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Jugendbuch
Grau wie das Grauen: Der vierte Band von Cornelia Funkes "Tintenherz"
Eigentlich hatte Cornelia Funke ihre Tintenwelt-Trilogie abgeschlossen. Nun gibt es mit "Die Farbe der Rache" eine Fortsetzung. Darin entscheiden die Bilder über das Schicksal der Figuren.
Cornelia Funke.jpeg       -  Cornelia Funke, Schöpferin der tintenwelt-Trilogie, hat nun och einen vierten Band zu der Reihe geschrieben.
Foto: Christophe Gateau, dpa | Cornelia Funke, Schöpferin der tintenwelt-Trilogie, hat nun och einen vierten Band zu der Reihe geschrieben.
Birgit Müller-Bardorff
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:16 Uhr

Auf diese Sätze haben viele Leserinnen und Leser seit 16 Jahren gehofft: „Schwarz war die Welt. Es war Nacht in Ombra. Nur die Mauern der Burg färbten sich rot, als hätte die untergehende Sonne sich zwischen ihnen versteckt.“ Es ist der Beginn von Cornelia Funkes neuem Buch „Die Farbe der Rache“, mit dem sie an einen ihrer größten Erfolge anknüpft.

2007 hatte die Geschichten-Erzählerin mit „Tintentod“ eine Trilogie abgeschlossen, die mit „Tintenherz“ (2003) begonnen hatte, mit „Tintenblut“ (2005) fortgesetzt wurde und bis heute über 12 Millionen Leser und Leserinnen in aller Welt gefunden hat. Noch einmal führt Funke nun in jenen Kosmos, der als Tintenwelt in die Literatur eingegangen ist, ein mittelalterlich anmutendes Setting mit Gauklern und Handwerkern, angereichert durch Naturmystik, Zauberkräfte und Fabelwesen wie Glasmänner, Flussnymphen und Grasfeen. Wer sich nicht mehr genau erinnern kann an die Protagonisten, findet im Anhang ein Verzeichnis der Figuren, die nun auch im neuen Werk eine Rolle spielen.

Die Farbe der Rache entsteht aus der Dunkelheit der Welt

Die titelgebende Farbe der Rache ist grau. Ein Grau wie das Grauen, das schon in Michael Endes "Momo" für Schrecken sorgte. Bei Funke lässt es die Menschen verblassen, macht sie zu Schatten ihrer selbst, raubt ihnen Farbe, Licht und Leben. Die Farbe nährt sich aus der Dunkelheit und dem Schmerz der Welt, den eine Schattenleserin sammelt, und sie wird zum Werkzeug für die Rache von Orpheus am Feuertänzer Staubfinger, der ihn gedemütigt und zurückgewiesen hat.

Alle Menschen, die Staubfinger etwas bedeuten, lässt Orpheus vom Illuminator Balbulus mit jener grauen Zauberfarbe in ein Buch zeichnen. Roxane, Farid, Mo, Fenoglio, Resa, Meggie, Ellinor, sie verschwinden einfach aus Staubfingers Leben. "Grau. Das war alles, was Meggie sah, hörte und fühlte. Grau. Es füllte ihr das Herz und die Augen, die Hände und die Ohren ... Es war die Asche von allem, was sie je gewesen war." Nur bei seinem Freund Nyame, bekannt als der Schwarze Prinz, funktioniert der Plan nicht. Und so hat Staubfinger einen Gefährten, der ihm in dem Kampf gegen Orpheus zur Seite steht. 

In Cornelia Funkes Tintenwelt-Büchern geht es um die Magie der Bücher und die emotionale Kraft von Geschichten

Die klassische Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse ist in Cornelia Funkes Tintenwelt-Trilogie aber immer nur das eine, vielmehr geht es darum, wer die Macht über die Worte und den Verlauf einer Geschichte hat, wer bestimmen kann, wie die Charaktere sich entwickeln und welches Ende es mit ihnen nimmt. Letztlich erzählt sie mit Protagonisten wie dem Buchbinder Mo, der Figuren aus Büchern heraus- und wieder hineinlesen kann, mit Dichtern, denen die Worte fehlen wie Fenoglio und anderen, die eine Geschichte stehlen und manipulieren wie Orpheus, immer wieder von einem: der Faszination des Lesens, der Magie der Bücher, der emotionalen Kraft von Geschichten - der Verbindung von Leben und Literatur. Und es gibt der Reihe einen besonderen Zauber, dass die Leserinnen und Leser im Moment der Lektüre eben auch jenes erleben, wovon sie lesen: Teil einer Geschichte zu werden. 

Im neuen Band verschiebt sich die Macht von den Worten nun hin zu den Bildern, die über das Schicksal der Figuren entscheiden. Bilder haben Worten den Rang abgelaufen, wie ja auch in der Gegenwart, in der „Storys“ 30-Sekunden-Filmchen auf Instagram sind. Misstraut die versierte Erzählerin Funke, die ja auch Illustratorin und Malerin ist, mittlerweile etwa den Worten? Nun, so viel darf verraten werden, es sind diesmal nicht die Dichter, die den Verlauf der Geschichte weiter spinnen und zu einem Ende bringen. Der fahle Farbzauber, für den sich Orpheus an die Schattenleserin verkauft hat, wird am Ende durch eine ganz andere Kunst überwunden werden. 

In "Die Farbe der Rache" setzt Cornelia Funke ein Zeichen der Hoffnung in die Tintenwelt

Vor allem aber sind es die jungen Leute, die die Geschicke bestimmen. Es ist eine Art Staffelübergabe, mit der Cornelia Funke nicht nur ein Zeichen der Hoffnung in die düstere Tintenwelt setzt, sondern auch mit dem aktuellen Engagement der jungen Generation Sympathie zeigt: die Pflanzenbeschwörerin Lilia, die Sängerin Ayesha, der Kunstschmied Jehan, die Büchernärrin Meggie. Sie finden die Kraft, sich dem Hass und der Zerstörung zu widersetzen, in ihrer Naturverbundenheit und in der Kunst. 

Meggie wird das Buch „Tintenherz“, mit dem alles begann und in das der Buchbinder Mo einige leere Seiten eingefügt hat, weiterschreiben. „Du bist doch eine sehr begabte Näherin. Stell dir einfach vor, dass du aus all den verschiedenen Stoffen und Fäden eine große warme Decke nähst, in die deine Leser sich mit großem Vergnügen einhüllen“, rät ihr der Dichter Fenoglio. Eine warme Decke, das wird auch „Die Farbe der Rache“ für viele Leserinnen und Leser werden, denn in Zeiten von Krieg und Katastrophen ist es ein berührendes Plädoyer für Liebe, Familie, Freundschaft und Respekt - vorn den Menschen und der Schöpfung

Cornelia Funke: Die Farbe der Rache. Dressler, 352 Seiten, 23 Euro - ab 12



 
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