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Zeitzeichen
Vom Sinn und Unsinn von Triggerwarnungen
Vor Dokumentationen, in sozialen Netzwerken oder in den Medien: Triggerwarnungen finden sich überall dort, wo sensible Inhalte sind. Warum sie nicht immer helfen.
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Foto: 20th Century Fox, dpa (Archivbild) | Bei "Marley & ich" blieb Anfang der 2000er kein Auge trocken. Hätte das verhindert werden können?
Laura Mielke
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:26 Uhr

Wer kennt schon nicht den Film "Marley & ich", in dem sich Jennifer Aniston und Owen Wilson einen süßen kleinen Hund zulegen, der sie über Jahre hinweg begleitet. Bis (Vorsicht, jetzt wirds traurig!) Marley dann in hohem Alter stirbt. In der letzten Tränendrüsenwasserfallherzbruch-Szene verabschiedet sich Owen Wilson mit einer Liebeserklärung an seinen Marley, welch guter Hund er war und wie sehr er geliebt wurde. *Schnief* Das ist doch ... Ja, wer will denn ... *schnief* Das kann man doch nicht mit ansehen?! Wie gut, dass es eine Internetseite gibt, die genau davor warnt, wenn man niemals nie Hunde in Filmen sterben sehen will! Denn Triggerwarnungen sind mittlerweile so alltäglich, warum nicht auch dafür?

Hier ein Video über Drogenabhängigkeit, da ein Post mit Bildern von schlechter Tierhaltung in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Angewendet werden Triggerwarnungen vor allem bei Themen wie Tod, Sucht, Selbstverletzung oder Gewalt. Hinter der Idee steht der noble Gedanke, traumatisierte Menschen vor eventuellen Triggern zu bewahren. Dabei sind sie oft gar nicht so sinnvoll.

Ein Trigger ist nicht gleich ein Trigger

Allein die Bezeichnung Trigger ist eigentlich falsch gewählt. Als Trigger werden in der Psychologie beispielsweise Geräusche, Gerüche oder Sätze bezeichnet, die während einer traumatischen Situation präsent waren und die Betroffenen wieder in ebenjene Situation zurückversetzen. Was genau als Trigger eingestuft werden kann, ist nicht klar abzusehen und individuell. Im Grunde kann das also alles sein. Um Menschen mit Traumata zu schützen, könnte also auch ein bestimmtes Parfum, das an eine Person oder ein Erlebnis erinnert, eine Warnung vertragen.

Perfektioniert hat dieses Warnsystem die Internetseite mit dem Namen "Does the dog die?" – Stirbt der Hund? Und so simpel ist die Idee auch: Nutzerinnen und Nutzer können Filme und Serien mit verschiedenen Hinweisen versehen. Sterben Tiere? Sterben Menschen? Zu Recht, denn vor ungefähr 20 Jahren hat der Film Bigfoot ganze Generationen dramatisch in Heulkrämpfe ausbrechen lassen. So sehr, dass Mütter ihren Kindern verboten haben, den Film jemals wieder zu sehen. Also ... manchen jedenfalls ...

"Does the dog die?" warnt vor allen möglichen Kategorien

Zurück zur Seite: Wer sich vor einem Film also mental darauf vorbereiten oder ihn lieber vermeiden möchte, kann entweder nach dem Film suchen oder nach den Kategorien, die darin vorkommen. Dazu gehören verständlicherweise Blut, abfallende Gliedmaßen, Vergewaltigung– jegliche Horrorvorstellung also. Aber auch: Gibt es eine Duschszene? Fällt jemand die Treppe hinunter? Oder: Ist der Film für Menschen mit Misofonie geeignet? 

Misofonie ist der Hass auf Geräusche und seien wir mal ehrlich, das ist wohl das größte Übel. Schmatzgeräusche oder lautes Atmen lösen bei Betroffenen Wut, Verzweiflung und sogar körperliches Unwohlsein aus. Da wünscht man sich nicht nur eine Warnung bei Filmen, sondern auch im echten Leben bei Personen, die schmatzen und stöhnen, als würden sie das Leid der Welt auf ihren Schultern tragen – oder müssen sich endlich mal die Nasenscheidewand begradigen lassen.

Triggerwarnungen können mehr schaden als nutzen

So verständlich es scheint, Menschen mit Triggerwarnungen schützen zu wollen, so sehr entmündigen diese Warnungen auch. Das sieht zumindest Psychologe Thomas Weber so. Er leitet das Zentrum für Trauma- und Konfliktmanagement in Köln. In verschiedenen Interviews erklärt er, allein die Warnung könne bei Betroffenen eher das Gegenteil erreichen. Meist könnten sie anhand des Themas oder der Überschrift schon erschließen, ob der Inhalt für sie schwierig sein könnte. 

Schwierig auch, dass man vor lauter Warnmeldungen die Warnung nicht mehr wahrnimmt. Ist man den ganzen Tag überall von Warnungen umgeben, scheint die eine nicht wichtiger als die andere.

So nobel die Absicht sein mag, vielleicht tut es auch eine knappe Inhaltsangabe, eine aussagekräftige Überschrift statt einer Triggerwarnung, die am Ende sogar mehr schadet als nützt. Und vor allem darf man Betroffenen mehr zutrauen und muss sie nicht rundum in Watte stecken.

 

 
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