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Klima
Bohrung zeigt: Teile von Grönland waren vor 400.000 Jahren eisfrei
Forschende einer US-Geheimbasis in Grönland hatten in den 1960er Jahren im Eis gebohrt. Jetzt haben Experten die Probe untersucht.
Gletscherschmelze Grönland.jpeg       -  Ein großer Teil von Grönland war vor gut 400.000 Jahren eisfrei und glich einer Tundralandschaft. Das haben Forschende anhand von Bohrungen aus dem Eis festgestellt.
Foto: Sepp Kipfstuhl/Alfred-Wegener-Institut, Helmhol/dpa | Ein großer Teil von Grönland war vor gut 400.000 Jahren eisfrei und glich einer Tundralandschaft. Das haben Forschende anhand von Bohrungen aus dem Eis festgestellt.
Walter Willems
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:55 Uhr

Ein großer Teil von Grönland war vor gut 400.000 Jahren eisfrei und glich einer Tundralandschaft. Das berichtet ein internationales Forschungsteam nach der Analyse eines Eisbohrkerns aus dem Nordwesten der Insel im Fachmagazin Science. Das Resultat zeigt nach Ansicht der Forschenden, wie sensibel der Grönländische Eisschild– die zweitgrößte Eismasse der Erde – auf Temperaturänderungen reagiert. 

Zu der aktuellen Erkenntnis trug ein Zufall bei: Im Nordwesten von Grönland hatten die USA im Kalten Krieg eine unterirdische Militärbasis angelegt und als arktische Forschungsstation getarnt. Dieses Camp Century erwies sich als Fehlplanung und wurde 1967 aufgegeben. Kurz zuvor hatten Forschende einen Eisbohrkern entnommen, der fast 1400 Meter lang war und damit knapp vier Meter unter den Eispanzer reichte. Dieser Bohrkern ging jedoch verloren und wurde erst 2017 zufällig in Dänemark wiederentdeckt.

Grönländischer Eisschild ist mindestens einmal stark geschrumpft

Eine 2021 im Fachblatt PNAS veröffentlichte erste Auswertung des Bohrkerns durch ein Team um Andrew Christ und Paul Bierman von der University of Vermont in Burlington hatte ergeben, dass der Grönländische Eisschild während der vergangenen eine Million Jahre mindestens einmal stark geschrumpft war. Unklar war jedoch die genaue Zeit. In der aktuellen Studie datierte das Team um Christ und Bierman diese Phase mithilfe verschiedener Verfahren auf die sogenannte Marine IsotopeStage 11 (MIS 11). Dieses Interglazial reichte von vor 424.000 bis vor 374.000 und ist mit 50.000 Jahren eine der längsten Warmzeiten der jüngeren Erdgeschichte.

Ihre genaue Ursache ist bislang nicht geklärt – diskutiert werden langfristige Änderungen der Erdumlaufbahn oder von Meeresströmungen. Verfahren der Lumineszenzdatierung und Isotopenanalysen ergaben, dass die im Bohrkern unter dem Eis liegenden Ablagerungen – darunter Sand, Gesteine und Pflanzen- und Tierreste – zuletzt vor grob 416.000 Jahren dem Sonnenlicht ausgesetzt waren. Insgesamt dauerte diese Exposition etwa 14.000 Jahre. „Das ist der erste eindeutige Beleg, dass viel vom Grönländischen Eisschild verschwand, als es warm wurde“, wird Bierman in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Bisher gab es dafür nur indirekte Belege.

Im nächsten Schritt simulierte das Team anhand von Klimamodellen, wie stark der Grönländische Eisschild damals abgeschmolzen sein musste, damit der Nordwesten der Insel bei Camp Century – etwa 1300 Kilometer südlich des Nordpols– eisfrei war. Und wie sehr dieser Verlust zum Anstieg des Meeresspiegels beitrug. Demnach ließ das Verschwinden großer Eisflächen das Meer um mindestens 1,4 Meter steigen, möglicherweise auch um 5,5 Meter – insgesamt lag der Meeresspiegel damals 6 bis 13 Meter höher als heute. Den Simulationen zufolge blieb ein Teil des Eises auf dem östlichen Hochland der Insel wohlerhalten.

Anstieg des Meeresspiegels: Folgen könnten drastischer sein als damals

Die Forschenden werten die Resultate als Beleg dafür, wie sensibel der Eisschild auf Klimaschwankungen reagiert – zumal die damalige CO2-Konzentration in der Atmosphäre weit unter den heutigen Werten lag: Damals erreichte sie 286 ppm (Teilchen pro Million; parts per million), heute sind es deutlich mehr als 400 ppm. Angesichts des heutigen höheren – und weiter steigenden – Wertes geht das Team davon aus, dass die derzeitige Erwärmung dem Eisschild stark zusetzen wird. 

„Die lange Verweildauer anthropogener Treibhausgase wird die derzeitige vom Menschen verursachte Klimaerwärmung für viele tausend Jahre verlängern“, schreibt die Gruppe. Selbst bei einem gemäßigten Klimaszenario, in dem die Emissionen ihren Höhepunkt 2040 erreichen würden, bräuchten die CO2-Werte zehntausende Jahre, um wieder abzusinken, heißt es weiter. Das hätte auch Auswirkungen auf den Anstieg des Meeresspiegels. Die Folgen wären diesmal erheblich drastischer: „Vor 400.000 Jahren gab es keine Städte an Küsten“, sagt Bierman. „Heute gibt es Küstenstädte.“

 
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