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Augsburg
Neuer Ärger mit den Benin-Artefakten
Die Kunstschätze, die an Nigeria zurückgegeben werden, sollen dort Privatbesitz des Nachfahren der Benin-Könige werden. Ist das ein Grund, jetzt alles infrage zu stellen?
Benin-Bronzen.jpeg       -  Eine Museumsmitarbeiterin verpackt eine der Benin-Bronzen für die Rückgabe nach Nigeria.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa | Eine Museumsmitarbeiterin verpackt eine der Benin-Bronzen für die Rückgabe nach Nigeria.
Richard Mayr
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:01 Uhr

Es kommt nicht oft vor, dass die Innenpolitik von Nigeria in Deutschland heiß diskutiert wird. Es hat auch einige Zeit gedauert, bis die Erklärung des scheidenden nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari erst in Deutschland und dann auch in anderen europäischen Ländern für Schlagzeilen gesorgt hat. Bereits am 22. März hat Buhari klargestellt, dass die 1897 gestohlenen Benin-Artefakte, die an Nigeriaübergeben werden, in die Obhut des Oba Ewuare II. übergehen sollen, Nachfahre der Benin-Könige, denen die Artefakte 1897 von der britischen Armee in einem Vergeltungsfeldzug geraubt worden sind.

Erst die Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin hat in ihrem Gastbeitrag in der FAZ das Thema vor einer Woche aufgegriffen. Ihre Stoßrichtung: War es so gewollt, war die Rückgabe der Objekte an Nigeria so beabsichtigt? Die Benin-Bronzen, die zuvor in deutschen Museen der Forschung und Wissenschaft weltweit zugänglich waren und dort in Teilen auch der Öffentlichkeit präsentiert wurden, werden in Nigeria nicht öffentliches Eigentum, sondern Privateigentum. Der Oba Ewuare II. kann entscheiden, wo und wie die Benin-Artefakte aufbewahrt werden, ob und wie sie ausgestellt werden.

Die Debatte um die Benin-Bronzen geht in eine neue Phase

Und damit geht die Debatte, wie mit den Benin-Artefakten umgegangen werden soll, in eine neue Phase. Eigentlich war alles geklärt, Deutschland hatte sich entschieden, die koloniale Raubkunst nach Jahrzehnten der Diskussion Nigeria zurückzugeben. Einige Objekte sollten als Leihgaben in deutschen Museen verbleiben. Idee der Rückgabe war, die Benin-Artefakte dem nigerianischen Volk zurückzugeben. Ein staatliches Museum in Benin sollte auch mit Geldern aus Deutschland gebaut werden und dann die Benin-Artefakte bewahren. Stand heute – der neue nigerianische Präsident tritt bald sein Amt an – werden die zurückgegebenen Kunstwerke nicht dort aufbewahrt werden. Aber ist das nun ein Grund, die Rückgabe infrage zu stellen?

Am Umgang mit den Benin-Artefakten kann man sehen, wie schwer das Aufarbeiten der kolonialen Geschichte ist. Geraubt haben britische Truppen im Jahr 1897 die Artefakte, viele Stücke wanderten im Anschluss auf den Kunstmarkt und kamen auf diese Weise in die musealen Sammlungen. Deshalb muss sich auch Deutschland, wo mehr als 1000 Objekte in verschiedenen Sammlungen zu finden sind, mit der Rückgabe auseinandersetzen. 

Der kunsthistorische Wert der Benin-Artefakte ist eindeutig

Über den kunsthistorischen Wert der Artefakte sind sich alle einig – es sind herausragende Kunstwerke, die am Hof des Oba entstanden sind. Als Benin-Bronzen sind sie bekannt, viele der Tafeln und Stücke sind aber aus Messing, Gold, Leder und Holz, Bronzen machen nur einen Teil aus. Die Stücke haben auch die künstlerische Moderne beeinflusst.

Allerdings gibt es da auch noch die dunkle, eher verschwiegene Seite: Das Rohmaterial stammte zum Teil aus dem transatlantischen Sklavenhandel. Das Königreich Benin war eines der drei Hauptzentren des Sklavenhandels mit den Europäern. Portugiesen, Briten, Niederländer, Spanier und Franzosen haben vom Königreich Benin Sklaven mit Messingringen gekauft.

Begründet wurde der Sklavenhandel mit der Erfindung des Rassismus

Schaut man also zurück in die Geschichte der Benin-Artefakte, beginnt diese eben nicht erst im Jahr 1897 mit dem britischen Feldzug, sondern es gibt da auch diese Vorgeschichte, in der das Königreich Benin vom transatlantischen Sklavenhandel profitierte. Eines ist sicher: So sehr der Oba Ewuare II. auch als progressiv angesehen wird – dass er die Verstrickung Benins in den transatlantischen Sklavenhandel aufklären will, dafür ist er nicht bekannt. 

Allerdings verbietet es sich, aus Europa leichtfertig Belehrungen in Richtung Nigeria zu schicken, wie mit dem Unrecht des Kolonialismus umgegangen werden soll. Es waren die Europäer, die den transatlantischen Sklavenhandel geschaffen haben. Es waren die Europäer, die als Begründung für den Sklavenhandel den Rassismus geschaffen haben. Und die Ideen einer weißen, europäischen Überlegenheit wirken bis heute nach, man muss nur Menschen mit einer anderen Herkunft danach fragen, was sie tagtäglich erleben.

Kritik: europäische Überheblichkeit besteht weiter

Ein Kommentator aus Ghana schreibt über die deutsche Debatte um die Benin-Artefakte, dass man als Nachfahre von Sklavenhändlern vorsichtig sein solle, den transatlantischen Sklavenhandel in eine rein afrikanische Angelegenheit zu verwandeln. Und der Kommentator fragt, ob man die Könige von Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Norwegen, Dänemark, Schweden und die Präsidenten von Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika auf dieselbe Weise beschreiben würde wie Oba Ewuare II. – als Nachfahren von Sklavenhändlern?

Über Jahrzehnte haben europäische Staaten auf Zeit gespielt, wenn es um die Rückgabe von Kunstwerken in europäischen Museen ging. Sich auf die Position zu stellen, dass die Objekte in europäischen Museen besser aufgehoben seien, weil dort die Ausstattung und die Standards besser seien, das wird in Nigeria, Ghana und anderen Ländern nur noch als fortwährende europäische Überheblichkeit und letztlich Rassismus bewertet. An der weiteren Rückgabe geht kein Weg mehr vorbei. Und der Oba Ewuare II. muss zeigen, dass er verantwortlich mit den Artefakten umgeht.

 
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