Will man’s nun organisch mit allen Herzkranzgefäßen, was immer auch ein bisschen gruselig wirkt, weil man das Blut unwillkürlich mitdenkt? Oder bevorzugt man eher die stilisierte Form? Am besten noch in Rot, damit keine Zweifel an der „Herzlichkeit“ aufkommen. Die amerikanische Künstlerin Kiki Smith hat sämtliche Varianten parat, und dann kriegen in der Pinakothek der Moderne auch alle ihr Herz ab: Menschen, Katzen, Hunde ... In den Tiefen ihres Œuvres sind da noch ganz andere Empfänger auszumachen. Denn Herzen gehören wie die Sterne zur ikonografischen Grundausstattung des Kiki-Kosmos.
Beide Zeichen irritieren in einer coolen Kunstwelt. Ach, wie poesiealbumhaft sentimental, möchte man einwerfen, und dann geht es eben doch ans Eingemachte, an all die Innereien, die die Lebensmaschine am Laufen halten, und an Tabus. Als Kiki Smith 1976 nach New York gezogen war, wechselte sie beim Zeichnen bald von Alltäglichem wie Zigarettenschachteln und Kleidungsstücken zu Motiven, die mit Krankheit und Tod zu tun hatten. Ihr ging es um die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers. So, als hätte sie das Aids-Virus schon vorausgeahnt.
Kiki Smith trifft mit ihrer Kunst einen Nerv der Zeit
Unter ihren Bekannten sind einige davon betroffen, werden stigmatisiert und siechen dahin. In dieser Zeit, Anfang der Achtziger, zeigt Kiki Flagge und druckt kurzerhand ein Herz auf ein blütenweißes T-Shirt. Kein rotes Piktogramm wie auf Milton Glasers berühmten „I Love NY“-Tassen von 1975, sondern ein anatomisch genauer Brocken mit Venen und Arterien so knorrig wie Äste. Corona hat die Hinfälligkeit noch einmal deutlicher gemacht, von den neuen Kriegen ganz zu schweigen. Deshalb trifft Kiki Smith mit ihrer Kunst einen Nerv der Zeit, und sie ist gefragt: Auf dem Freisinger Domberg, wo sie eine Kapelle gestaltet hat – nach der Idee der Schutzmantelmadonna, unter deren Umhang alle Unterschlupf finden. Und parallel zur Ausstellung im Diözesanmuseum gleich vis-à-vis ist gerade auch wieder die Graphische Sammlung München an der Reihe.
Zum einen wird Kiki Smith im Januar 70 Jahre alt, zum anderen ist die Künstlerin der Sammlung sehr verbunden. Vor ein paar Jahren entschied sie sich, ihr gesamtes in Auflage erschienenes druckgrafisches Werk nach München zu geben. Als Schenkung. Neues kommt regelmäßig hinzu. Es bot sich daher an, dieses Einvernehmen mit einer Präsentation sichtbar zu machen: Smith hat sich durch die Schätze der Graphischen Sammlung „geblättert“, ihre Fundstücke sind neben eigenen Arbeiten im Vitrinengang hin zu den Schauräumen ausgestellt. Zu Maria Sibylla Merians „Blauen Märzveilchen“ mit Bienenraupen gesellen sich Kikis „Flowers with Bee“ und zu Andy Warhols Beuys-Konterfei, das durch Glasstaub zum Glitzern gebracht wird, ein „Shooting Star“, also eine Sternschnuppe. Auch Kiki Smith hegt ein Faible für Glitter. Und so kann man erhellend vergleichen, bevor man sich in die künstlerische Kardiologie einweist. Herz ist Trumpf, von den Spielkarten bis zum Bronze-Türstopper in Herzform.
„From My Heart. Kiki Smith“, bis 21. Januar in der Pinakothek der Moderne München, Di. bis So. 10 bis 18, Do. bis 20 Uhr