieren Schulgeschichten bestens als Lesestoff für die, die in die Schule gehen. Und dann natürlich Tiere: Welches Kind verzehrt sich nicht irgendwann nach einem Haustier? Einem Hund, einer Katze, und wenn es die nicht sein dürfen, dann gäbe man sich ja auch mit einem Meerschweinchen zufrieden. Ein Gefährte, dem man seine Sorgen anvertrauen, mit dem man ganz offen sprechen könnte. Dieser Herzenswunsch vieler Kinder brachte Margit Auer die fehlende Idee, wie sie ihren netten Schulgeschichten den besonderen Twist geben könnte – besondere Tiere, die nicht nur zuhören, sondern, weil sprechend, auch Lebensberater sein können.

Auers Lieblingstier in ihrem magischen Tierpark ist die Fledermaus Eugenia mit dem lustigen Sprachfehler

Ein Flamingo, ein Schimpanse, ein Pinguin, ein Krokodil, Tiere, die immer nur von dem Kind verstanden werden, dem sie vom einfühlsamen Besitzer der magischen Tierhandlung Mortimer Morrison zugeteilt wurden. Genau überlegt sich Auer, welches Tier mit seinen Eigenschaften zur jeweiligen Figur passt, ihm am besten in seinen Sorgen und Nöten beistehen könnte. Da kommt dann die Schildkröte Henrietta zum zurückhaltenden Benni, der eigentlich lieber ein Raubtier hätte, das aber seinem Naturell so gar nicht entspricht.

Auers Lieblingstier in ihrem magischen Tierpark ist übrigens die Fledermaus Eugenia mit dem lustigen Sprachfehler. Aus dramaturgischen Gründen taucht sie erst im dritten Band der Reihe auf, aber sie war das erste magische Tier, das die 56-Jährige erfunden hat. Würde sich Auer selbst ein magisches Tier zur Seite stellen, wäre es aber ein bockiger Esel, "weil der mir helfen würde, auch mal Nein zu sagen", erzählt sie den Kindern im Regensburger Jugendzentrum.

Die löchern ihre Autorin mit Fragen zu den Geschichten. Immer wieder gehen die Hände hoch, will einer wissen, welches Kind im nächsten Band welches magische Tier bekommt ("das verrate ich nicht"), und eine andere will endlich erfahren, warum Miss Cornfield einen anderen Nachnamen hat als ihr Bruder Mortimer Morrison. "Das werdet ihr erst im letzten Band erfahren", vertröstet Auer ihre Zuhörerinnen und Zuhörer. Wer jetzt genau hinhört, merkt, dass das lang gezogene "oooh" doch nicht so enttäuscht klingt, schließlich ist nichts so toll wie die Spannung auf die nächsten Bände. 

Margit Auer nimmt ihre Leserinnen und Leser ernst und begegnet ihnen auf Augenhöhe. "Die magischen Tiere sind keine Zaubertiere, sondern die besten Freunde der Kinder", erklärt sie ihnen. "Sie geben ihnen Tipps, wie sie aus der Klemme kommen, in die sie geraten sind, aber lösen müssen die Kinder die verzwickte Situation schon selbst. Sie müssen lernen, sich mehr zuzutrauen und über sich selbst hinauszuwachsen", gibt sie ihnen mit auf den Weg. Und da erntet sie dann nicht nur verständnisvolles Kopfnicken bei den Kindern, sondern auch bei den Erwachsenen, die in den Reihen sitzen.

"Es ist wichtig, dass ein Kinderbuch auch noch eine andere Ebene als Spaß und Spannung hat", sagt sie dann im Gespräch. Einsamkeit, Mobbing, Furcht, Eltern, die sich trennen, Neid und Streit, all die inneren Konflikte und die äußeren Zwänge – das, was die Kinder selbst kennen oder von ihren Freundinnen und Freunden erfahren, der ganz normale Kinderalltag, spiegelt sich im Kosmos von Margit Auers Wintersteinschule. Sie kennt ihn von ihren drei Söhnen, die mittlerweile erwachsen sind, sie kennt ihn aber auch aus vielen Begegnungen und Briefen ihrer Leserinnen und Leser, die ihr erzählen, wie sie sich von der Autorin der "Schule der magischen Tiere" gesehen fühlen. "Wir Kinderbuchautoren schreiben uns wirklich in die Herzen unserer Leser." Sie hat das selbst erlebt als Kind, als sie sich einfühlte in Astrid Lindgrens Michel aus Lönneberga, der bis heute eine ihrer Lieblings-Kinderbuchfiguren ist. "Mit unseren Büchern schaffen wir für die Kinder einen Erfahrungshorizont, der sie ihr ganzes Leben begleiten und prägen wird." Und deshalb findet sie es auch so ärgerlich, ja ungerecht, dass die Bücher für die Kleinen im großen Literaturbetrieb so oft unterschätzt werden.

"Dieses Glamourleben ist nichts für mich", sagt Margit Auer

Wobei sie sich über mangelnden Zuspruch ja nicht beklagen kann. Vieles hat sich für die ehemalige Journalistin, die auch für die Allgäuer Zeitung gearbeitet hat, verändert mit dem großen Erfolg. Beim Deutschen Filmpreis im Mai posierte sie auf dem roten Teppich, weil die Verfilmung ihrer Bücher als besucherstärkster Film ausgezeichnet wurde

"Aber dieses Glamourleben ist nichts für mich, und wenn man sich mit den Filmstars mal unterhält, dann sieht man, dass das auch nur ganz normale Menschen sind", erzählt sie. "Wir fahren immer noch unser altes Auto, und ich gehe auch immer noch auf den Markt zum Kartoffel kaufen." Sie wird erkannt, gegrüßt und nach ihren Büchern gefragt in Eichstätt, wo sie mit ihrem Mann seit vielen Jahren immer noch im gleichen Haus lebt. Wenig begeistert war sie allerdings, als eine Fremdenführerin vor ihrer Tür mit dem Hinweis stehen blieb: "Da wohnt Margit Auer." Der Tonfall, in dem sie jetzt davon erzählt, lässt ahnen, dass sie die Dame damals auch etwas harscher zurechtwies, dies in Zukunft doch bitte zu unterlassen.

Abgesehen vom Prominentheitsgrad ist aber auch der Erfolgsdruck gestiegen. Viele Kinderbuchserien werden nach ein paar Bänden wieder eingestellt, weil sie dann nach Schema F ablaufen. Margit Auer konnte die Spannung bisher halten, doch irgendwann, in zwei, drei Jahren, wird auch das letzte der Kinder in der Wintersteinschule sein magisches Tier erhalten haben. Das Finale, das hat sich Margit Auer vorgenommen, muss noch einmal eine besondere Volte haben. Geht es vielleicht in die Heimat Miss Cornfields nach Schottland? Ein paar Ideen spuken der Autorin durch den Kopf. Verraten will sie aber gar nichts. Sicher sein können sich all die Leserinnen und Leser nur in einem: Irgendwann wird auch im letzten Band jener geheime Schwur gesprochen, den die Buben und Mädchen nun im Regensburger Jugendzentrum im Chor aufsagen: "Niemals, niemals sprechen wir mit anderen über das magische Tier. Die magische Zoohandlung ist streng geheim, so soll es für immer und ewig sein."

 
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