Viele Hobbyläufer kommen erst im Frühjahr in die Gänge. Eigentlich schade, findet Martin Grüning. Der frühere deutsche Top-Marathonläufer mit Bestzeit 2:13 h ist heute leidenschaftlicher Hobbyathlet und Chefredakteur von "Runner's World". Und er liebt das Laufen auch bei Kälte.
Schlechtes Wetter? Gibt es für ihn nicht. Auch wenn es draußen eisig ist, kann man dem Winterblues davonlaufen. Martin Grüning läuft täglich und geht regelmäßig bei Laufveranstaltungen von fünf bis 100 Kilometern an Start. Der 57-jährige studierte Historiker und Germanist hat unter anderem elf Fachbücher zum Thema Laufen verfasst und gibt sein Wissen in Vorträgen und Seminaren weiter. Ein Gespräch über Bewegung, Gesundheit, Motivation - und die Angst vor der Erkältung
Martin Grüning: Es ist eine Ganzjahressportart, man kann bei jedem Wetter laufen. Die positiven Effekte etwa auf das Herz-Kreislauf-System, den Stressabbau oder die Gewichtskontrolle hat man im Winter wie im Sommer. Es gibt überhaupt keinen Grund, bei niedrigen Temperaturen nicht zu laufen. Möglich ist es allemal.
Grüning: Definitiv. Jede Möglichkeit, sich in der dunklen Jahreszeit ein bisschen Tageslicht zu verschaffen und rauszugehen vor die Tür, ist gut für Psyche und Seele. Auch einem Vitamin-D-Mangel kann man damit vorbeugen. Um während der Tageszeit laufen zu können, muss man vielleicht etwas flexibler sein – zum Beispiel die Mittagspause dafür nutzen. Das ist mein Nummer-eins-Tipp, weil ich das selbst seit 26 Jahren mache. Man hat dann auch viel mehr Power für die Arbeit am Nachmittag. Was man durchs Laufen an Energie aufbaut, überträgt sich auf andere Lebensbereiche.
Grüning: Natürlich. Wer keine Wettkampfziele hat, ist mit dem schnellen Schritt um den Block bestens bedient – jedenfalls viel besser, als sich den ganzen Winter im Haus zu verkriechen und zu warten, dass das Wetter endlich schön wird. Im übrigen verpasst man dabei eine der schönsten Laufjahreszeiten: Was für ein einmaliges Gefühl, ein paar Fußstapfen in frischen Schnee zu setzen...
Grüning: Ich liebe es, einfach durch alle Jahreszeiten durchzulaufen – jede hat ihre eigenen Reize, auch der Winter. Beim Laufen ist man der Natur näher und man spürt die Jahreszeiten und die Wechsel ganz unmittelbar. Der Wechsel macht den Reiz aus.
Grüning: Also während des Laufens erkältet man sich grundsätzlich nie. Wenn, dann passiert es danach... wenn man nassgeschwitzt noch länger in der Kälte steht und mit Laufkollegen quatscht. Im Winter ist darauf zu achten, nach dem Laufen sofort trockene Kleidung anzuziehen oder noch zu duschen. Auch die Infektanfälligkeit wird nicht erhöht, im Gegenteil: Das Immunsystem wird durch regelmäßigen Ausdauersport auch im Winter gestärkt.
Grüning: Nein. Die Bronchien verzweigen sich vielfach, der Durchschnitt der Röhren ist so angelegt, dass sich auch Luft mit minus 20 Grad genügend erwärmt, so dass sie nicht schädlich ist. Ich verweise gerne auf die Wintersportarten. Skilangläufer sind auch in der Lage, bei Minustemperaturen Vollgas zu geben. Das können wir Läufer auch.
Grüning: Das ist auch Quatsch, wir sollten wie immer mit allem atmen, was wir haben – also Mund und Nase. Der Körper ist darauf ausgelegt, dass er auch bei Minusgraden problemlos höhere Leistungen erbringen und kalte Luft verarbeiten kann.
Grüning: Das ist nicht nötig. Grundsätzlich sollte man nicht zu schnell steigern und eher sanft beginnen. Aber das gilt völlig unabhängig von der Außentemperatur. Gemäßigter zu laufen ist im Winter angeraten, wenn es durch die Bedingungen wie Eisglätte, Schnee oder kalter Wind schwieriger wird.
Grüning: Nein, leider nicht. Aber es gibt ja auch keine Einschränkungen, auch nicht bei den Tempo-Einheiten. Natürlich muss es der Untergrund hergeben.
Grüning: Sie ist natürlich relevanter als im Frühjahr oder Sommer. Paradoxerweise ziehen sich die Läuferinnen und Läufer im Winter eher zu warm an. Eigentlich muss man beim Loslaufen ein leichtes Fröstelgefühl haben, dann ist man richtig angezogen. Der Körper erwärmt sich in den ersten Laufminuten um ein bis zwei Grad. Sinnvoll ist bei der Bekleidung das bekannte Zwiebelprinzip mit mehreren Lagen und: atmungsaktive Funktionskleidung, keine Baumwolle. Und bitte bei Kälte eine Mütze überziehen, weil über den Kopf die meiste Wärme abgegeben wird.
Grüning: Das kann sein, wenn die Energiedepots leer sind. Wenn also der Körper nicht mehr in der Lage ist, Energie zur Wärmeerzeugung bereitzustellen. Dann kann das speziell im Winter zu einem Problem werden. Deshalb sollte man sich hier bei den langen Läufen gut ernähren und vielleicht auch mal ein Gel mitnehmen. Und nicht vergessen: Im Winter muss man beim Sport draußen genau so viel trinken wie im Sommer, eher noch etwas mehr.
Grüning: Ja, das ist ein Thema. In diesem Fall ist die schönste Sommerlauf-Strecke vielleicht nicht die beste Winterlauf-Strecke. Da sollte man lieber auf beleuchtete Runden in der Stadt oder in der Siedlung ausweichen und schauen, wo mehr Leute unterwegs sind. Oder sich gleich mit anderen zum Laufen verabreden - und allein immer ein Mobiltelefon dabei haben.
Grüning: Wenn es richtig schneit und stürmt und sonst keiner draußen ist – dann gehe ich raus und peitsche mich durch dieses harte Winterwetter... Und dann komme ich heim und fühle mich, als ob ich der Größte wäre. Das ist Winter at its Best. Direkt danach kommt dann der Sonntagmorgen, wenn der erste Schnee gefallen ist und gerade die Sonne aufgeht. Das sind grandiose Momente.
Grüning: Da ist es wichtiger als sonst, sich realistische, kleine Ziele zu setzen. Das Laufen in die Tagesplanung wie andere Termine aufzunehmen, sich mit anderen zu verabreden, sich kleine Belohnungen versprechen und vor allen Dingen: Die Regelmäßigkeit, etwa mit festen Lauftagen, macht das Laufen im Winter leichter und es wird zur Normalität.
Grüning: Physiologisch auf jeden Fall! Man kann auch auf dem Laufband toll trainieren. Natürlich fehlt einem das Naturerlebnis. Auch eine Stunde Aquajoggen oder Schwimmen kann im Winter eine gute Alternative sein. Solange es nicht um einen Olympiasieg geht, darf man das Training im Winter ruhig etwas reduzieren. Man muss nicht jahraus jahrein immer Vollgas laufen.
- Aufwärmen durch langsames Einlaufen (mindestens zehn Minuten): Bei Minusgraden sollte man das Warm-up im Vergleich zum Sommer verlängern. Die Muskulatur braucht länger, um auf „Betriebstemperatur“ zu kommen.
- Ausgiebiges Dehnen nach dem Lauf: Ist wichtig, aber bei Kälte lieber nach drinnen verlagern, um sich nicht zu verkühlen.
- Bei Eis- oder Schneeglätte: Ändern Sie Ihren Laufstil! Kürzere Schritte und dafür eine höhere Frequenz vermindern das Rutsch- und Verletzungsrisiko. Eher gefühlvoll als kräftig laufen.
- Achten Sie bei Schnee auf die richtige Schuhwahl: Es gibt spezielle Winterlaufschuhe bzw. Trailschuhe mit einem griffigen Profil
- Das (schwächere) Durstgefühl im Winter trügt: Trinken Sie genug (schon vor dem Lauf), der Körper braucht beim Kältelauf viel Flüssigkeit. Feuchtigkeit verdunstet, die eingeatmete Luft muss stärker angefeuchtet werden, um sie auf Körpertemperatur zu bringen.
- Besonders vor längeren Läufen genug essen und einen Snack (oder Gel) mit auf die Strecke nehmen. Bei Kälte verbraucht der Körper mehr Energie. Ist sie verbraucht, droht ein Auskühlen. Sehr lange Läufe lieber bei Plusgraden absolvieren.
- Vorsicht Autofahrer: Als Läufer am Straßenrand werden Sie in der Dunkelheit kaum gesehen. Für eine erhöhte Sicherheit sorgen spezielle Reflektionskleidung, Leuchtstreifen oder Reflektionsbänder für Arme und Beine - und natürlich Stirnlampen.
- Auslaufen: Der beliebte Endspurt ist unter Experten verpönt, im Winter erst recht. Empfohlen wird, einige Minuten locker auszulaufen, um ein Verhärten der Muskeln zu verhindern.
- Kalte Zehen? Das muss nicht nur an Minustemperaturen liegen. Schnüren Sie Ihre Schuhe etwas lockerer, um die Blutzirkulation zu verbessern.
- Überprüfen Sie Ihre Laufkleidung: Sie sollte aus Funktionsmaterial bestehen und passen. Nicht zu große Klamotten tragen! Ist zwischen den Lagen (Shirt, Fleece, Jacke) zu viel Luft, kühlt diese aus - der Körper wird nicht warm, es droht eine Erkältung. (aj)