Nach dem gelungenen Umbau ist das jetzt noch das i-Tüpfelchen. Dabei müsste man eher von einem satten Fleck sprechen, denn die neue Dauerleihgabe, die zum 30-jährigen Jubiläum im Schloßmuseum Murnau gelandet ist, wäre auch für größere Häuser ein Coup: Die KK-Stiftung hat ihre hochkarätige Blaue-Reiter-Sammlung übergeben, die nun in einer Sonderausstellung präsentiert wird.
Alexej von Jawlenskys "Violetter Turban" ist in Murnau entstanden
Alexej von Jawlenskys "Violetter Turban" sticht sofort heraus. Für seine spätere Ehefrau Helene hatte er sich 1911 mächtig ins Zeug gelegt und sämtliche Farbregister gezogen. Das Gemälde zählt zu den eindringlichen Porträts, die nach seinen ausgiebigen Malaufenthalten mit Marianne von Werefkin, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky in Murnau entstanden sind. Die sommerlichen Vergnügungen wie gemeinsame Bootsfahrten hat die Münter 1910 etwa in köstlichen Skizzen festgehalten. Dabei trugen die Damen so opulente Hüte, wie es auch nur Städtern in den Sinn kommen konnte.
Robert Delaunays Hommage an den Luftfahrtpionier Louis Blériot von 1914 bildet ein herrliches Gegenüber zu August Mackes "Kolonnade mit Segelboot" sowie einer reizvollen Variante des ikonischen "Hutladens" von 1913. Genauso machen Franz Marcs "Schlafende Tiere" aus demselben Jahr die gegenseitige Inspiration deutlich sichtbar: Der Münchner und Macke lernten auf einer gemeinsamen Paris-Reise im Herbst 1912 Delaunay kennen. Fasziniert von dessen Fenster- und Eiffelturmbildern beschäftigte sich vor allem Macke mit den Lichtbrechungen des Franzosen.
Das Sammler-Ehepaar möchte anonym bleiben
Schon diese wenigen Beispiele demonstrieren, dass hier in Zusammenhängen gesammelt wurde und in der Auswahl passend zu Murnau und den Experimenten der Reiter-Leute. Tatsächlich verbirgt sich hinter der KK-Stiftung ein Ehepaar, das in der Gemeinde am Staffelsee lebt, doch anonym bleiben möchte. Die hinzugekommenen Werke von Heinrich Campendonk, Werefkin, Lyonel Feininger, Alfred Kubin und natürlich die von Kandinsky und Münter bieten einen anregenden Cocktail, den man sich am besten nach dem Besuch der neu eingerichteten Dauerausstellung genehmigt.
Die beginnt tiefblau – das war die favorisierte Farbe von Marc und Kandinsky – und mit Münters in große Lettern übertragene Bemerkung, sie hätte im Juni 1908 zum ersten Mal Murnau betreten und sei "entzückt" gewesen. Ohne diese Begeisterung wäre alles anders gekommen, mit Kandinsky wollte sie hier die Sommer genießen und malen. Deshalb kaufte die 32-Jährige etwas außerhalb an der Krottmüllerallee eine leer stehende Villa, das heute als Museum genutzte Münter-Haus.
Die Dauerausstellung im Schloßmuseum Murnau wurde neu konzipiert
Dass die Künstlerin viele Jahre nach der Trennung von Kandinsky wieder nach Murnau zurückkam und hier ihren Lebensabend verbrachte, hat der kleinen Gemeinde am Ende einen schönen Platz in der Kunstgeschichte beschert. Und das mit formidablen Werken, die seit der Eröffnung 1993 im Schloßmuseum untergebracht sind. Die Nachbarschaft zur regionalen Volkskunst und gerade zur von den Reitern so geschätzten Hinterglasmalerei oder zu den Gemälden des 19. Jahrhunderts mit Kobell, Spitzweg oder Schleich hatte durchaus ihren Reiz. Aber was den Blauen Reiter so besonders gemacht hat, wer sich mit wem zusammentat und wie sich die Farben mehr und mehr verselbstständigt haben oder dass es außer den üblichen Verdächtigen noch andere Protagonisten und Anregungen gab, konnte in den schwer bespielbaren Schlossräumen nie in eine zufriedenstellende Folge gebracht werden. Zumal am Haus selbst viel geforscht wurde und dadurch Künstler aus dem Reiter-Umkreis wie Wladimir von Bechtejeff, Erma Bossi oder Robert Genin in den Fokus gerückt sind.
Durch die Neukonzeption wird auch die Bedeutung Gabriele Münters für den Blauen Reiter und Murnau besser vermittelt – immer im Austausch mit der sie umgebenden Kunst und den Künstlern. Das reicht von den frühen Reisen mit Kandinsky über den erwähnten Sommer mit Jawlensky und Werefkin, den gar nicht so plötzlichen Austritt im Trio mit Marc und Kandinsky aus der Neuen Künstlervereinigung bis zu Münters Rückkehr 1931 nach Murnau. Ihr 2008 wieder entdecktes Gemälde des Schriftstellers "Ödön von Horváth in roter Jacke" bietet außerdem die Gelegenheit, einen weiteren Hausheiligen nonchalant ins Spiel zu bringen. Und dann geht es grau meliert durch die braunen Jahre: Zwar nimmt die Münter – angespornt vom neuen Lebensgefährten Johannes Eicher – an wenigen Ausstellungen teil, doch aus ihren Bildern dringt die Bedrohung, zum Bejubeln des NS-Systems taugen sie jedenfalls nicht.
Norber Bisky hat ein berühmtes Bild Franz Marcs nachgemalt
Dass zeitgenössische Auseinandersetzungen mit dem Blauen Reiter künftig in die Schausammlung funken dürfen, dafür ist eine Installation Norbert Biskys ein überzeugendes Beispiel. Der Berliner Künstler hat Franz Marcs berühmten "Turm der Blauen Pferde" aus dem Jahr 1913 nachgemalt – und wieder zerstört. Das Original ist seit 1945 verschollen, wie so vieles, das in den Kriegswirren unterging oder von den Nazis beschlagnahmt, verscherbelt, zerstört wurde. Gerade der Expressionismus ist mit dieser unfassbaren Barbarei verknüpft, ganz zu schweigen von der Enteignung und Verfolgung vieler seiner Sammler.
Wobei ein Bezug zur Gegenwart immer gegeben ist: Man braucht bloß aus dem Fenster zu schauen oder hinauszugehen – und sieht die Bildmotive. Den Kirchturm etwa oder das Gasthaus Griesbräu, das mittlerweile wieder wie auf Münters Gemälde der "Hauptstraße" grün getüncht ist. Nach Museen, die solche Verbindungen und Sichtachsen gestatten, muss man lange suchen.
"Hommage an den Blauen Reiter" bis 26. November, Schloßmuseum Murnau, Schloßhof 2-5, Di. bis So. 10 bis 17, an Wochenenden im August und September bis 18 Uhr, www.schlossmuseum-murnau.de