
Die Ankündigung kam, wie immer bei Liam Gallagher, recht vollmundig daher. Über Twitter meldete sich der Sänger und Fan von Manchester City vor dem Finale der Champions League zu Wort. Auf Deutsch, ohne das F-Wort und mit Satzzeichen las sich das so: "Wenn Man City die Champions League gewinnt, rufe ich meinen Bruder an und wir bringen die Band wieder zusammen!" Mit der "Band" ist natürlich Oasis gemeint. Die zusammen mit Blur wichtigste Band des Britpops bescherte der Welt Hymnen wie "Wonderwall", "Don't look back in anger" oder "Live forever". Die Streitigkeiten zwischen Liam und seinem älteren Bruder und Songschreiber Noel lieferten im selben Maße Futter für die Klatschseiten, und 2009 war endgültig Schluss. Und jetzt?
Manchester City hat sich den Pott bekanntlich geholt, zum ersten Mal in der Geschichte des Vereins. Liam Gallagher hält sich seither bei Twitter zurück - seit dem 9. Juni, einen Tag vor dem Finale, herrscht ungewöhnliche Funkstille. Vielleicht deswegen, weil er einen Rat seines Bruders befolgt hat?
Noel Gallagher fordert seinen Bruder auf: "Ruf mich an"
Der hatte lange Zeit eine Reunion als völlig absurd bezeichnet, in einem Video-Interview nun aber neue Töne angeschlagen: "Ich fordere dich hiermit auf, rufe mich an und sag, was du zu sagen hast. Und hör mit dem twittern auf, du bist besser als das." Sein Bruder werde aber niemals den Mumm haben, sich bei ihm zu melden - denn wenn es tatsächlich zu einem Oasis-Comeback komme, müsse er mit ihm im selben Raum sein. Liam antwortete zunächst mit einer ironischen Replik ("Mein Bruder ist zwei Tage in den USA und denkt jetzt, er ist ein Wrestler"), ließ dann die Ankündigung mit Man City folgen und nun eben Stille.
Töne über eine Reunion waren bislang ausschließlich von Liam gekommen - bei Noel Gallagher waren im Rahmen seiner Interview-Tour zu seinem neuen Album Fragen danach sogar untersagt. Und jetzt das? Es ist noch kein Dammbruch. Aber ein Comeback, das von vielen Fans, die Oasis nie live gesehen haben, herbeigesehnt wird, schien schon deutlich weiter entfernt zu sein. Zumal sich bei Noel auf privater Ebene zuletzt einiges getan hat: Anfang des Jahres gab er die Trennung von seiner Frau Sara MacDonald bekannt, nach 22 gemeinsamen Jahren.
Noel Gallaghers Album "Council Skies" ist ein Meisterwerk
Der Zeitpunkt kommt überraschend - und doch irgendwie nicht. Überraschend, weil beide Brüder alleine äußerst erfolgreich wie selten zuvor sind. Liam gab im vergangenen Jahr zwei ausverkaufte Konzerte auf dem Knebworth-Gelände mit insgesamt 160.000 Zuschauern, das dazugehörige Album ging in Großbritannien auf Platz eins, eine Live-Version des Konzerts erscheint in einigen Wochen. Noel hingegen ist seit Anfang Juni mit dem Album "Council Skies" auf dem Markt - und die Kritiker überschlagen sich zu Recht mit Lob. Die deutsche Ausgabe des Rolling Stone etwa spricht von einem "funkelnden Pop-Meisterwerk", die Times vergibt fünf von fünf Sternen und schreibt: "Dieses Album ist eine eindrückliche Erinnerung, warum Oasis so wunderbar waren." Noel selbst spricht in bekannt selbstbewusster Weise davon: "So gut war ich noch nie." Die Antwort des Rolling Stones: "Diesmal hat er Recht."
Allerdings brauchen auch brillante Alben wie "Council Skies" ebenso Werbung wie weniger gute Platten. Und die Sache mit der Oasis-Reunion zieht eben. Ob es wirklich mehr als eine Befeuerung von Verkaufszahlen ist, wird die Zeit zeigen. Ob ein Comeback wirklich erstrebenswert ist, ist eine andere Frage. In den letzten Jahren vor der endgültigen Trennung ging der Band sichtlich der Sprit aus, auch für hart gesottene Fans wurde zum Ende hin alles ein wenig beliebig. Oasis wirken heute größer als in den Jahren vor ihrer Trennung. Ein guter Zeitpunkt für eine Neuauflage wäre das kommende Jahr aber auf jeden Fall: 2024 wird das Debütalbum der Band 30 Jahre alt, es wird eine Jubiläums-Edition geben. Mehr nicht - Stand jetzt. Der Titel des Albums könnte jedenfalls nicht besser passen: "Definitely maybe", zu deutsch: "Definitiv vielleicht".