
Frau Pesch, wo erreiche ich Sie gerade? Sind Sie in Deutschland?
Doro Pesch: Ja, aber erst seit Kurzem. Wir waren zuletzt in Atlanta bei einem Festival und haben da ordentlich einen losgemacht.
Sie sind jetzt seit 40 Jahren die deutsche Metal-Queen und in der Metal-Szene waren Sie vor 40 Jahren nahezu konkurrenzlos als Frau ...
Pesch: Ich habe mich da nie so als Frau, sondern mehr als Teil der Band gesehen. Für die Medien war das eher ein Thema. Mir war das nie so bewusst. Meine Vorbilder waren alles Männer. Rob Halford von Judas Priest, Lemmy von Motörhead oder David Coverdale von Whitesnake.
Hatten Sie mit Vorurteilen zu kämpfen?
Pesch: Es war eher so, dass du um deinen Stand kämpfen musstest, zumal Metal damals nicht überall salonfähig war. Wir mussten um unsere Musik kämpfen, die wir etablieren wollten. Aber eine Frau/Mann-Geschichte war das für mich nie. Auch als wir später Vorband bei Judas Priest oder Motörhead waren, gab es nie Probleme. Ich wurde immer von den Kollegen geschätzt und super behandelt. Natürlich muss man kämpfen, aber so war ich auch geprägt.
Wie muss man sich das vorstellen?
Pesch: Mein Vater hatte ein kleines Fuhrunternehmen und ich war gewohnt, hart zu arbeiten. Schweiß, Stahl, Dreck – ich habe das immer geliebt und als kleines Mädchen schon mit angepackt und später dann auch den Lkw gefahren.
Ihre Eltern haben Sie dann auch unterstützt?
Pesch: Definitiv. Mein Papa ist leider schon tot. Meine Ma' wurde kürzlich 90 Jahre alt und hat lange geholfen und in meinem Fan-Shop gearbeitet. Mein Vater war ein Goldstück und mein bester Freund. Beide waren auch immer bei meinen Konzerten dabei. Bei einem Konzert In der Gruga-Halle in Essen wurden sie einmal von Jugendlichen gefragt: Was wollt ihr denn hier? Daraufhin hat mein Vater ganz laut und stolz gesagt: Die Doro ist meine Tochter. Da haben die Jugendlichen meine Eltern durch ein Spalier bis vor zur Bühne eskortiert. Meine Eltern haben alles für mich getan.
Auf Ihrem neuen Album "Conqueres – Forever Strong and Proud", das am 27. Oktober erscheint, haben Sie Ihrer Mutter einen Song gewidmet ...
Pesch: Ja, als wir zusammen im Auto fuhren und ich am Telefon hektisch dabei war, ein Problem zu lösen, sagte meine Ma' zu mir: Doro, du bist der Fels in der Brandung. Und dieser Fels in der Brandung ist auch ein Titel auf dem neuen Album und ich denke, das ist schön geworden. Es ist ein Titel auf Englisch und Deutsch.
Sie singen immer wieder mal in deutscher Sprache und haben mit "Herzblut" oder "Für immer" Riesenhits produziert. War "nur deutsch" zu singen nie eine Option?
Pesch: Ein deutscher Song muss immer ganz tief aus dem Herzen kommen. Das kann man vorher nicht planen. Es ist auch nicht so einfach, einen deutschen Song in eine andere Sprache zu übersetzen. Ich habe das bei "Herzblut" gemerkt. Das ist ein urdeutsches Wort, das man schwer ins Englische übersetzen kann. Das habe ich dann auf Französisch und Spanisch gemacht, aber nicht auf Englisch. Hinzu kommt, dass englische Titel für mich einfacher zu schreiben sind als deutsche. Deutsche Titel haben dagegen für mich eine tiefere Bedeutung.
Sie haben mit Weltstars zusammengearbeitet und waren und sind mit Weltstars befreundet. Mit der Band Kiss, mit Lemmy Kilmister oder Ronnie James Dio, die leider schon gestorben sind, oder Ozzy Osbourne, um nur einige zu nennen. Was bleibt nach 40 Jahren hängen?
Pesch: Wir haben zusammen viel Quatsch gemacht und es gibt schöne Geschichten. Lemmy und Ronnie waren allerdings meine allerbesten Freunde. Mit Lemmy habe ich auch viel Zeit im Studio verbracht. Er hat mir beim Tod meines Vaters über die schwere Zeit geholfen. Andererseits bin ich nach Berlin geflogen, wenn er dort beim Arzt war. In Berlin hatte er einen Arzt, zu dem er volles Vertrauen hatte. Lemmy war ein lustiger Mensch, der gerne viel geraucht und getrunken hat. Wir hatten immer viel Spaß. Das war auch so mit Ronnie. Mit ihm hatte ich auch zwei sehr tolle, gemeinsame Tourneen. Die Zusammenarbeit mit Gene Simmons von Kiss war auch super, aber auch sehr anstrengend. Das kam auch daher, weil Kiss einfach die Helden meiner Kindheit waren. Als ich mit Gene im Studio war, um eine Platte aufzunehmen, hab' ich an Händen und Füßen gezittert. Er hat zu mir gesagt, um mir die Nervosität bei der Aufnahme zu nehmen, ich solle ihn beim Singen anschauen. Ich habe gesagt: Das geht nicht, du bist Kiss – du bist Gene Simmons. Aber die Platte haben wir trotzdem supergut hinbekommen. Gene war auch sehr professionell, der hat nie Alkohol getrunken oder geraucht. Mit ihm bin ich auch noch gut befreundet und wir haben uns erst bei einem gemeinsamen Konzert in Tschechien getroffen. Aber es ist wie immer bei Freundschaften, manche sind ganz eng und manche weniger. In Wacken habe ich kürzlich mit einigen Freunden wie Udo Dirkschneider oder Sammy Amara von den Broilers mein Jubiläum gefeiert.
Mit Amara haben Sie zuletzt die neue Single "Bond Unending" gesungen und geschrieben. Eine Auskopplung des neuen Albums ...
Pesch: Ja, Amara zählt zu meinen neuen Freunden. Mit ihm hatte ich vor Weihnachten zwei Gigs und da entstand auch die Idee zum neuen Song.
Auf dem neuen Album singen Sie auch mit Rob Halford von Judas Priest.
Pesch: Von Judas Priest war ich schon immer ein Fan. Meine erste große Tournee im Jahr 1986 war mit Judas Priest. Im vergangenen Jahr haben wir beschlossen, gemeinsam was zu machen. Jetzt wurden es zwei Duette. Der Priest-Song "Living after Midnight" war meine Wahl. Ich liebe diesen Song. Rob wählte "Total Eclipse of the Heart" von Bonnie Tyler. Ich meine, das Album ist richtig gut geworden und ich freue mich riesig auf die Veröffentlichung.