
Reality TV und Dating-Shows sind ein beliebtes Mittel, um dem Alltag zu entkommen. Seichte Unterhaltung ohne tieferen Sinn, der Zuschauerinnen und Zuschauern das Gefühl gibt, dass es um sie selbst nicht ganz so schlecht bestellt ist. Spätestens seit Bachelor und Bachelorette jedes Jahr mit neuen Staffeln unterhalten, kommen immer abgedrehtere Formate auf den Markt. In den USA ist jetzt ein neuer Tiefpunkt erreicht.
Da dachte man, schlimmer als "Naked Attraction" oder "Adam und Eva" kann es nicht mehr werden. In den Shows lernen sich Teilnehmende gänzlich unbekleidet kennen, um dann – natürlich aufgrund der Persönlichkeit – zu entscheiden, wen sie daten. Zuschauerinnen und Zuschauer können dem Spektakel, den Balztänzen und nacktem Yoga am Strand vom Sofa aus zuschauen und sich darüber lustig machen, wie man nur bei so einer Show mitmachen kann. Die Quoten zeigen: Jede noch so hirnverbrannte Idee für eine Reality-Show zieht neues Publikum an.
Jede Datingshow braucht ein kurioses Detail
Dann gibt es da noch "Hochzeit auf den ersten Blick", wo sich Paare zum ersten Mal vor dem Altar sehen und ohne ein Wort gewechselt zu haben entscheiden, ob sie mal eben heiraten. Oder das schöne Format "Too Hot To Handle", bei dem willige Singles auf eine Insel gelockt werden mit dem Versprechen auf heiße Nächte mit heißen Leuten. Der Schock: Sie dürfen keinen Sex haben und müssen sich auf tieferer Ebene kennenlernen. Da blicken sie sich in die langen Gesichter und stürzen sich wie wilde Tiere aufeinander, sobald ein grünes Lichtchen ihnen anzeigt, dass sie sich nun doch für kurze Zeit näherkommen dürfen.
Aber das alles kann nicht mit einer neuen Sendung in den USA mithalten. Acht Frauen im Alter von 40 bis 60 Jahren verbringen Zeit in einer Villa in Mexiko, um junge Männer zu daten – was ja völlig in Ordnung ist. "MILF Manor" nennt sich die Sendung. Die Abkürzung steht für "Mother I'd Like to F*ck" und soll eine Frau mittleren Alters beschreiben, die in den Augen eines Mannes noch immer attraktiv genug fürs Schäferstündchen ist. Was in Pornos schon lang eine eigene Kategorie hat, kommt auf den Fernsehschirm. Eine ähnliche Sendung "M.O.M. – Milf oder Missy" gab es in Deutschland auch schon. Zwei Männer, einer über 40 der andere etwa 30 Jahre, sollten zwischen älteren und jüngeren Frauen wählen. Soweit aber noch kein Tiefpunkt.
Im neuen Format treffen sich die Frauen nach einem kurzen Austausch darüber, wie aktiv ihr Sexleben ist, auf mögliche Dates: Acht Männer zwischen 20 und 30 Jahren. Moment, auch das ist noch nicht der Tiefpunkt. Nach einem kurzen Blickwechsel stellen die jungen – natürlich ebenfalls äußerst attraktiven, durchtrainierten – Männer fest: "Das ist meine Mutter!" Und ja, Willkommen bei "MILF Manor", wo jede der Frauen die Söhne der anderen Teilnehmerinnen datet. Aber beim reinen Kennenlernen bleibt es natürlich nicht.
Dating-Shows funktionieren nur durch Sexismus und Sex
Mit verbundenen Augen tasten die Mütter die Körper der Männer ab, um ihren Sohn zu finden. Wie oft haben sie vorher schon das Sixpack ihres Sohnes blind befühlt? Sie erzählen ihre geheimsten Sex-Geschichten, die ihre Söhne ihnen später zuordnen müssen. Da kommt raus, dass eine Mutter mit dem besten Freund ihres Sohnes schlief, was ihren Sohn an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachte. Gemäß den ungeschriebenen Dating-Show-Regeln schlafen alle in einem Schlafsaal, damit Mutter und Sohn sehen und hören, wer mit wem Matratzen-Mambo tanzt. Der ödipale Traum wird auf die Spitze getrieben. Selten war Freuds Theorie von der frühkindlichen Anziehung des Sohnes zur Mutter so greifbar.
Im Diskurs um die Sendung zeigt sich eine paradoxe Mischung zwischen konservativen Ansichten (Wie können diese Frauen nur Männer daten, die so alt sind, wie ihre Söhne?), Emanzipation (die Produzentin spricht von "weiblicher sexueller Befreiung") und klassischem Sexismus, denn natürlich nehmen nur normschöne Frauen und ihre Instagram-Model Söhne teil. Und die Rollen mal getauscht: Man möge sich vorstellen, Männer in ihren Mittfünfzigern dateten in einer Show ihre Töchter – und tasteten blind deren Oberkörper ab.