
In "Ein Fest fürs Leben" organisiert Ihre Figur Hochzeitsfeiern. Wie ist Ihr eigenes Verhältnis zu Partys?
Christoph Maria Herbst: Ich bin nicht der wahnsinnig große Festfeierer. Ich konzentriere mich gern auf mein Gegenüber und bin zu sehr ein Freund des gesprochenen Wortes, weil ich mich zu sehr für den anderen interessiere und etwas über ihn erfahren will. Aber bei Festen riecht es irgendwie nicht gut oder die Musik ist zu laut. Ich bin auch nicht der große Tänzer. Aber ich will es nicht komplett für mich ausschließen, speziell wenn mich enge Freunde einladen.
Muss man in Ihrer Branche nicht immer wieder an glamourösen Veranstaltungen und Empfängen teilnehmen?
Herbst: Ich habe eine Entourage von Leuten, die mir ab und zu in den Hintern treten: ‚Jetzt hab‘ dich nicht so. Das tut dir ganz gut, wenn du mal hingehst.‘ Das Geheimnis besteht dann darin, nicht zu inflationieren. Die Dosis macht das Gift. Ich versuche also diese Besuche gering zu halten, und wenn sie dann mal stattfinden, ist das gut für alle Beteiligten.
Sie sprachen von Ihrer "Entourage". Wie gut sind Sie denn als Chef?
Herbst: Ich habe niemand unter mir. In meinem ganzen Leben war ich noch niemals Chef. Sinnigerweise spült mir das Schicksal ständig solche Rollen vor die Brust, ob in „Stromberg“ oder „Ein Fest fürs Leben."
Als hoch bekannter Schauspieler dürfte Ihnen doch bei einem Dreh eine Führungsrolle zufallen.
Herbst: Der Kopf am Set ist der Regisseur. Als Hauptdarsteller bin ich eher so etwas wie ein Teamleader der Herzen, der für eine gute Atmosphäre und Chemie sorgt. Denn mich hat die Erfahrung gelehrt, dass so ein Miteinander die Zusammenarbeit befördert.
Wie gehen Sie als „Teamleader der Herzen“ mit Kollegen um, die unprofessionell agieren?
Herbst: Ich kenne den Fall, dass jemand, der nur fünf Zeilen Text hat, den ganzen Betrieb aufhält, weil er sich die nicht merken kann. Das ärgert mich. Aber das ist kein Grund herumzuschreien. Das muss man in Kauf nehmen und versuchen, mit guter Laune abzufedern. Im Zweifel klebt man sich diese Zeilen auf einem Post-it an den Ärmel.
Kann man überhaupt noch Kollegen kritisieren? Wir leben ja in einer Zeit, wo viele Menschen auf den kleinsten Windhauch sensibel reagieren.
Herbst: Ich beobachte ebenfalls, dass wir in einer unglaublichen Aufregungsgesellschaft leben, in der die Zündschnur immer kürzer wird. Aber der filmische Kokon, in dem ich mich bei der Arbeit bewege, ist nicht das Eins-zu-eins-Spiegelbild dieser Gesellschaft. In den allermeisten Fällen erlebe ich, dass allen klar ist, dass wir an einem Strang ziehen und an etwas „Größerem“ arbeiten. Daher stellen die Kollegen in der Regel ihre Befindlichkeit zurück und haben nicht gleich das Handy bereit, um die nächste Instagram-Story zu platzieren, in der sie den anderen eins reinwürgen. Wenn jemand so etwas tut, würde sich derjenige ohnehin auf Dauer unmöglich machen.
Wie gut kommen Sie mit Chaos klar – das ja in „Ein Fest fürs Leben“ fröhliche Urständ feiert?
Herbst: Ich versuche die eine blühende Blume oder das eine Lämpchen der Ruhe im Chaos zu entdecken und mich darauf zu fokussieren. In der Regel finde ich das in mir selbst. Ich betreibe also Innenschau. Chaos gibt es ja an einem Filmset ständig. Da musst du sehr schnell lernen, in ein meditatives Verhalten zu gehen und dich nicht infizieren zu lassen, sonst kriegst du den Moment, den du gleich zu spielen hast, nicht gewuppt.
Sie sind passionierter Gleitschirmsegler. Hilft das dann?
Herbst: Durchaus. In solchen Momenten flüchte ich in die Erinnerung des totalen Abschaltens und des über den Problemen der Erde Segelns. Abgesehen vom Humor ist so etwas eine Gnade.
Wie stark war der Chaosfaktor bei Ihrer eigenen Hochzeit?
Herbst: Ich hatte zum Glück keine solche Hochzeit wie im Film, wo es nur das Beste vom Besten geben soll und die Veranstalter Selbstbeweihräucherung betreiben. Wenn man sich so sehr auf etwas versteift, ist es nur logisch, dass einem das um die Ohren fliegt. Meine Frau und ich haben das sehr klein und privat gehalten, denn wir wollten es romantisch haben und nicht großkotzig.
Diese Selbstinszenierung ist ja speziell heute angesagt, wo viele ihr Ego in den sozialen Netzwerken zelebrieren ...
Herbst: Ich bin in der Hinsicht froh, dass ich nicht 40 Jahre jünger bin. In diesen Altersgruppen ist der Druck auf dem Kessel schon enorm. Die Glücksversprechen in den sozialen Medien nach dem Motto ‚So musst du sein und nicht anders‘ gab es in meiner Jugend nicht. Ich habe das Gefühl, dass mir die analoge entschleunigte Lebensweise recht gut getan hat.
Gibt es etwas, worum Sie die junge Generation beneiden?
Herbst: Die Möglichkeiten, die sie hat, sind atemberaubend. In meiner Abiturklasse hat gefühlt jeder eine Banklehre gemacht. Denn wir waren nicht so fantasiebegabt. Heute sprechen wir von der NEET-Generation, die weder in Ausbildung noch in Beschäftigung ist. Aber ich finde es herrlich, sich diese Freiheit zu nehmen und zu gucken, was für einen richtig ist.
Sie haben ja auch eine Banklehre gemacht.
Herbst: Ja, das war eine Absprache mit meinen Eltern, wobei ich wusste, dass ich danach Schauspieler werden wollte. Aber diese Lehre war zu nichts nutze. Das waren zwei, drei Jahre Lebenszeit, die ich in die Tonne getreten habe.
Sprechen wir lieber wieder von der Gegenwart. Wann haben Sie denn das Leben zum letzten Mal als Fest erlebt?
Herbst: Als ich mir „Barbie“ angesehen habe. Da habe ich das Kino richtig abgefeiert.
Das heißt, Sie saßen laut jubelnd im Vorführsaal?
Herbst: Ich habe nach innen gejubelt. Dabei habe ich mir nach dem Teaser gedacht ‚Wenn ich einen Film nicht sehen will, dann ist das ‚Barbie‘. Nach den ersten Trailern war ich etwas positiver gestimmt, und dann hörte ich von Kolleginnen und Kollegen, auf deren Meinung ich viel gebe, wie toll der Film sei. Die konnten nicht alle vom Verleih geschmiert sein (lacht). Dann schaute ich mir „Barbie“ an, und ich war hin und weg, wie die daraus ein feministisches Manifest gemacht haben. Abgesehen davon ist der Film ein Fest für Schauspieler.
Aber auf diesem Planeten ist nicht zwangsläufig nur Feiern angesagt. In einer „Terra X“-Folge über Australien, die am 3. Dezember ausgestrahlt wird, machen Sie auch auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam. Inwieweit haben Sie in dieser Hinsicht Ihr Leben umgestellt?
Herbst: Bestimmte grundlegende Dinge habe ich geändert. Ich war einer der ersten in dieser Republik, der ein hundertprozentiges Stromauto gefahren hat. Man hat mir damals – das ist acht Jahre her – hinterher geschaut und gedacht, hier würde ein weiterer Teil von „Zurück in die Zukunft“ gedreht. Und dieser Wagen wird nur mit nachhaltig erzeugtem Strom betankt. Ich versuche auch, so oft es geht, Bahn zu fahren, so schwer sie es einem auch macht. Es ist also etwas möglich.
Haben Sie denn abschließend eine Antwort, wie man in diesem Leben Glück finden kann?
Herbst: Ich kann Ihnen sagen, wo wir das Glück nicht finden, nämlich im Außen, auch wenn wir eine riesige Industrie mit Heils- und Glücksversprechungen haben. Vielmehr bin ich davon überzeugt, dass wir es in uns haben und dass wir diesen Schatz nur heben müssen. Das klingt zwar so, als würde ich Ihnen hier einen Spruch aus meinem Abreißkalender vorlesen, aber das ist tatsächlich etwas, was ich empfinde.