Liebe, Freunde, Geld – oder doch die Gene? Schon seit Urzeiten fragen sich die Menschen, was glücklich macht. In den USA ist ein Recht auf das Streben nach Glück („Pursuit of Happyness“) sogar in der Verfassung verankert, während es im Himalaya-Staat Bhutan sogar einen sogenannten Glücksminister sowie eine Erhebung des Bruttonationalglücks gibt. Doch wie erreicht man Glück – und was weiß die Forschung darüber?
Um der Frage auf den Grund zu gehen, muss zunächst geklärt werden, was Glück überhaupt ist. „Glück oder Zufriedenheit sagt etwas über die subjektiverlebte Qualität des Lebens aus. Wie sehr man das Leben, das man führt, mag, aus welchen Gründen auch immer“, erklärt Jan Delhey, Glücksforscher und Soziologe an der Universität Magdeburg. Doch wie kann man die subjektiv erlebte Lebensqualität erhöhen? Karlheinz Ruckriegel, Glücksforscher und Volkswirt an der Technischen Hochschule Nürnberg, kennt eine Reihe von Glücksfaktoren: „Gute soziale Beziehungen, Gesundheit, Engagement und befriedigende Arbeit, ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit, die innere Haltung und genug Einkommen zur Befriedigung der wesentlichen materiellen Bedürfnisse.“ Delhey bricht es hingegen auf drei zentrale Faktoren herunter: „Haben“, „Lieben“, „Sein“. Unter „Haben“ fällt demnach die ausreichende Deckung wirtschaftlicher Bedürfnisse und Konsumwünsche, unter „Lieben“ die Partner- und Freundschaften und unter „Sein“ sinnvolle Beschäftigungen in Beruf und Freizeit. „Nur ein Pfeiler reicht für eine hohe Lebenszufriedenheit in der Regel nicht aus“, sagt Delhey.
Der Einfluss des Materiellen ist begrenzt
Eine der großen Fragen, auf die Menschen teils gegenteilige Antworten geben, lautet: „Macht Geld glücklich?“ Die Antwort der Wissenschaft ist hier differenziert. Zwar sind Menschen mit höheren Einkommen sowie aus reicheren Ländern durchschnittlich zufriedener. „Der Zugewinn an Glück ist aber bei dem Sprung von einem niedrigen zu einem mittleren Einkommen größer als von einem mittleren zu einem hohen Einkommen – insbesondere in wohlhabenden Gesellschaften“, betont Delhey. „Der Nutzen von Einkommen nimmt also ab, je mehr man schon hat.“ Ruckriegel bestätigt das: „Der Einfluss des Materiellen ist begrenzt. Haben die Menschen genug Einkommen zur Befriedigung der wesentlichen materiellen Bedürfnisse, verliert das Einkommen an Bedeutung.“ In Deutschland könne ein Single mit 2000 Euro Nettohaushaltseinkommen gut hinkommen. Das sei allerdings ein Durchschnittswert, der je nach Wohnort variiere. München beispielsweise liege 40 Prozent darüber, Magdeburg 20 Prozent darunter. Mit steigendem Einkommen würden dann auch die Ansprüche wachsen, wodurch das gestiegene Einkommen nicht mehr die Zufriedenheit erhöhe.
Am glücklichsten sind die jungen Menschen
Was durchaus einen nachweisbaren Einfluss auf das Glücksniveau von Menschen hat, ist das Alter. „Am glücklichsten sind die jungen Leute, dann geht es etwas nach unten, das Zufriedenheitstal liegt in der Regel um die 45 bis 50 Jahre“, erklärt Delhey. Das liege daran, dass dann der wirtschaftliche Druck am größten sei, ebenso wie die Verantwortung, hinzu kämen geplatzte Träume. „Danach gibt es wieder einen Anstieg bis ins höhere Alter.“ Die Corona-Pandemie habe dieses übliche Muster unterbrochen: Hier waren die Jüngeren besonders stark von den Freiheitseinschränkungen betroffen, da sie in der Regel aktiver sind und mehr soziale Kontakte pflegen. Grundsätzlich seien aber jüngere und ältere Menschen in der Regel glücklicher. Zudem seien Menschen in Partnerschaften durchschnittlich zufriedener, ebenso wie Menschen, die Gutes tun und sich für ihre Ideale einsetzen. Auch tiefe Religiosität sorge durchschnittlich für mehr Zufriedenheit, so Delhey.
Aus Krisen gehen viele gestärkt hervor
Allerdings können Schicksalsschläge zu großen Lebenskrisen führen. Nach einer unterschiedlich langen Phase, die auf ein Unglück folgt, gibt es laut Glücksforscherin Michaela Brohm-Badry von der Universität Trier jedoch nicht nur Menschen mit negativen Folgen wie etwa einer posttraumatischen Belastungsstörung, sondern auch ein „posttraumatisches Wachstum“, wie sie es nennt. Dies betreffe sogar rund 60 Prozent der Betroffenen. Viele gehen demnach langfristig gestärkt aus einer Krise hervor. Viele Untersuchungen an Krebspatienten sowie von Opfern von Brand-, Schiffs- oder Gewaltkatastrophen belegten, „dass dem Leid neben den belasteten Emotionen auch stärkende, positive Emotionen folgen können“, sagt Brohm-Badry, die auch Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Positiv-Psychologische Forschung (DGPPF) ist.
Laut Glücksforscher Ruckriegel sind – neben diesen äußeren Lebensumständen – unser Verhalten sowie unsere genetische Veranlagung mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger. Während man die Veranlagung nicht ändern könne, habe man sein Verhalten selbst in der Hand: „Dauerhaftes Glück erfordert, dass wir den Weg genießen, der uns zu lohnenswerten Zielen führt. Es geht daher um einen achtsamen Umgang mit unserer Gefühlsbilanz – Stichwort Gefühlsmanagement“, sagt Ruckriegel. „Man sollte sich daher sehr wohl überlegen, wie viel Einkommen man wirklich braucht, um nicht zu viel Zeit für die bloße Einkommenserzielung zulasten der anderen Glücksfaktoren zu verwenden.“ Da der Mensch neurobiologischen Studien zufolge negative Ereignisse und Gefühle stärker wahrnimmt als positive, lohne sich laut Ruckriegel zudem, seine positiven Gefühle zu stärken: zum Beispiel indem man ab und an eine Art Dankbarkeitstagebuch führt und sich dort an jene Geschehnisse des Tages erinnert, für die man dankbar ist. „Es geht gerade nicht um ein Verdrängen negativer Gefühle oder um einen Zwang immer positiv zu denken, sondern um ein Bewusstmachen des Positiven um uns herum.“ Häufig auftretende negative Gefühle solle man jedoch hinterfragen und eventuell darauf reagieren, indem man seine Entscheidungen und sein Verhalten ändere und zum Beispiel einen neuen Arbeitsplatz suche.
Wie man durch sein eigenes Verhalten zum Glück beitragen kann
Ebenfalls durch sein eigenes Verhalten zum Glück beitragen könne man, indem man sich aktiv ein soziales Umfeld schaffe und damit Einsamkeit vermeide, oder auch indem man etwa einem Ehrenamt nachgehe. „Menschen möchten etwas tun, das für sie Sinn ergibt. Das Ehrenamt kann so eine Funktion erfüllen“, sagt Ruckriegel. Besonders im Alter, wenn die für viele sinnstiftende Arbeit wegfalle und man mehr Zeit habe, könne dies eine gute Alternative sein. Ein Ehrenamt biete zudem soziale Interaktion und Unterstützung.
Doch nicht nur im Individuellen, auch gesamtgesellschaftlich und politisch ist es möglich, Glücklichsein in der Bevölkerung zu beeinflussen. „Wenn in Deutschland die Erkenntnisse der Glücksforschung bereits frühzeitig in der Schule aufgegriffen würden, könnten wir schon von Beginn an und über unser ganzes Leben hinweg höhere Zufriedenheitswerte erreichen“, glaubt der Nürnberger Glücksforscher. Er würde daher die Einführung eines Schulfachs zu dem Thema begrüßen, „da sich dadurch die Kinder frühzeitig mit den Faktoren, die für ein glückliches Leben entscheidend sind, beschäftigen“. Das mache nicht nur glücklicher, sondern könne auch die Lebenserwartung verlängern, da Zufriedenheit gesund sei.
Auch in der Politik wird die Glücksforschung vermehrt wahrgenommen
Auch in der Politik scheint die Glücksforschung vermehrt wahrgenommen zu werden. Das von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium plant eine sogenannte Wohlfahrtsmessung. Ziel ist es, statt wie in der Vergangenheit nur ökonomische nun auch ökologische und soziale Dimensionen in den Blickpunkt zu rücken, wie es in einer öffentlichen Konsultation des Ministeriums Ende Juli hieß. So sollen wirtschaftspolitische Kennziffern wie das Bruttoinlandsprodukt ergänzt werden. „Quantitatives Wirtschaftswachstum im Sinne einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes ist nicht gleichbedeutend mit einer Erhöhung des Gemeinwohls und Lebens\u0002qualität der Bürgerinnen und Bürger“, heißt es in der Mitteilung. Es soll unteranderem erhoben werden, inwiefern Wachstum sozial gerecht verteilt und Bildungschancen verbessert werden können. Glücksforscher Ruckriegel geht das nicht weit genug. „Ich empfehle dringend, dem subjektiven Wohlbefinden, insbesondere der allgemeinen Lebenszufriedenheit und Bereichszufriedenheiten wie Arbeit oder Familie eine zentrale Stellung einzuräumen.“