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Frankfurt
Die Frankfurter Buchmesse beginnt: Am Anfang steht das ernste Wort
Die 75. Frankfurter Buchmesse will ein Ort des "friedlichen Miteinanders" sein – und hat eine erste heftige Debatte: die Verschiebung des Literaturpreises an die palästinensische Autorin Adania Shibli.
75.-Frankfurter-Buchmesse.jpg       -  Am Stand der Ullstein Buchverlage Berlin auf der Frankfurter Buchmesse wird die Büchereule mit Büchern bestückt.
Foto: Arne Dedert, dpa | Am Stand der Ullstein Buchverlage Berlin auf der Frankfurter Buchmesse wird die Büchereule mit Büchern bestückt.
Stefanie Wirsching
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:13 Uhr

Jubiläen wollen erst von langer Hand geplant, dann gefeiert werden – meist dann etwas anders als geplant. Zum 75. Mal findet in Frankfurt ab diesem Mittwoch bis Sonntag die Buchmesse statt, der weltweit größte Handelsplatz für Bücher und ihre Geschichten. Der britisch-amerikanische Autor Salman Rushdie wird erwartet, um den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegenzunehmen, auf den Podien wechseln die Schriftstellerinnen und Schriftsteller meist im Halbstundentakt: spricht dort der slowenische Philosoph Slavoj Zizek, einer der prominentesten Vertreter des diesjährigen Gastlandes, erzählt hier Cornelia Funke über ihren neuen Roman, wird hier und dort der österreichische Autor Tonio Schachinger wiederkehrend befragt werden, wie man sich denn so fühlt, als neu gekürter Träger des Deutschen Buchpreises … 

Ein Fest der Literatinnen und Literaten, ein Fest des Lesens, des Zuhörens, des Diskutierens also. Aber auch ein Fest, das gestern von Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, mit ernsten Worten eröffnet wurde: "Die Welt ist aus den Fugen geraten." Bei der Buchmesse gehe es immer um Menschlichkeit, sagte Boos, stehe die menschliche Begegnung im Zentrum. "Diese Menschlichkeit ist am 7. Oktober durch den Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel abermals zerbrochen. Unser Mitgefühl gilt den Menschen, deren Angehörige Opfer dieses Gewaltexzesses wurden, und allen Menschen in Israel und Palästina, die unter dem Krieg leiden." 

Ein offener Brief kritisiert die Entscheidung um das Buch von Adania Shibli

Wie aber kann die Messe auf den Terror in Nahost reagieren? Man wolle jüdische und israelische Stimmen nun besonders sichtbar machen, ihnen mehr Raum geben. Die erste ungeplante Debatte hat die Buchmesse nun aber um die palästinensische Autorin Adania Shibli, die in Frankfurt am Freitag mit dem "Liberaturpreis" für ihren hochgelobten wie auch wegen angeblich antisemitischer Klischees kritisierten Roman "Die Nebensache" ausgezeichnet werden sollte. Die Ehrung vom Verein Litprom wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben – auch, so Juergen Boos, um die Autorin in der aufgeheizten Stimmung "vor der Hetzmasse" zu schützen. In einem offenen Brief hatten zuvor hunderte Autorinnen, Autoren und Mitarbeitende des Literaturbetriebs die Verschiebung kritisiert, darunter auch Nobelpreisträger wie Annie Ernaux, Abdulrazak Gurnah und Olga Tokarczuk. 

Die Entscheidung sei nicht, wie behauptet, im Einvernehmen mit der Autorin getroffen worden. Vielmehr hätte die Schriftstellerin gerne die Bühne genutzt, "um über die Rolle von Literatur in dieser entsetzlichen und schmerzhaften Zeit zu reflektieren." Dass offenbar tatsächlich die Entscheidung einseitig vom Verein getroffen worden sei, bestätigte gestern dann auch Torsten Casimir, Sprecher der Buchmesse, und sprach von einem Missverständnis am Ende langer gemeinsamer Diskussionen. 

Debatte auf der Buchmesse: Wie wird KI den Literaturbetrieb beeinflussen?

Ernste Worte dann auch von Katrin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des deutschen Buchhandels, wobei die sich nicht nur auf die Weltlage, sondern auch auf die wirtschaftliche Lage der Buchbranche bezogen. Auf den ersten Blick sehe die Bilanz zwar ganz gut aus: Der Umsatz sei in den ersten neun Monaten dieses Jahres um vier Prozent gestiegen. Es seien aber 1,1 Prozent weniger Bücher verkauft worden als im Vorjahreszeitraum und 7,4 Prozent weniger als vor der Pandemie. Immer mehr kleinere, unabhängigere Verlage bringe das an die Grenze ihrer Existenz. "Wenn aber ein Teil des Systems kippt, kommt schnell das ganze System in Gefahr". 

Politik und Gesellschaft müssten sich fragen, was ihnen eine vielfältige Buchlandschaft wert sei? Wie man beispielsweise auf die rasante Entwicklung von KI reagieren, die trainiert auf der Basis von Datendiebstahl nämlichen dem tausender Bücher lernen würde - da brauche es juristisches Handeln, so Schmidt-Friderichs. Und wie der immer schlechter werdenden Lesekompetenz von Kindern entgegensteuern? Jeder vierte Viertklässler kann laut IGLU-Studie nicht richtig lesen. Lesekompetenz aber sei die Basis für eine resiliente Demokratie, stärkt das Immunsystem "bei Angriff populistischer Erreger." Die Sorgen um das Buch, um die Lesenden, seit Jahren begleiten sie Buchmesse – das Motto der 75. Buchmesse kann man so oder so lesen: "And the story goes on." 

 
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