Es gibt Abende, die stehen unter einem besonderen Stern. Da singen junge ambitionierte Sänger ihre herrlichen Koloraturen, begleitet von einem kleinen Orchester auf Barockinstrumenten in einem Rokoko-überladenen Raum, der nur zwei Jahre älter als die Partitur der kleinen Oper ist, die ein aufstrebender junger Komponist in der Manier seiner Zeit kunstvoll geschrieben hatte. Und wo sich dies alles so wunderbar zusammenfügt, springt der Funke auch aufs Publikum über – auch wenn der nicht einmal halbvolle Kleine Goldene Saal gut noch mehr Zuhörer vertragen hätte.
Für die Aufführung von „Apollo und Hyacinth“ wurde auf vielen Ebenen sorgfältig gearbeitet
Vielleicht liegt das mangelnde Interesse daran, dass sich die Mozart-Gesellschaft in Augsburg selbst Konkurrenz macht mit ihren vielen Konzertreihen und Musikangeboten. Oder dass sich das hiesige Publikum nicht viel versprach von einem selten aufgeführten Frühwerk des Genies Wolfgang Amadeus Mozart, der als Elfjähriger den Auftrag der Salzburger Universität bekam, einen Stoff aus der griechischen Mythologie um eine tragisch endende Männerliebe zu vertonen. Dabei hätte es sich gelohnt, dies Zusammenspiel der Künste zu erleben. Weniger weil bei „Apollo und Hyacinth“ KV 38 ein musikalischer „Geniestreich“ des noch lernenden Komponisten zu entdecken wäre. Sondern eher, weil hier auf vielen Ebenen sorgfältig gearbeitet wurde, um einem Werk des 18. Jahrhunderts den Raum zu geben, den es braucht, um sich zu entfalten.
Bühnenbildnerin Marianne Hollenstein sorgte dabei für den passenden Kontrast in der rokokogoldenen Umgebung. Sie versorgte die fünf Sänger mit quietschbunten Batikanzügen, setzte sie um einen Kugelgrill auf Campingstühle (als „Altar“) und ließ sie am Apoll-Altar um ein Götzenbild tänzeln, das weit entfernt von griechischen Götterstatuen war. So bewegten sich die fünf in den affektgeladenen Arien und Rezitativen mit souveräner Frische, szenisch wandlungsfähig zwischen Liebe, Eifersucht, Schuld, Lüge, Rache und Vergebung.
Die Männerliebe wird in eine Freundschaft umgedeutet
In der hier vertonten Fassung (das Libretto hatte Pater Rufinus Widl für Mozart gefertigt) erscheint Apoll unter den Menschen bei König Oebalus (Tenor Philipp Nicklaus stark und präzise auch in den Tiefen) und verliebt sich in dessen Kinder Melia (mit jubelndem Strahlen und einer bewundernswerten Unbekümmertheit in der Stimme Anjulie Hartrampf) und Hyacinth (in der Hosenrolle sehr ausdrucksstark selbst in den Rezitativen Theresa von Bibra), wobei in dieser Vorlage die Männerliebe in eine Freundschaft umgedeutet wird.
Von Anfang an mit schlechten Gefühlen wie Eifersucht und Falschheit belegt, suhlte sich Bass-Bariton Clemens Morgenthaler lustvoll in den emotionalen Ausbrüchen des Zephyrus, der seinen geliebten Hyacinth mit dem Diskus tödlich verletzt, die Tat aber Apoll unterschiebt. Ein paar gefühlvolle Duette weiter klärt sich alles und es gibt ein heiter gewebtes Happy End zwischen Melia und Apoll (Countertenor Diego Galicia Suarez, der in der Kopfstimme seine Strahlkraft etwas einbüßte).
Die lustvolle Spielfreude der jungen Sänger wurde vom historisch versierten Franz Raml und seinem Hassler-Consort unterstützt, einem erfahrenen Barock-Ensemble aus Ulm, das neben der Szene positioniert sich mitunter etwas zu stark in den Vordergrund spielte. Das war vor allem den warm und gefühlvoll aufspielenden Streichern zu verdanken, die nach der Pause einen Satz der „Lambacher Sinfonie“ einfügten – entstanden etwa zur selben Zeit wie die Oper. Das federnde Tempo, das die Melodiebögen unterstrich, sowie die Naturhörner, die sich schmeichelnd unter die Streicher legten – alles diente der lebendigen Frische, die diese Aufführung charakterisierte.