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Augsburg
Ein Maurer wird zum Stadtbildhauer: Eine Ausstellung feiert 450 Jahre Elias Holl im Maximilianmuseum
Augsburg feiert einen Baumeister, der das Bild dieser Stadt mit geschaffen hat. Im Maximilianmuseum stellt die Ausstellung "Elias Holl – Meister Werk Stadt" den Mann vor und stellt die Frage: War er ein Genie?
Veronika Lintner
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:33 Uhr

Welche Wunder kann die Welt schon von einem jungen Maurer erwarten? Von einem, der gleich am Anfang seiner Laufbahn scheitert? Der im ersten Anlauf durch seine Meisterprüfung rasselt? Vieles darf die Welt erwarten – nimmt man das Leben des Elias Holl als Maßstab. Dieser Sohn aus einer Augsburger Maurerfamilie stieg, nach diesem ersten Missgeschick, doch noch zum Architekten und Bauingenieur auf. Er schuf sogar eine neue Silhouette für diese Stadt, wurde zum verehrten Stadtbildhauer. Der Perlachturm, das Rathaus, das Zeughaus, Marken der Renaissance nach Holls Entwurf. Und in diesem Jahr feiert Augsburg den 450. Geburtstag des Elias Holl. Kein roter Faden, nein ein goldener führt durch eine Ausstellung im Maximilianmuseum, die mitten in Holls Leben, Zeit und Wirken führt. Eine Linie in Gold leitet durch 13 Räume, über drei Stockwerke, entlang von 334 Exponaten. Holzmodelle aus der Hand des Meisters, Briefe, Baupläne, Kupferstiche. Eine stattliche Konstruktion von einer Ausstellung hat das Maximilianmuseum in seine Räume gezirkelt: "Elias Holl– Meister Werk Stadt".

Das Augsburger Maximilianmuseum zeigt Elias Holls Hauschronik

Es war um das Jahr 1600, als die Freie Reichsstadt Augsburg beschloss, sich herausputzen. Augsburg wollte nicht in den Schatten abdriften, in der Rangliste der großen Städte ins Hintertreffen geraten. Der letzte Reichstag des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation? Lag Jahre zurück, 1582. Und das alte gotische Rathaus entsprach nicht mehr dem architektonischen Geist der Zeit. Von dieser Epoche des Um- und Aufbruchs erzählt der Beginn der Ausstellung. Und dieses Bild von Augsburg aufzupolieren, diese Aufgabe fiel in die Hände des Elias Holl. 1602 hoben die Stadtpfleger den 19-Jährigen ins Amt des Stadtwerkmeisters.

Mensch Holl. Aufgeschlagen liegt im ersten Raum der Ausstellung ein Buch. Es ist die Abschrift seines Notizbuches, seiner Autobiografie, ein Verwandter hat sie wohl kopiert. In dieser Hauschronik listet Holl die Meilensteine seines Lebens auf, seit seinen Anfängen. Er verrät, dass er seine Gesellen-Wanderung sausen ließ, weil er lieber seiner Liebe zu einer gewissen Maria Burkhart nachgehen wollte, die seine erste Ehefrau wurde. Doch dass Holl beim ersten Versuch durch die Meisterprüfung rauschte, "das verrät er natürlich nicht in seiner Chronik", sagt Christoph Emmendörffer, der Leiter des Museums, bei einem Rundgang. Keine Schande, findet der Kurator. Verschiedene Kreuzbögen, eine Spindeltreppe über zwei Stockwerke, dazu den Materialbedarf korrekt berechnen, "höchst schwierig" seien die Ansprüche gewesen.

Elias Holl – eine Ausstellung vom Jugend- bis zum Meisterwerk

In den Räumen ist das Licht gedimmt, die Zeitzeugnisse aus Holls Lebens soll kein Sonnenlicht treffen, das sie ausbleichen würde. In einer Ecke hängt da über den Köpfen die Kopie eines Jugendwerks. Es ist eine Feldherrenbüste. Strenger Blick, fein gefertigt aus Terrakotta, bis in das Detail der sich kräuselnden Barthaare. Holl war junge 17 Jahre alt, als er die Büste schuf. Da arbeitete er schon seit gut vier Jahren auf den Baustellen seines Vaters Hans, Maurermeister im Dienst der Adels- und Kaufmannsdynastie Fugger. In seinem Leben würde Elias Holl selbst in zwei Ehen 21 Kinder zeugen. Doch keines trat, obwohl Holl darauf hoffte, in seine Fußstapfen.

Ein Kupferstich von Lucas Kilian hängt an der Wand, es ist das Porträt schlechthin von Holl. Mann mit Spitzbart, entschlossenem Blick und seinem Plan des Rathausplatzes in der Hand. Beeindruckend fällt schon Holls Zwischenbilanz von 1614 aus, die auf einer Wand gedruckt steht: "Verzeichnis der gebeid, so ich in 14. jaren meinen gn[ädigen] Herren und Gemainer statt alhir zu Augspurg [...] gebaut, und vollendet habe." 50 Bauten, Zeughaus, Siegelhaus, Neuer Bau, alles Marken der Renaissance, Marken dieser Stadt. Er führte ein hartes Leben, zwischen Papierkram, Zeichentisch und Baustelle, aber kein armes. Kostenvoranschläge mit Original-Unterschrift zeigt die Schau ebenso wie ein Handbuch mit Kreisen und geometrischen Berechnungen, dazu einen echten Zirkel.

Als Elias Holl aus seinem Amt in Augsburg gefeuert wurde

Doch 1629, unter Kaiser Ferdinand II., traf diese Stadt, die für den Protestantismus von großer Bedeutung war, eine Rekatholisierung. Die katholische Kirche verlangte von allen Protestanten einen Kniefall, auch der gläubige Protestant Holl sollte seine Konfession aufgeben. Doch er weigerte sich, bis er all seine Ämter verlor – und reagierte mit einem Brief, den die Ausstellung zeigt: "Ich aber gedenckhe mit der hülffe Gottes bey der rainen, ungeenderten Augspurgischen confeßion und evangelischen religion biß an mein seliges Ende beständig zu bleiben." Ein Protestant wehrt sich. Aber selbst als dann der Schwedenkönig Gustav II. Adolf diese wichtige Stadt der Protestanten 1632 ohne Gegenwehr gewann, brachen für Holl keine ruhigen Zeiten an. Gustav Adolf forderte: Augsburg soll sich rüsten. Und Hollächzte unter der Vorgabe, die Türme der Festungsmauern neu zu gestalten.

Die Ausstellung zeigt, wie der Maurer mauerte. Zig Holzmodelle und Skizzen entstanden allein für das Prachtwerk des Augsburger Rathauses, es sind Metamorphosen von Entwürfen. Erst im venezianischen, dann im römischen Stil bis zum heutigen Bild mit zwei Zwiebeltürmen, einem Vorsprung an der Front und kunstvollen Giebeln. Und dann noch ein Hasardeursstück: Als die Rathausglocke einen neuen Platz brauchte, ließ Holl sie auf den Perlachturm neben den Rathausmauern setzen. Obenauf eine neue Gluckenstube, dafür ein Baugerüst, das damals seinesgleichen suchte. Ein Originalmodell Holls von 1614, 1615 zeigt diese himmelwärtsstrebende Konstruktion.

Viel Werk, viel Ehre, bis zum Tod? Der Kunstagent Philipp Hainhofer, schrieb am 11. Januar 1646: "Gestern hat man den Meister Elias Holl, Maurer, zu Erden bestattet, welcher in der Architectur uns seiner Maurer Profession der geschickteste Werkmeister war, so in Deutschland zu finden." Auch Holls Ruhm und Nachleben betrachtet die Ausstellung.

Augsburg ehrt einen Baumeister: War Elias Holl ein Genie?

Zwei Jahre haben man an dieser Schau gearbeitet, das ganze Museumsgebäude dafür "verhollt", sagt Emmendörffer. Das dicke Ende der Recherche: Ein Katalog, ein Prachtband von 671 Seiten und vier Kilogramm Masse. Und wer sich in den Bauplänen und zwischen den Holzmodellen verirrt hat, dem hilft am Ende der Ausstellung eine Galerie mit Infokästchen – ein Deckel mit einer Frage, dahinter die Antwort. Holl in Summe: Was machte er in seiner Freizeit? War Holl reich? Religiös? Und dann das Entscheidende: "War Holl ein Genie?" Dahinter findet sich, nach all der Holl-Huldigung, ein Fazit: "Holl war ein sehr guter Maurermeister, ein hervorragender Bauingenieur und ein fähiger Architekt. Gelegentlich hatte er eine geniale Ideen", heißt es da. 

Info: "Elias Holl– Meister Werk Stadt", bis 17. September 2023 im Augsburger Maximilianmuseum. Infos unter kunstsammlungen-museen.augsburg.de.

 
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