Das Ende ist tragisch. Erschöpft von Arbeit und Alkohol, stirbt Rüdiger Schablinski, der hochgeschätzte Augsburger Kabarettist, Autor, Journalist, am 28. März 1997 an „multiplem Organversagen“. Marina Dietz, von Anbeginn 1965 eine Kabarettgefährtin, findet berührende Worte über den Tod des 52-Jährigen – schön und schlüssig wie ihre gesamte Darstellung über Schablinski und sein Kabarett „Spiel & Spottverein“. Unter dem Titel „Johann, hissen Sie die rote Fahne“ (wie schon das Brettl-Programm im rebellischen Jahr 1968 hieß) ist ihre Sympathiebekundung im Wißner-Verlag erschienen – sinnigerweise zur gleichen Zeit, da die Münchner „Lach- und Schießgesellschaft“ für den 11. November ihren Neustart auf der legendären Schwabinger Bühne verkündete.
Eine Erinnerung an Augsburgs Kabarettlegende Rüdiger Schablinski
Dorthin hatte „Lach- und Schieß“-Chef Sammy Drechsel die Augsburger Amateurtruppe eingeladen, als er sie 1978 mit ihrer Satire „Wir kennen keine Parteien mehr“ in Augsburg erlebte. Doch zu einem solchen Münchner Gastspiel ist es nicht gekommen. Warum, weiß auch Marina Dietz nicht. Ein Erinnerungsfoto mit Sammy Drechsel gehört zu den Abbildungen ihres Buches. Sie illustrieren die 17 Programme, die Schablinski und Co. politisch und gesellschaftskritisch, satirisch und gaudihaft geboten haben. Und zwar unter bisweilen widrigsten Umständen auf Klein- und Kleinstbühnen: beginnend 1965 im „Kalauerbachs Keller“ des Häringbräu am Schmidberg; gefolgt von 1966 bis 1969 in den „Eckestuben“ am Elias-Holl-Platz; von 1970 bis 1975 im Kellerraum der historischen Antonspfründe in der Dominikanergasse; schließlich von 1976 bis 1980 im „Thorbräukeller“ der Heilig-Kreuz-Straße.
Der Treibsatz des Jungsozialisten Schablinski zündete voll, nachdem das Augsburger Ensemble „Die Scheibenwischer“ (um Günter Gans und Hans-Heinz Köppendorfer) 1967 abgetreten war. Den Namen „Scheibenwischer“ hat Dieter Hildebrand, der Flüchtling aus Niederschlesien, 1980 für seine Fernsehserie übernommen. Es ist das Jahr, in dem Rüdiger Schablinski, das Flüchtlingskind aus Ostpreußen, den zum Ereignis geführten „Spiel & Spottverein“ beendete.
Die Ära des Augsburger Kabaretts: Schablinski und sein Ensemble
Mochten die Namen seines Teams auch gewechselt haben (Bruno Huschke, „Berry“ Reining, Ulf-Jürgen Wagner, Peter Beurle, Barbara Reil, Hans Luther, Inga Grüttner, Klaus Brill, Stephan Huslik, Stefan Schön) , Rüdiger Schablinski blieb „unser verlässlicher Fixstern in Augsburg“. Das sind Marina Dietz’ letzte Worte in ihrem Buch.
Ihnen folgen im Anhang noch dokumentierende Texte. Sie sind ein Gewinn wie im Hauptteil auch die Reprisen von Kabarett-Passagen. Zum Beispiel die vom so lange in Augsburg links liegen gelassenen Bertolt Brecht: Endlich soll geklärt sein, „dass Brecht zwar hier geboren, aber nachweislich in Stadtbergen gezeugt worden sei, sodass sich Augsburg nicht länger als Vaterstadt Brechts diffamieren lassen muss.“ Im Gegenteil: Später ironisiert Schablinski, wie schnell Brecht in Augsburg rehabilitiert worden sei, wo doch die katholische Kirche dazu im Fall Galilei über 300 Jahre gebraucht habe.
Rüdiger Schablinski, der leidenschaftliche Wanderer (und Autor von Wanderbüchern), der keinen Führerschein besaß, aber das Kursbuch der Bahn schätzte – er konnte selbstverständlich auch nach dem „Spiel & Spottverein“ das Spotten nicht lassen – weder in der Augsburger Allgemeinen, noch im Bayerischen Rundfunk („Florian Gradaus“- und „Rücklichter“-Glossen). Noch zu besonderen Anlässen wie 1985 zu Augsburgs 2000-Jahr-Feier. „Augustus lass das“, hieß seine Satire. Aber der Kaiser Augustus hörte nicht auf den kleinen Schablinski, ließ es eben nicht, sondern gründetet mit Fleiß das Römerlager Augusta Vindelicorum.
Marina Dietz: Johann, hissen Sie die rote Fahne. Rüdiger Schablinski und sein Augsburger Kabarett Spiel&Spottverein, Wißner-Verlag, 126 Seiten, 14,80 Euro.