Das Salzkammergut ist in diesem Jahr eine der drei Kulturhauptstädte Europas, und in Bad Ischl und umgebender Region präsentiert man nicht nur die Kunst der heutigen Zeit, sondern lenkt den Blick auch auf vergangene Tage, in denen das Salzkammergut ebenfalls im Zentrum des Interesses stand, wenngleich eines unrühmlichen. Fand doch in dortigen Salzbergwerken die Verwahrung von Kunstwerken aus dem "Großdeutschen Reich" sowie aus dem von ihm unterworfenen Ländern statt. Kunst, die, wenn aus jüdischem Besitz, in aller Regel geraubt oder sonst wie verfolgungsbedingt entzogen war. Was da im Salzbergwerk von Bad Aussee unter Tage gebracht worden war und wie die Schätze wieder ans Licht gelangten, wissen auch Kinobesucher, wenn sie 2014 George Clooneys "Monuments Men" gesehen haben.
Der Bergung großer Kunstwerke im Salzkammergut während des Zweiten Weltkriegs widmet sich in Linz jetzt eine Ausstellung namens "Die Reise der Bilder". Wobei der ein wenig beschaulich klingende Titel darüber hinwegtäuscht, dass den Kuratorinnen Elisabeth Nowak-Thaller und Birgit Schwarz eine überzeugende Aufarbeitung des Themas gelungen ist. Denn die Schau im Lentos Kunstmuseum zeigt nicht bloß, unter welch teilweise haarsträubenden Bedingungen einzigartige Kunstwerke ins Salzkammergut verbracht wurden und dort das Kriegsgeschehen zumeist unbeschadet überdauerten. Eingeordnet wird auch, welches Kalkül Adolf Hitler verfolgte, als er Kunst bombensicher einlagern ließ.
Der "Führer" als oberste Instanz in Sachen Kunst
Dass die "Reise der Bilder" in Linz, im riesigen Sonderausstellungsraum des Lentos-Museums, gezeigt wird, hat seinen Hintersinn. Hier an der Donau sollte nach Hitlers Willen das "Führermuseum" entstehen, ein gigantischer Kunstbau, gewidmet einer vom Diktator persönlich getroffenen Kunstauswahl. Hitler erließ dafür den "Führervorbehalt", wonach ihm als oberster Instanz die Zuordnung museumswürdiger Kunst oblag. Um an diese, soweit sie nicht schon in staatlichen Museen des Reichs vorhanden war, zu gelangen, wurde der "Sonderauftrag Linz" an den Dresdner Museumsmann Hans Posse erteilt, geraubte oder enteignete Kunst im besetzten Europa zu sichten und auszuwählen, ob Einzelnes tauglich sei für das geplante "Führermuseum".
Wobei nicht nur geraubt, sondern auch gekauft wurde. Nicht nur Anthonis van Dycks am Eingang der Ausstellung platziertes Gemälde "Jupiter als Satyr bei Antiope" (um 1620), das heute Heimstatt im Kölner Wallraf-Richartz-Museum hat, auch ein halbes Dutzend weiterer Ölbilder war laut der beigegebenen Auflistung der Vorbesitzer von Karl Haberstock erworben worden – Haberstock, gebürtiger Augsburger, war ein umtriebiger Kunsthändler in Berlin mit besten Kontakten in die Reichskanzlei, wohin er zahlreiche Bilder weiterverkaufte. Ob nun der genannte van Dyck oder bei Joris van Son, dem älteren Rugendas oder bei Böcklin, an all diesen Bildern ist der Hinweis zu finden, dass "NS-verfolgungsbedingter Entzug" nicht ausgeschlossen werden kann.
Von Neuschwanstein ins Salzbergwerk Altaussee: der Genter Altar
Mit Ausbruch des Krieges begannen die ersten Bergungen aus den Museen im Reich, zunächst noch in entlegene Klöster oder Schlösser. Als der Bombenkrieg der Alliierten zunahm, ging die "Reise" weiter in die Stollen des Salzkammerguts. Kamen etwa die Gemälde der Münchner Schack-Galerie oder der weltberühmte Genter Altar, die zuvor auf Schloss Neuschwanstein geborgen waren, ins Salzbergwerk Altaussee, so gelangten die Schätze der großen Wiener Museen in den Stollen Lauffen bei Bad Ischl. Die Ausstellung präsentiert eine exquisite Auswahl an Papierarbeiten von unter anderem Dürer, Rembrandt, Raffael und Bosch aus der Albertina.
In den letzten Kriegsmonaten und Wochen herrschte Chaos bei den Bergungen im Salzkammergut. Treibstoff war nicht mehr ausreichend vorhanden, Kunsttransporte strandeten in Gasthöfen, der fanatische Gauleiter ordnete gar die Sprengung der Stollen an und ließ Fliegerbomben in den Altausseer Stollen einfahren, ein Vorhaben, das in letzter Minute durchkreuzt werden konnte. Dann schlug die Stunde der Monuments Men, erfolgte der Transport der aufgefundenen Kunst nach München in den Collecting Point der Amerikaner. Womit die Kunst zwar gerettet war, die Frage nach ihren rechtmäßigen Besitzern jedoch erst ihren Anfang nahm, was Provenienz-Experten bis heute beschäftigt. In Deutschland, die Bildlegenden in der Ausstellung weisen immer wieder darauf hin, gingen Meisterwerke, deren Provenienz nach Kriegsende nicht zu klären war, in den Besitz der Bundesrepublik über, als Leihgaben des Bundes finden sie sich über das Land verteilt in erstrangigen Museen. Wessen Wände schmückten sie einst?
Ohne den Namen Gurlitt geht es nicht im Lentos Kunstmuseum
Dass diese sehr zum Nachdenken anregende Ausstellung gerade im Lentos Kunstmuseum stattfindet, hat noch eine weitere Pointe. Denn das Museum mitsamt seinem Objektbestand ist ein städtisches und wurde erst 1948 gegründet, indem die Stadt Linz als Grundstock die Sammlung von Wolfgang Gurlitt übernahm. Der Kunsthändler, Großcousin jenes Cornelius Gurlitt, dessen "Schwabinger Kunstfund" vor einigen Jahren für Furore sorgte, übersiedelte im Krieg von Berlin nach Bad Aussee. Wenn auch weit weniger als sein Cousin Hildebrand Gurlitt (Cornelius' Vater) in die "Sonderaktion Linz" verstrickt, profitierte doch auch Wolfgang Gurlitt vom Kunstraub der Nazis.. Nicht nur verkaufte er Max Slevogts "Bildnis eines bärtigen Mannes", ehemals im Besitz des jüdischen Kunsthändlers Bruno Cassirer, für das Neunfache des 1944 gezahlten Erwerbspreises an das Würzburger Museum im Kulturspeicher. Über Wolfgang Gurlitt kam auch Gustav Klimts "Bildnis Ria Munk III" in die Linzer städtische Sammlung und verblieb dort Jahrzehnte, bis es nach Provenienzrecherchen an die Erben der jüdischen, in Bad Aussee lebenden Auftraggeberin, deren Besitz vollständig "arisiert" worden war, 2009 zurückgegeben wurde.
Die Reise der Bilder. Bis 8. September im Lentos Kunstmuseum Linz, Montag geschlossen. Der Katalog (Hirmer) kostet im Museum 39 €.