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Kaufbeuren
Auch von nahem rätselhaft: Kunsthaus Kaufbeuren zeigt Werke aus Japan
Der Westen tut sich oft schwer mit Japans Kultur. Eine Schau von aktuellen Werken im Kunsthaus Kaufbeuren mag das nicht ändern - gibt aber außergewöhnliche Einblicke.
Martin Frei
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:24 Uhr

Japan ist weit weg – daran haben weder Düsenjets noch das Internet etwas geändert. Trotz der Globalisierung und des kulturellen Austauschs mit dem Westen, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder intensive Phasen erlebt hat, bleibt das Reich der aufgehenden Sonne für Europäer bis heute zumeist geheimnisvoll und unverständlich. Nicht zuletzt der eigentümliche Gegensatz zwischen der hoch technisierten, auf Effizienz getrimmten Gesellschaft und der tiefen Verwurzelung in der Tradition dieses Landes befremdet Betrachter von außen. Oder sind auch das – wie die „Exotik“ des Japanischen in früheren Zeiten – nur Klischees? Nach mehreren Ausstellungen in den vergangenen Jahren, die aus verschiedenen Perspektiven künstlerische Bezüge zwischen Europa und Japan hergestellt haben, bietet das KunsthausKaufbeuren mit seiner aktuellen Schau „Nippon-Mania“ zeitgenössische japanische Kunst pur. Gezeigt werden Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und Fotografien von 15 Künstlerinnen und Künstler. Einige wenige davon dürften zumindest dem Fachpublikum geläufig sein. Die meisten aber seien hierzulande „absolute Entdeckungen“, wie Kunsthaus-Direktor Jan T. Wilm, der „Nippon-Mania“ auch kuratiert hat, berichtet. 

Zauberhafte Impressionen aus Japan in Kaufbeuren

Behutsam werden die Besucher in diese fremde, ferne Kunstwelt hineingeleitet. Denn am Beginn der Schau steht (scheinbar) Vertrautes. Die in jüngster Vergangenheit entstandenen Gemälde der jungen Künstlerin Toko Izumi erinnern mit ihren typischen, matten Farben, mit ihren der Natur entlehnten Motiven und ihrer ornamentalen Stilistik an japanische Farbholzschnitte – aber ein wenig auch an Henri Matisse. Doch in diesen traditionellen Idyllen tauchen tintenschwarze Gestalten auf. Trotz ihrer Farbe nicht durchweg bedrohlich, sondern auch zeitgenössisch-sympathisch. Den „japanische Zauberwald“, der dieser Ausstellungsbereich nach dem Willen des Kurators sein soll, vervollständige stimmig die impressionistisch anmutenden Gemälde aus dem „Trees“-Zyklus (2014 bis 2018) von Leiko Ikemura. Auf sehr grober Leinwand hat sie Bäume so nobel dargestellt, wie sie die japanische Mythologie sieht: als Sitz der Götter. 

Doch schon inmitten dieses „Zauberwalds“ beginnt Ryo Kinoshita die traditionsgestützte Wohligkeit aufzubrechen. Seine voluminösen Plastiken, die vor allem aus farbintensiven Kunststoffstreifen oder goldfarbener Wäscheleine, aber auch aus Naturmaterialien bestehen, sind schwer zu deuten. In jedem Fall lösen sie ein subtiles Unbehagen beim Betrachter aus. Das gilt auch für Kinoshitas zweidimensionalen Arbeiten im Kunsthaus, die aber zunächst einmal visuelle Spektakel sind: Aufwendige Rahmenkonstruktionen halten Netzstoffe, die über und über mit bunten Kunststoffteilen, gewebten Textilelementen, filigran arrangierten Acrylgeltupfen oder groben Farbbatzen versehen sind, bisweilen aber auch Durchblicke bis auf die Wände gewähren, an denen sie hängen. Erst auf den zweiten oder dritten Blick wachsen aus dem vermeintlichen Chaos wohldurchdachte Strukturen – etwa dutzende von Pistolen mit Fingern an den Abzügen in „He is sneaky“ (2021). 

In Japan zerfließen Grenzen zwischen Kunst und Kunsthandwerk

Deutlich klarer tritt dasselbe Streben nach (geometrischer) Ordnung und handwerklicher Perfektion in den abstrakten Gemälden von Moriyuki Kuwabara und vor allem in den kleinteiligen, quadratischen Farbstrukturen von Aya Kawato zutage. Für noch kompromissloseren Minimalismus stehen die auf unterschiedliche Holzelemente aufgetragenen und dadurch reliefartigen Farbflächen von Keiko Sadakane. Im Detail erweisen sich aber auch diese als aufwendig konzipierte und akribisch umgesetzte Arbeiten. Im Gegensatz zum Westen wird im japanischen Kulturraum nach wie vor kaum zwischen Kunst und (Kunst-)Handwerk unterschieden. So verwundert auch die Hommage an alte japanischen Handwerkstechniken des Fotokünstlers Keiichi Ito nicht – in historischer Technik abgezogen auf grobes, handgeschöpftes Papier. 

Die Treppe in den zweiten Stock des Kunsthauses führt dann endgültig hinaus aus dem „Zauberwald“, hinein in einen Ausstellungsbereich, in dem sich Brüche und auch Abgründe auftun – und der für minderjährige Besucher nur bedingt zu empfehlen ist. Ältere Video- und Fotoarbeiten von Yayoi Kusama thematisieren die Zerrissenheit der japanischen Künstlerin, die nach New York gegangen ist, dort aber auch die wilde Zeit der Hippies und Happenings ausgekostet hat. Jahrzehnte später tat es ihr Satomi Shirai gleich. Sie thematisiert die kulturellen Brüche in verstörenden Farbfotografien, die sie in ungelenken, freizügigen Posen in einer vermüllten Wohnung zeigen. Und dann sind da noch die Fotoarbeiten des Altmeisters Nobuyoshi Araki. Der dokumentiert zum einen hochemotional die Krebserkrankung und den Tod seiner Frau (Sentimental Journey, 1989/1990). Vor allem aber ist er mit einer Reihe von mehr oder weniger explizit sexuell aufgeladenen Werken vertreten: Porträts von Schulmädchen (1993), die wohl nicht nur die japantypische „Kawaii“-Ästhetik des Niedlichen bedienen, und Bilder von gefesselten Frauen, die die mit der traditionellen Fesselkunst „Shibari“ eher entfernt etwas zu tun haben. 

"Nippon-Mania" zeigt Positionen japanischer Gegenwartskunst

So klärt die Ausstellung sicher nicht mehr Fragen als sich in ihr neu auftun. Zumal die Macher die Schau wohlweislich nicht allzu pädagogisch gestaltet haben. Aber „Nippon-Mania“ präsentiert unverstellt und klischeefrei zahlreiche Positionen der japanischen Gegenwartskunst, die man so hierzulande kaum zu Gesicht bekommen dürfte. Wahrlich „Ein Blick aus nächster Nähe in die weite Ferne“, wie das KunsthausKaufbeuren verspricht. Und wer dazu noch die intellektuellen Einblicke braucht, für den erscheint voraussichtlich Mitte März ein fundierter Ausstellungskatalog. 

Info:„Nippon-Mania“ im KunsthausKaufbeuren läuft bis zum 11. Juni.

 
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