Früher, also damals, als alles, die Welt, mindestens aber Bayern, noch besser war, früher, da hat man sich die Köpfe eingehauen. Oder wurde zum Breitschwert gegriffen, beispielsweise ein König gemeuchelt (in diesem Fall gar Sohn des immer noch im Kyffhäuser – was bedauerlicherweise kein Wirtshaus ist – hockenden Barbarossa), und das von einem Wittelsbacher und durchaus zum Nachteil des konkurrierenden Adelsgeschlechts der Andechser, auch wenn schließlich der schwertführende Pfalzgraf Otto selbst letztlich den Kopf verlor, jedenfalls: unschön das alles und, wie dieser lange Satz zeigt, auch fürchterlich kompliziert. Wie fast immer, wenn es um Macht geht.
Dagegen ist es doch eine feine Sache, in diesen Fragen einfach wählen zu können. Also Stimmzettel anzukreuzen und in eine Urne zu werfen, die im Übrigen und anders als bei „Asterix auf Korsika“ eben nicht ungeöffnet im Meer (Chiemsee?) versenkt wird, auf dass dann der Stärkere gewinne, sondern ausgezählt – und zwar und wie der bayerische Landtag in eigener Sache mitteilt streng nach Saint-Laguë/Schepers in Form des Divisorverfahrens! Nun ist der Sozialkundeunterricht schon ein wenig her, gleichwohl kann, wer mag, über die Feinheiten der verschiedenen Rechen- und Sitzzuteilungsverfahren gerne streiten wie um das beste Rezept für einen Obazdn (wobei Saint-Laguë ja schon nach einem überreifen Käs’ klingt), fest steht jedenfalls: Etwas Besseres als diese Demokratie ist uns noch nicht eingefallen, und mag diese auch bedeuten, am Sonntag zur Landtags- und Bezirkstagswahl auf begrenztem Raum mit Bögen vom gefühlten Umfang einer Rolle Raufaser hantieren zu müssen.
Die Schärfe im Ton nimmt zu - nicht nur unter Politikern
Doch zuletzt, das wurde in diesem Wahlkampf ebenfalls deutlich, ist der Raum, der Platz für eine gelebte, vitale Demokratie wieder ein wenig weniger worden, denn Demokratie, das setzt ja auch die Diskussion, den Austausch von Argumenten voraus. Aber wie Wissenschaftler etwa der Universität der Bundeswehr in München herausgefunden haben, nimmt stattdessen die Schärfe im Ton zu – nicht nur in Bayern, nicht nur unter Politikern, sondern innerhalb der Bevölkerung selbst und vor allem in dem, was man „soziale Medien“ nennt.
Denn es ist ja so: Vor nicht allzu langer Zeit saßen im Wirtshaus keine anonymisierten Avatare beinander, sondern leibhaftige Menschen mit einer Maß Bier, der Pfarrer, der Bürgermeister und die größten Bauern im Dorf, und gut, das war dann vielleicht auch nicht gerade ein bunter Diskurs, eher eine Art pfeifeschmauchendes Selbstgespräch. Doch alsbald kamen dann eventuell der junge Lehrer und andere hinzu mit komischen Ideen, und bisweilen konnte es dann zugegeben unter Umständen auch handgreiflich werden (wenngleich unter Zuhilfenahme eines Bierkrugs, weniger eines Breitschwerts, so viel zivilisatorischer Fortschritt muss sein). Man könnte jedenfalls dennoch fast von frühen, freilich mitunter ungelenken Übungen gelebter Meinungsvielfalt sprechen, weil das Wichtigste: Spätestens am nächsten Tag musste man sich ja wieder in die Augen schauen, auskommen miteinander, und einiges von dem neumodischen Zeug war im Nachhinein dann vielleicht gar nicht so blöd und somit ließ man zwischenzeitlich sogar den Maßkrug als Argument beiseite.
Auf eine Maß aber wird man sich hoffentlich noch treffen können
Ein Erlebnis sei deswegen an dieser Stelle nicht vorenthalten, der Autor war jung und während eines Maiausflugs vor Gewitter in ein kleines Wirtshaus im Oberland geflüchtet. Zwei Tische, am einen die Einheimischen, am anderen die anderen. Und weil ja 1. Mai war und der Ausschank am Tag der Arbeit eben fleißig arbeitete, wurde in einer Art hopfeninduzierter Überschussreaktion die „Internationale“ angestimmt, während es bei den Krachledernen erst hieß: „D’Kommunischtn aus der Stodt“ – um dann im Stehen voller Inbrunst die Bayernhymne zu intonieren. Was folgte? Gelächter, gegenseitiges Zuprosten und allgemeine Verbrüderung mittels hin- und her ausgegebener Willis. Und was nun wie erfunden klingt, war wirklich so – und ist für mich immer noch die schönste Seite an Bayern. Denn wir sind, wir waren mal tolerant, in einem kurzen Zeitfenster, und es klingt jetzt vielleicht arg nach Dorfpfarrer zu sagen: Schmeißen wir dieses bitte nicht wieder zu, lassen wir uns nicht aufhetzen gegeneinander, lassen wir das Hetzen, so leicht es wie erwähnt im Internet auch immer fällt.
In einem anderen Asterix-Band schmeißen sich die Häuptlinge zur Wahl Strohballen ins Gesicht, ein Verfahren, das dem einen oder anderen Landespolitiker vielleicht ja ganz gut gefallen würde. Aber wir sollten eigentlich weiter sein. Sowohl in Andechs wird noch Bier gebraut wie auch von den Wittelsbachern, der eine präferiert dies, die andere das, der eine mag es obergärig und die andere gar alkoholfrei. Auf eine Maß aber wird man sich doch hoffentlich so oder so noch einigen und treffen können. Zum Beispiel nach dem Wählen, am Sonntag, im Wirtshaus. Denn ja und um quasi mit einem Kaiser zu sprechen: „Geht’s raus und tut’s wählen!“
Und dann vertragt’s euch wieder.