zurück
Umwelt
Wann lohnt sich eine Balkonsolaranlage?
Einst ein Nischenmarkt, erleben Balkonkraftwerke inzwischen einen Boom. Wann sich die Anschaffung eines Steckersolargeräts rentiert – und was es beim Kauf zu beachten gilt.
Solaranlage hängt an Balkonbrüstung.jpeg       -  Steckersolaranlagen für den Balkon boomen – wann lohnt sich der Kauf?
Foto: Sven Hoppe, dpa/dpa-tmn | Steckersolaranlagen für den Balkon boomen – wann lohnt sich der Kauf?
Stefan Parsch
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:48 Uhr

Wer früher Stromgeld sparen wollte, erhielt in Ratgebern oft den Tipp, sich energieeffizientere Haushaltsgeräte anzuschaffen. Inzwischen wird als Empfehlung oft ein Balkonkraftwerk genannt. Mit einem solchen Steckersolargerät kann man nach Angaben der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin zehn bis 20 Prozent der jährlichen Stromkosten einsparen. Mit den Geräten können auch Mieter auf ihrem Balkon Solarstrom erzeugen. Derzeit erleben die Minisolaranlagen einen Boom, weil ihr Einsatz immer einfacher wird – und weil seit Jahresbeginn die Mehrwertsteuer für sie weggefallen ist, sie also günstiger geworden sind. Ein geplantes Gesetz soll den Einsatz von Steckersolargeräten weiter erleichtern.

140.000 bis 190.000 Steckersolargeräte mit einer Leistung von insgesamt59 bis 66 Megawatt wurden bis Ende 2021 in Deutschland verkauft, rechnete eine Forschergruppe um Barbara Praetorius von der HTW Berlin nach der Befragung von Anbietern solcher Geräte hoch. In seiner Fotovoltaik-Strategie vom Mai 2023 schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sogar von 250.000 Anlagen mit einer Gesamtleitung von etwa 100 Megawatt. Der Markt gilt als sehr dynamisch. „Die Energiekrise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine ist sicherlich ein weiterer Grund für die gestiegene Nachfrage“, sagt Praetorius. Denn bei hohen Strompreisen amortisieren sich die Geräte in der Regel schon nach wenigen Jahren. Eine Nutzerumfrage von Praetorius und Kollegen, die 2022 veröffentlicht wurde, zeigt weitere Motivationen: das Gefühl, etwas unabhängiger von Stromversorgern zu sein, und das Umweltbewusstsein, verbunden mit dem Willen, sich an der Energiewende zu beteiligen.

Die häufigsten Käufer: Technikbegeisterte Männer ab 45 Jahren

Neu ist die Technologie nicht: Kleine Solaranlagen für Balkon oder Terrasse gibt es schon seit mehr als zehn Jahren. Bis vor Kurzem waren sie aber Nischenprodukte, die vor allem von technikbegeisterten Männern ab 45 Jahren angeschafft wurden. Diese Gruppe ist in der Nutzerumfrage des Teams um Praetorius immer noch mit über 90 Prozent vertreten. Zudem betrieb ein Drittel der Nutzer von Steckersolargeräten auch eine große Fotovoltaikanlage (PV-Anlage), etwa auf dem Hausdach. „Es waren anfangs vor allem engagierte Bürger, die nicht selten auch Mitglieder einer Energiegenossenschaft waren“, sagt Martin Pehnt vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). Er hat mit einem Kollegen bereits 2016 eine Untersuchung zu Balkonkraftwerken durchgeführt. Dabei beurteilten sie den energetischen und wirtschaftlichen Nutzen abhängig von Standort- und Einsatzbedingungen. Schon zu den damals deutlich niedrigeren Strompreisen machte die Kostenersparnis den Kaufpreis nach etwa zehn Jahren wett. 

Damals verhinderten verschiedene Hemmnisse den Durchbruch der Steckersolargeräte und die Etablierung eines Massenmarktes. Etwa die Frage des Anschlusses an das Stromnetz im Haus oder in der Wohnung. Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) und viele Experten bestanden darauf, dass aus Sicherheitsgründen ein dreipoliger Wielandstecker verwendet werden sollte. Ein solcher Stecker erhöhte nicht nur die Kosten für die Minisolaranlage, sondern musste auch von Elektrofachleuten installiert werden. Das verlängerte die Zeit, bis das Steckersolargerät seine Kosten eingespielt hatte. Dabei ist die Gefahr bei der Nutzung eines üblichen Schutzkontaktsteckers zeitlich sehr begrenzt: „Gefährlich könnte es werden, wenn Sie bis 0,2 Sekunden nach dem Ziehen des Schukosteckers an die Kontakte fassen würden“, erklärt Klaus-Uwe Gollmer von der Hochschule Trier.

Künftig soll eine Anmeldung bei der Bundesnetzagentur genügen

Mittlerweile hat auch beim VDE ein Umdenken eingesetzt. In einer Mitteilung vom Januar 2023 bevorzugt er zwar weiterhin eine Installation der Minisolaranlagen durch das Fachhandwerk. Zugleich plädiert der Verband dafür, die Verwendung von Schutzkontaktsteckern bei der Einspeisung bis zu einer Systemgesamtleistungsgrenze von 800 Watt zu dulden. Diese Leistungsgrenze für einen einfachen Anschluss solcher Geräte entspricht EU-Vorgaben und ist in vielen Nachbarländern wie etwa Österreich bereits umgesetzt. In Deutschland gilt derzeit noch eine Obergrenze von 600 Watt. Die soll demnächst auf 800 Watt angehoben werden, heißt es in der Fotovoltaik-Strategie des Wirtschaftsministeriums. Das wäre eine weitere Erleichterung, ebenso wie die geplante Vereinfachung der Anmeldung der Geräte. Noch müssen Steckersolargeräte bei der Bundesnetzagentur und beim jeweiligen Netzbetreiber angemeldet werden. Künftig soll eine Anmeldung bei der Bundesnetzagentur genügen.

Ein weiteres Hemmnis sind die im Haus installierten Stromzähler. Zwar beschloss die Bundesregierung zu Jahresbeginn, dass intelligente Zähler, sogenannte Smart Meter, bis 2032 Pflicht werden sollen. Doch noch gibt es viele ältere Zähler – etwa Ferraris-Zähler, die bei Rückeinspeisung von Energie rückwärts laufen können, was von den Netzbetreibern nicht gewünscht ist. Doch selbst der VDE spricht sich dafür aus, Steckersolargeräte übergangsweise hinter jedem Zählertyp verwenden zu können, selbst wenn der Zähler rückwärts läuft, weil überschüssiger Solarstrom ohnehin ins allgemeine Netz fließt. Die Rückspeisung ins Stromnetz geschieht zwar auch bei neueren Zählern, aber diese bleiben einfach stehen. Bei großen Solaranlagen ist die Einspeisung ins allgemeine Stromnetz üblicherweise vorgesehen, bei den Balkonkraftwerken jedoch nicht. 

Auch Discountmärkte bieten schon Steckersolargeräte an

Wenn der Betreiber einer Minisolaranlage den erzeugten Strom nicht sofort verbraucht, kommt er der Allgemeinheit zugute, ohne dass der Betreiber eine Vergütung erhält. Wer das nicht möchte, sollte das Anschalten von Stromverbrauchern in seiner Wohnung per Zeitschaltuhr steuern oder sich einen Stromspeicher anschaffen. Der Kauf wird immer einfacher: Inzwischen bieten schon Discountmärkte Steckersolargeräte an, wie Bernd Rosenthal von der Verbraucherzentrale Niedersachsen berichtet. Er rät jedoch, sich beraten zu lassen oder genau auf die technischen Daten zu schauen, weil das Angebot qualitativ sehr unterschiedlich sei.

Rosenthal zufolge lohnt schon jetzt eine Anschaffung, auch wenn einige gesetzliche Änderungen erst auf den Weg gebracht werden. So gebe es Anbieter, deren Wechselrichter die Leistungsobergrenze von 600 Watt auf 800 Watt erhöhen könne, wenn sich die Gesetzeslage entsprechend ändert. Wechselrichter gehören zu Minisolaranlagen: Sie wandeln den vom Solarmodul erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom um und begrenzen die Leistung des Geräts. Zum Vergleich: Die Leistung eines Toasters liegt üblicherweise zwischen 800 und 1400 Watt.

Der Solartisch muss einfach nur aufgestellt werden

Ein Vorteil von Steckersolaranlagen ist, dass sie nicht fest installiert werden müssen und man sie bei einem Umzug einfach mitnehmen kann. Rosenthal mahnt jedoch: „Die Solarmodule müssen Windlasten standhalten können.“ An einem Geländer angebracht, kann das Modul wie ein Segel wirken. Dementsprechend sollte es gut befestigt und bei Unwetterwarnung eventuell auch abgebaut werden. Rosenthal rät außerdem, das Balkonkraftwerk in die Gebäude- oder Privathaftpflichtversicherung aufzunehmen, falls es sich doch losreißen und Schaden anrichten sollte. Werden die Solarmodule etwas schräg aufgestellt, ist die Stromausbeute höher. Als weitere Alternative nennt Gollmer von der Hochschule Trier den Solartisch, der einfach nur aufgestellt werden muss. 

Bei einer in Deutschland installierten Leistung erneuerbarer Energien von fast 142 Gigawatt machen die 0,1 Gigawatt der Balkonkraftwerke nicht viel aus. Dennoch leisten sie vielen Experten zufolge einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Umsetzung der Umstellung auf treibhausgasfreie Stromerzeugung. Und außerdem: Würden zehn Prozent der deutschen Haushalte eine 800-Watt-Anlage betreiben, käme eine installierte Leistung von immerhin 3,2 Gigawatt zusammen. 

Können die Geräte das Denken über die Energiewende verändern?

Für Gollmer von der Hochschule Trier sind Steckersolargeräte deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie das Denken über die Energiewende verändern können. „Wenn der Energieertrag des eigenen Balkonkraftwerks zum Thema von Kneipengesprächen wird, dann sorgt das für mehr Akzeptanz der erneuerbaren Energien.“ Ähnlich sieht es Praetorius von der HTW Berlin: „Durch solche Geräte bleibt die Energiewende nicht abstrakt, sondern die Bürgerinnen und Bürger können sich selbst beteiligen.“ Diese psychologische Wirkung sei wichtiger als die reale Energiegewinnung aus den Anlagen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bundesnetzagentur
Energiewende
Solarstrom
Stromnetze
Strompreise
Stromversorger
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen