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WÜRZBURG
200 Jahre Fahrrad: Von der Laufmaschine zum E-Bike
Stadtradeln       -  Oberbürgermeister Christian Schuchardt, der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Georg Ertl un einige Spieler der Rimparer Wölfe starten am Samstag (13.05.17) vom Unteren Markt in Würzburg mit etwa hundert Mitstreitern im Rahmen der Kampagne „Stadtradeln“ und der „Tour mit Herz“  in Richtung des Deutschen Zentrums für Herzinsuffizienz (DZHI) des Uniklinikums.
Foto: Daniel Peter | Oberbürgermeister Christian Schuchardt, der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Georg Ertl un einige Spieler der Rimparer Wölfe starten am Samstag (13.05.17) vom Unteren Markt in Würzburg mit etwa hundert ...
Andreas Frei
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:42 Uhr

Neulich im Fachgeschäft. In einer Ecke: Laufräder für Kleinkinder, ohne Pedale, ab 60 Euro. Die Dinger sind im Grunde erst seit der Jahrtausendwende richtig präsent. Das Prinzip geht so: Die Kleinen sitzen auf dem Sattel und stoßen sich mit den Füßen vom Boden ab. Rechts, links, rechts, immer schön abwechselnd. Genau so, wie die Urform des Radfahrens vor 200 Jahren funktioniert hat.
 

Oder die „Fixies“, wie man diese speziellen Ein-Gang-Räder nennt. Viele hübsch anzuschauen, keine Frage. Doch die Ausstattung ist mehr als spartanisch. Keine Bremsen, keine Gangschaltung, weder Licht, Schutzbleche noch Klingel. Stand der Technik Ende des 19. Jahrhunderts.

Und das soll die Zukunft sein?

Ja, auch das ist die Zukunft. Natürlich hat sich in all den Jahrzehnten wie jede Technik auch die Fahrradtechnik enorm weiterentwickelt. Entscheidender aber ist eine andere Erkenntnis: Fahrradfahren ist heute so vielfältig wie nie zuvor. Das Fahrrad ist zwar noch immer Gebrauchsgegenstand, aber auch ein Sport- und Freizeitgerät. Und eben gleichermaßen und so ausgeprägt wie nie zuvor auch Lifestyle-Produkt und Statussymbol.

So schließt sich der Kreis zu jenem Mann, ohne den es diese Vielfalt heute nicht gäbe. Jener Mann hat vor 200 Jahren den Urtyp des Fahrrads erfunden. Ein Gerät, das sich in den ersten Jahren nur der Adel und reiche Bürger leisten konnten, schon damals also eine Art Statussymbol war. Und das man so lenkte, wie Kinder heute ein Laufrad bedienen. Bei allem Fortschritt: Manche Dinge scheinen doch für die Ewigkeit gemacht zu sein.

Jener geniale Mann hieß Karl Freiherr von Drais, geboren 1785 in Karlsruhe. Ein gelernter Forstmeister, bei vollen Bezügen beurlaubt, der am liebsten vor sich hintüftelte. Und eben eine Laufmaschine aus Eschenholz erfand, gleichfalls Draisine genannt, 22 Kilogramm schwer; ein modernes Hollandrad wiegt heute auch nicht viel weniger.


Jungfernfahrt 1817

Die Jungfernfahrt führte Drais am 12. Juni 1817 von seinem damaligen Wohnort in Mannheim in Richtung Schwetzingen. Auf halbem Weg drehte er um. Am Ende waren es 12,8 Kilometer, für die er eine knappe Stunde benötigte. Die Nachricht schlug ein. Selbst in den USA berichteten die Zeitungen.

Professor Hans-Erhard Lessing ist Technik-Historiker und früherer Hauptkonservator im Technoseum in Mannheim. Er hat sich viel mit Drais beschäftigt: In elitären Kreisen kam die Erfindung des Freiherrn zunächst gut an. Aber halt nur da, weil sie für die breite Gesellschaft zu teuer war.

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Das dicke Ende für Drais nahte noch aus anderen Gründen. Einerseits galt sein Patent nur für Baden; außerhalb davon konnte seine Laufmaschine nach Belieben nachgebaut werden. Finanziell hatte der Freiherr also nichts von seiner Erfindung.

Zweites Problem: Die Laufmaschine war auf den lehmigen Straßen kaum zu gebrauchen. Die Fahrer wichen auf die Gehwege aus. Folge waren jede Menge Unfälle. Quer über den Globus wurden die Gefährte deshalb verboten. Der Absatz sank rapide, die Laufmaschine verschwand in der Versenkung. Drais starb verarmt 1851.

72 Millionen Räder in Deutschland

Das Urprojekt „Fahrrad“ war im Grunde genommen tot. Und heute gibt es in Deutschland geschätzt etwa 72 Millionen Räder. Knapp 70 Prozent der Deutschen besitzen mindestens eines, viele haben gleich mehrere Exemplare in der Garage oder im Keller stehen. Eins für den Alltag, eins zum Zeigen, immer häufiger auch ein E-Bike, genauer: ein Pedelec.

Dessen Markt boomt unvermindert. An jedem siebten in Deutschland verkauften Rad hängt mittlerweile ein Elektromotor. Die Nachfrage ist gerade in den chronisch verstopften Städten groß, wo Verkehrsstaus Alltag sind und die Parkplatzsuche zu einer quälenden Geduldsprobe geworden ist.

Schlechte Straßen in Deutschland

Dieses Erfolgsgefährt also schien Mitte des 19. Jahrhunderts tot zu sein. Bis ihm eine neue Erfindung neues Leben einhauchte: der Tretkurbelantrieb. Der entscheidende Schritt von der Laufmaschine zum Fahrrad nach heutiger Vorstellung. Bodenkontakt war gestern. Nun galt es, die Füße auf dem Rad zu balancieren. Die Franzosen machten den Anfang. Aber wieder blieb der Durchbruch aus.

Die Geburtsstunde des Massenprodukts war, als man mit dem „Sicherheitsniederrad“ Ende des 19. Jahrhunderts wieder auf gleich große Räder sowie einen Kettenantrieb und dreieckige Rahmen setzte – und die Industrieproduktion die handwerkliche Fertigung ablöste, mit der Folge deutlich günstigerer Preise.

Kaum Veränderungen bei der Form

An der Grundform des Fahrrads hat sich, bei allem materiellen und designerischen Fortschritt, bis heute wenig geändert. Außer beispielsweise, so sieht das Rad-Experte Gunnar Fehlau, dass der Zahnriemen als Kettenersatz allmählich massentauglich wird. Vorteil: „Er rostet nicht und muss auch nicht geölt werden.“

Die Branche ist ja seit jeher voller verrückter Bastler und Tüftler. So stand irgendwann das Tandem in den Läden, das Klapprad oder der „Highriser“ mit Bananensattel, Schaltknüppel und hohem Lenker, der Ende der 60er Jahre aus den USA herüberkam und vom Versandhaus Neckermann als „Bonanzarad“ vermarktet wurde. Der Kult verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war.

Und heute? Ist das Zweirad mehr denn je als Sport- und Freizeitgerät in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das lag an der Fitness- und Umweltbewegung Ende der 70er Jahre und an der Entwicklung des Mountainbikes. Und liegt heute an unzähligen Untertypen, die neu oder wiederentdeckt werden. Oder an modischen Accessoires, die Ausdruck eines individuellen Lebensstils geworden sind. „Neu am aktuellen Fahrradkult ist, dass viel mehr Wert auf das Design gelegt wird als in der Vergangenheit“, schreibt Eva Maria Gramlich vom Mannheimer Technoseum.

"Die Leute haben auf E-Bikes gewartet"

Und dass es einen entscheidenden Entwicklungsschritt gab. „Die Leute haben auf E-Bikes gewartet“, hat der Memminger Manfred Neun, Präsident des Europäischen Radfahrer-Verbandes, schon vor fünf Jahren in einem Interview gesagt. Die Verkaufszahlen seit dieser Zeit bestätigen seine Einschätzung. Ob Stadt-, Renn- oder Trekkingrad – sie alle werden längst mit elektrischer Unterstützung angeboten.

Überhaupt herrscht Einigkeit darüber, „dass ein Großteil der Zukunft des Fahrrads von hybriden Antrieben, also mit Motorunterstützung, bestimmt wird“, sagt Fehlau. Und nebenbei bemerkt von einem riesigen Zubehörmarkt, vom Falthelm über Smartphone-Apps bis hin zu schicken Regenponchos mit Merinofütterung.

Und das alles soll also die Zukunft des Fahrrads sein? Es sieht ganz so aus.

Radeln nach Zahlen

  • 98 Prozent der Deutschen beherrschen das Radfahren.
  • 68,5 Prozent der Deutschen besitzen mindestens ein Fahrrad.
  • Deutsche Radler fuhren 2012 im Schnitt 30 Kilometer pro Woche.
  • In deutschen Haushalten stehen durchschnittlich 1,88 Fahrräder.
  • Wer regelmäßig das Fahrrad für die Fahrt zum Arbeitsplatz nutzt, reduziert die Zahl an Krankheitstagen um etwa ein Drittel.
  • Die deutsche Fahrradbranche erwirtschaftete 2015 einen Gesamtumsatz von 16 Milliarden Euro.
  • Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 4,05 Millionen Fahrräder verkauft. Allein 605 000 davon waren E-Bikes.
  • Die deutsche Fahrradbranche bot im Jahr 2015 etwa 278 000 Vollzeit-Arbeitsplätze an.
  • Die Deutschen gaben zuletzt durchschnittlich 643 Euro für ein neues Fahrrad aus.
  • 8,4 Prozent der Deutschen haben in den Jahren zwischen 2013 und 2015 mindestens eine Radreise unternommen, bei der sie mindestens dreimal übernachtet haben.
  • Ende 2016 waren auf deutschen Straßen rund drei Millionen E-Bikes unterwegs.
  • 2014 wurden hierzulande 396 Radler bei Unfällen getötet.
  • 65 Prozent der deutschen Radfahrer tragen nie einen Helm.
  • 27 Prozent der Deutschen wurde schon mindestens einmal ein Fahrrad gestohlen.
  • Die Aufklärungsquote der Polizei bei Raddiebstählen lag 2014 bundesweit bei 9,6 Prozent.
  • Die schnellste je auf einem Fahrrad erreichte Geschwindigkeit beträgt 268,8 Stundenkilometer: 1995 im Windschatten eines Spezialfahrzeugs, erzielt vom Niederländer Fred Rompelberg.
  • 2016 waren in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen erstmals offiziell mehr Fahrräder erfasst als Autos: 265 700 gegenüber 252 600.
  • Istanbul ist die Stadt mit den weltweit wenigsten Radfahrern. Der Anteil des Rads am Gesamtverkehr beträgt lediglich 0,05 Prozent.
  • Der Fahrrad-Rekord für die gut 1100-Kilometer-Strecke zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen liegt bei genau 51,5 Stunden.
  • Radler, die ihre Beine rasieren, sparen dadurch nicht sonderlich viel Energie: gerade mal 0,6 Prozent. Quelle: Pressedienst Fahrrad
 
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