zurück
Füssen
Ein bisschen viel Liebe und Friede im "Sommer of Love"
Ralph Siegel präsentiert im Festspielhaus Füssen ein zweites großes Musical. Es geht um unsterbliche Liebe, das geteilte Deutschland und wahr gewordene Träume.
Markus Röck
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:55 Uhr

Nach „Zeppelin“ präsentiert Ralph Siegel mit „Ein bisschen Frieden – Summer of Love“ ein zweites Musical im XXL-Format am Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen. Dreieinhalb Stunden inklusive einer Pause dauert das Bühnenspektakel, das vom Premieren-Publikum in Füssen begeistert gefeiert wurde. 

Die Uraufführung des Musicals war im Herbst im Theater am Marientor in Duisburgüber die Bühne gegangen, wo allerdings nach drei Wochen wegen deutlich zu geringer Kartenverkäufe schon wieder Schluss war. Schwere Management-Fehler und fehlendes Marketing macht Regisseur Benjamin Sahler dafür verantwortlich und gibt sich zuversichtlich, dass das Musical an seinem eigenen, technisch besser ausgestatteten Haus in Füssen auch besser laufen wird.

Auch Nicole ("Ein bisschen Frieden") war bei der Premiere in Füssen

An der Ostsee lernen sich im „Summer of Love“ 1967 der DDR-Rocker Richard und die Westberlinerin Elisabeth kennen und lieben, können wegen der deutschen Teilung aber nicht zusammenbleiben. Als Richardüber die Ostsee in den Westen flieht, reißt ihr Kontakt ab: Er sieht sie mit einem anderen Mann und will ihr scheinbares neues Glück nicht stören, sie denkt, er ist bei der Flucht ums Leben gekommen. Erst Jahrzehnte später kommen sie in Brighton, ihrem gemeinsamen Traumziel, zusammen.

Der Titel „Ein bisschen Frieden“ ist nicht nur Kokettieren mit Siegels früheren Erfolgen, sondern Programm. Das Lied, mit dem Nicole 1982 den Eurovision Song Contest gewann (sie besuchte übrigens an Siegels Seite die Premiere in Füssen), zieht sich in mehreren Versionen, auch mal in Moll, wie ein roter Faden durch die Geschichte. Die Sehnsucht nach Frieden, Freundschaft und einer Welt voll Harmonie wird von Beginn an immer wieder in Szene gesetzt.

Die Dramatik einer Flucht aus der DDR in einem Schlauchboot über die Ostsee in den Westen verblasst dagegen ebenso wie Stasi-Mann Walter Krause (Benjamin Heil) in der Geschichte immer mehr zur Karikatur gerät. Spätestens, wenn Alexander Kerbst ihn gealtert im Honecker-Outfit darstellt. Bis zuletzt stellt Krause seinem Erzfeind Richard Steiner (Tim Wilhelm) nach, den er schon in der DDR drangsalierte und mehrfach verhaften ließ.

Tim Wilhelm (Münchener Freiheit) spielt die Hauptrolle

Dass der DDR-Rocker in der weltweiten Aufbruchstimmung im „Summer of Love“ 1967 nicht nur Staatstragendes auf der Bühne darbietet, war Stasi-Krause ebenso wenig verborgen geblieben, wie dessen Liebe zur Westberlinerin Elisabeth (Madeleine Haipt), die im Sommer immer wieder ihre Tante in der DDR besucht. Der Versuch Krauses, Steiner mit allerlei Verlockungen als DDR-Spitzel zu gewinnen, scheitert – beschert dem Stück jedoch eine wunderbar schräge Slapstick-Einlage: Wie sich Tänzerin Moni (Henriette Schreiner) im Friedrichsstadt-Palast im Auftrag der Partei und in breitestem Sächsisch singend „Rischard“ an die Brust wirft, dessen blaue Augen sie so „sendimendol“ machen, löst den bis dahin stärksten Szenen-Applaus aus.

Überhaupt entfaltet das Musical seine Stärken bei den solo und als Duett vorgetragenen Liedern. Tim Wilhelm, Sänger der Band Münchener Freiheit, lässt als junger Richard Steiner eine ebenso starke Stimme erklingen, wie Jennifer Siemann. Für Ralph Siegel ist sie von der Schauspielerei zum Gesang zurückgekehrt und bot eine beeindruckende Leistung. Wie sie „Ein bisschen Frieden“ zur selbst gespielten Gitarre vorträgt, beschert zwar nicht „Germany 12 Points“ wie einst bei Nicole, sichert in der englischen Version „A Little Peace“ ihrer Figur Nina aber den erträumten Platz an der London School of Performing Arts.

Gemeinsam mit ihrer Großmutter Elisabeth (Sonia Farke) hatte sich Nina auf den Weg nach England gemacht, um ihrer beider Träume zu erfüllen: Elisabeth hatte in einer Zeitschrift ihre totgeglaubte Liebe Richard Steiner entdeckt, der in Brighton als „Rick Stone“ auftritt, während Nina ihr von der Mutter auferlegtes Jura-Studium gegen eine musikalische Ausbildung in London tauschen möchte. Natürlich, das wird im Musical oft beschworen, muss man nur lange genug zu seinen Träumen stehen, um sie wahr werden zu lassen.

"Ein bisschen Frieden - Summer of Love" wird noch bis Juli aufgeführt

Durchaus attraktiv sind die großen Ballettszenen, die beispielsweise das lockere Strandleben in Brighton darstellen. Hier kommt das Bühnen-Bassin im Festspielhaus ebenso zum Einsatz wie als Ostsee, über die Ricky mit seinem Freund Bernd Hinrichs („Ich will Spaß“-Markus Mörl) im Schlauchboot in den Westen flüchtet. Ein wenig frivol und mit viel Glitter bietet eine Szene aus dem Friedrichstadtpalast etwas fürs Auge. Da wird auch das Bühnenbild pompöser, das ansonsten von Projektionen getragen wird. Hier wie in weiteren Szenen, unter anderem als strenge Konservatoriumsleiterin, überzeugt Angelika Erlacher gesanglich. 

Warum in der Polizeistation aber gerade eine große Party steigt, als Jutta Bauer (Yvonne König), die Tochter von Elisabeth und Mutter von Nina, die beiden als vermisst melden will, bleibt für den Zuschauer ein Rätsel. Mehr Gesang hätte man sich unterdessen von Dan Lucas gewünscht. Er gibt den alternden Rick Stone und setzt damit ein Stück seines eigenen Lebens in Szene. Auch er hatte einst in der DDR als Rocksänger Karriere gemacht, ehe er mit einem Bandkollegen einen Auftritt im West nutzte, sich abzusetzen. 

Das Publikum im Festspielhaus wird im Lauf des Abends öfter Teil der Show – meist wenn auf der Bühne gerade wieder ein Konzert dargestellt wird. Dann blickt und deutet der oder die Singende von der Bühne in die Reihen – und der eine oder die andere ließ sich dazu animieren, die Arme zu schwenken oder im Rhythmus mitzuklatschen.

Bis Mitte Juli stehen noch elf weitere Aufführungen von „Ein bisschen Frieden – Summer of Love“ auf dem Programm des Füssener Festspielhauses. Dann ist auch klar, ob der Misserfolg in Duisburg tatsächlich hauptsächlich in den dortigen Umständen begründet ist.

Termine und Eintrittskarten auf www.das-festspielhaus.de

 
Themen & Autoren / Autorinnen
DDR
Festspielhäuser
Friedrichstadtpalast
Lied als Musikgattung
Markus Mörl
Musicals
Ralph Siegel
Rocksänger
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen