Während des Black History Month im Februar wird in den USA an die Geschichte Schwarzer Menschen erinnert. Auch in Deutschland finden etwa seit den 1990er-Jahren Veranstaltungen dazu statt. Doch wie sieht die Schwarze Geschichte Deutschlands aus? Und wie ist die Lage heute? Ein Blick in die Geschichte liefert lückenhafte Antworten.
Das Leben Schwarzer Menschen in Deutschland ist heutzutage sichtbarer denn je, nicht zuletzt dank der Proteste, die auf die Ermordung von George Floyd im Jahr 2020 folgten. Viele Vereine in Deutschland versuchen, diese Geschichte aufzuarbeiten. Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) Bund e. V. wurde 1985 gegründet und bezeichnet sich als "älteste Selbstorganisation von und für Schwarze Menschen in Deutschland". Der Verein Each One Teach One (EOTO) organisierte im Jahr 2020 eine groß angelegte Befragung, den Afrozensus. Damit wollte der Verein statistische Angaben zu der über eine Million Menschen zählenden Schwarzen Community in Deutschland erhalten. Eines der Ergebnisse: 97,3 Prozent der Befragten erlebten Anti-Schwarzen Rassismus.
Della: "In welcher Art von Gesellschaft wollen wir leben?"
Für Tahir Della von ISD Bund e. V. war die Erhebung von EOTO ein wichtiger Schritt: "Probleme lassen sich nur lösen, wenn man auch Daten dazu hat, um die Probleme abzubilden." Auch wenn sich die Lage für Schwarze Menschen in den vergangenen Jahren verbessert habe, stünde Deutschland weiterhin vor strukturellen und institutionellen Herausforderungen im Umgang mit Rassismus.
Für Della ist dies nicht nur eine Angelegenheit der Betroffenen und ihrer verhältnismäßig geringen Anzahl. Er betont: "Wir müssen uns die Frage stellen: In welcher Art von Gesellschaft wollen wir leben?" Es benötige eine "Haltung", man müsse den Betroffenen "von Anfang an zuhören", wenn sie Erfahrungen mit Rassismus erlebten. "Wenn wir über Rassismus sprechen, muss das auch mit Blick auf die deutsche Kolonialgeschichte passieren", sagt Della.
Doch die Nachverfolgung der Geschichte Schwarzer Menschen in Deutschland ist schwierig, in den deutschen Geschichtsbüchern finden sich nur spärlich Informationen dazu. Auch deswegen legte EOTO aus dem Nachlass der afrodeutschen Aktivistin Vera Heyer eine Bibliothek an, in der Werke von Autorinnen und Autoren afrikanischer, afrodiasporischer oder Schwarzer Herkunft zu finden sind. Bis heute werden dort Unterlagen gesammelt, die von der langjährigen Schwarzen Geschichte in Deutschland zeugen. Denn, sagt Tahir Della: "Schwarze Menschen gibt es nicht erst seit der Kolonialzeit."
Durch Kolonialisierung kamen viele Schwarze Menschen nach Deutschland
Der britische Historiker Robbie Aitken schreibt in seinem Beitrag "Black Germany": "Die Präsenz Schwarzer Menschen im deutschsprachigen Raum lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen." So sollen bereits während der Regentschaft Friedrichs II. als Kaiser des Heiligen Römischen Reichs zahlreiche Schwarze Männer und Frauen am Hof tätig gewesen sein. Oft wurden sie als Sklaven gekauft oder von anderen Würdenträgern verschenkt. Eine der bekanntesten Personen ist Anton Wilhelm Amo. Er wurde um 1700 im heutigen Ghana geboren und soll als "Geschenk" an den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel übergeben worden sein. Später studierte Amo und unterrichtete Philosophie in Halle, Jena und Wittenberg.
Durch die Kolonialisierung kamen immer mehr Menschen afrikanischer Herkunft nach Deutschland. Unter der Kanzlerschaft von Otto von Bismarck erwarb das Deutsche Reich die meisten Kolonien, informiert das Onlineportal des Deutschen Museums. Die Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent befanden sich im heutigen Namibia, Kamerun, Togo sowie Tansania, Burundi und Ruanda. Dies hatte Aitken zufolge Auswirkungen auf Deutschland: Die am "Kolonialprojekt" Beteiligten brachten oftmals Afrikaner nach Europa. Zwischen 1884 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 hielten sich demnach mehrere Tausend Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland auf.
Größere Community entsteht nach dem Ersten Weltkrieg
Die Gründe nach Europa zu kommen, seien unterschiedlich gewesen: Einige wurden gezwungen, andere hatten sich bewusst entschieden, schreibt Aitken. Oftmals mussten die Eingewanderten als Exponate in "Menschenzoos" arbeiten, waren für Kolonialfunktionäre oder bei der deutschen Handelsflotte tätig oder traten als Künstlerinnen und Künstler auf. Teilweise sandten die Eliten der kolonialisierten Staaten ihre Kinder nach Deutschland, um sie ausbilden zu lassen. "Nur sehr wenige blieben über einen längeren Zeitraum", schreibt Aitken.
Nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich jedoch die Migrationsbewegung zwischen den beiden Kontinenten. Im Rahmen des Versailler Vertrags verlor Deutschland seine Kolonien. Dadurch war für Eingewanderte eine Rückreise in ihre Heimatländer faktisch unmöglich, weswegen sie gezwungen waren, in Deutschland zu bleiben. Sie gründeten Familien, wodurch eine dauerhafte Schwarze Gemeinschaft, eine Community, entstand. Sie wurde Anlaufstelle für Schwarze Menschen in Deutschland, war aber auch aktivistisch tätig und setzte sich etwa gegen die Ausbeutung von Menschen afrikanischer Herkunft ein. Eine der damals bekanntesten Figuren war der Kameruner Darsteller Bebe Mpessa, bekannt als Louis Brody. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendete jedoch den öffentlichen Kampf für Gleichberechtigung. Schwarze Menschen wurden schikaniert und rassistisch beleidigt. Wer nicht flüchtete, wurde inhaftiert und kam in Konzentrationslager.
Buch "Farbe bekennen" als Grundstein für heutige Bewegung
Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es lange, bis sich die Schwarze Community wieder in Netzwerken organisierte. Mitte der 80er-Jahre veröffentliche May Ayim zusammen mit Katharina Oguntoye das Buch "Farbe bekennen", das von den Lebensrealitäten afrodeutscher Frauen in Deutschland handelt. Mit der Publikation brachten die beiden Autorinnen eine Bewegung der Aufarbeitung und Vernetzung Deutscher Schwarzer Geschichte ins Rollen, die bis heute andauert – und auch im Black History Month in Deutschland ihren Ausdruck findet.