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Gastbeitrag
Janoschs Lebenskunst: Eine Betrachtung von Philosoph Wilhelm Schmid
Weisheit mit Tigerente, ja – aber ist er ein Philosoph? Wilhelm Schmid nimmt Janoschs Denken unter die Lupe – und kommt dabei zu Erkenntnissen nicht nur über ihn.
214987938.jpg       -  Horst Eckert alias Janosch (Foto aus dem Jahr 2010): Am 11. März wird er 93 Jahre alt.
Foto: Roland Weihrauch, dpa | Horst Eckert alias Janosch (Foto aus dem Jahr 2010): Am 11. März wird er 93 Jahre alt.
Wilhelm Schmid
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:08 Uhr

Ist er ein Philosoph? Kommt darauf an, was darunter zu verstehen ist. Ich würde sagen, ein Philosoph ist einer, der genauer hinschaut. Ein Mensch, der mehr als üblich nachdenkt. Einer, der (oder die oder divers) übers Nachdenken zu Schlüssen kommt, um sie dann nach Möglichkeit auch selbst im Leben umzusetzen. Darin besteht, zumindest in meinen Augen, die Kunst in Bezug auf das Leben, die Lebenskunst, um die es hier geht: Nicht einfach nur in den Tag hineinzuleben (was möglich, aber wohl eher keine Kunst ist), sondern sich ein paar Gedanken zu machen. Nicht immer, aber immer mal wieder. 

Philosoph Wilhelm Schmid: "Janosch lenkt den Blick auf die Sternstunden"

Ob Janosch das auch so sieht, weiß natürlich nur er selbst. Vermutlich würde er bei einem Treffen in seinem Domizil in den Bergen auf Teneriffa sagen, er bemühe sich redlich, und das führe ihn dazu, lachen zu können, wenn der Schmerz kommt. Mit diesen Worten nimmt er die Leserin, den Leser gleich an der Eingangspforte zu seinem kleinen Buch in Empfang (Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist das gekürzte Nachwort zum soeben bei Reclam erschienenen Buch Janosch: Wörterbuch der Lebenskunst). Eigene Versuche in dieser Disziplin zeigen mir, dass das nicht immer gelingt. Aber Janosch macht mit diesem Auftakt schon mal klar, dass er schmerzliche Erfahrungen kennt und das Leben für ihn nicht immer nur aus Spaß und Freude besteht. 

Was hilft uns, wenn das Leben schwierig wird und das Lachen im Halse stecken bleibt? Viele wollen so eine negative Situation nicht einmal denken, es soll vielmehr immer alles positiv sein. Janosch aber wird nachdenklich und lenkt den Blick auf die Sternstunden, um derentwillen allein sich schon das Leben lohnt. Das hilft in schwierigen Zeiten: Sich an solche Stunden zu erinnern und sich über ihre Einmaligkeit zu freuen, statt sie um jeden Preis wiederhaben zu wollen und dann enttäuscht zu sein, wenn sie partout nicht wiederkehren, schon gar nicht in identischer Gestalt. 

Um irgendwie mit diesem Durcheinander namens Leben zurechtzukommen, hat Janosch die wichtigsten Dinge in seinem Buch alphabetisch geordnet: Arbeit, Bratkartoffeln, Champagner und so weiter. So ist sein „Wörterbuch der Lebenskunst“ aufgebaut, und jeden Anfangsbuchstaben ziert ein Janosch-Bildchen, die Tigerente darf nicht fehlen. Anders als andere Philosophen, die über die Dinge des Lebens umfangreiche Bücher schreiben, macht er nicht gerne viele Worte. Er hat es gut, denn er kann mit Bildern so viel mehr sagen, aber präziser wird das Nachdenken halt mit Worten. Also wagt er sich in diesem Bändchen auf das Terrain der Formulierungen vor, mit deren Hilfe Einsichten auf den Punkt zu bringen sind, von Anderen allerdings auch bestritten werden können. 

Manches im Leben firmiert unter S wie Schicksal, das „auf eine fatale Weise so oder anders ausfällt“. Das ist eine knackige Definition dessen, was moderne Menschen nicht mehr akzeptieren wollen, da alles machbar und veränderbar sein soll. Aber es gibt trotzdem Dinge, die geschehen und nicht mehr veränderbar sind. Mit dem Schlamassel, das daraus resultiert, hat uns ein Schöpfer allein gelassen. Das ist der, zwinkert Janosch uns zu, der die Welt geschaffen hat „und dann wegging“. Klar, wer folglich die Schuld für alles trägt. „Gott ist schuld!“ Doch, ja, das ist eine gute Idee für die Lebenskunst, die ewige Frage nach der Schuld, mit der sich Menschen oft lebenslang herumschlagen, in dieser Kürze abzuservieren. Schon um sich und Andere auf andere Gedanken zu bringen. 

(…) 

Manche Sätze sind etwas leichtfertig so dahingesagt. „Vergiss es nicht: Heute ist der schönste Tag in deinem Leben!“ Jeder Mensch verfügt über genug Lebenserfahrung, um zu wissen, dass das häufig nicht so ist. Warum sich dem Stress aussetzen, dass es immerzu der schönste Tag sein soll, auch wenn es einer zum Heulen ist? Auch die unschönen und traurigen Tage sind Leben. Mit ihnen leben zu können, ist ebenso Lebenskunst wie der Genuss der schönen und freudigen Tage.

(…) 

Ich ahne, was Janosch mir jetzt sagen würde: Nimm’s nicht so ernst, was da steht! Im Zweifelsfall ist er eben doch mehr Künstler als Philosoph. Der Philosoph will ergründen, der Künstler will eine Brücke über die Abgründe des Lebens bauen. Es ist bei ihm in der Summe relativ einfach mit dem Leben: Der Mensch wird gezeugt und ins Wasser geworfen. Immerhin nicht ins kalte Wasser, denn es ist das Fruchtwasser. Dann aber muss er schwimmen, etwas Anderes bleibt ihm nicht übrig, denn sicher ist nur das Eine: „Du kommst lebend nicht mehr heraus.“ Aus dem Fruchtwasser schon, nicht jedoch aus dem Leben. Die Zeugenden hatten ihren Spaß, die Gezeugten bezahlen ihn mit vielen Jahren Mühsal, Gliederreißen, Steuern zahlen. „Ein paar Sonnentage sind auch dazwischen, na, wenigstens das!“ 

Wilhelm Schmid: "Lebenskunst ist nicht das Sterbenlernen, sondern das Lebenlernen"

Wie kann ein Mensch damit fertigwerden? Janosch plädiert dafür, die Herausforderungen des Lebens mit Freuden auszuschmücken, denn ohne Freuden lohnt es sich nicht. Freudig zu leben, trotz allem, das ist für ihn Lebenskunst. Ja, auch T wie Tod kommt bei ihm vor. Seit altersher ist der Tod für Philosophen der Ansporn, sich Gedanken über das Leben zu machen. Weil es zeitlich begrenzt ist, kommt es darauf an, innerhalb der Grenze das zu realisieren, was im Leben für wichtig gehalten wird, bevor es zu spät dafür ist. Elementar für die Lebenskunst ist dennoch nicht das Sterbenlernen, wie alte Philosophen meinten, sondern das Lebenlernen. Dabei ist Janosch mit seinem Wörterbuch der Lebenskunst behilflich. Nicht durch Vorgaben, wie das Leben gesehen werden muss. Sondern durch Anregungen für das eigene Denken. 

Dieser Text ist das gekürzte Nachwort zum soeben bei Reclam erschienenen Buch Janosch: Wörterbuch der Lebenskunst (122 Seiten, 7 Euro).

Wilhelm Schmid, geboren im Krumbacher Ortsteil Billenhausen, ist seit „Gelassenheit“ einer der meistgelesenen Denker. Er wird demnächst 70 und lebt seit langem in Berlin. In Kürze erscheint sein neues Buch „Schaukeln“.

Horst Eckertalias Janosch (das Foto stammt von 2010) wird demnächst 92 Jahre alt, ist berühmt für seine Kinderbücher mit Figuren wie Bär und Tiger und lebt seit über 40 Jahren auf Teneriffa.

 
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