Herr Hotz, bekannt geworden sind Sie als "El Hotzo" mit Witzen auf Twitter. Da gilt: maximal 280 Zeichen. Jetzt haben Sie einen ganzen Roman geschrieben. Wie unterscheidet sich das Schreiben?
Sebastian Hotz: Der größte Unterschied für mich war, dass die sofortige Belohnung durch Likes und Reaktionen wegfällt. Mir ging es wie einer Ratte in einem Experiment, wenn der Kokain-Knopf nicht mehr funktioniert. Stattdessen musste ich darauf vertrauen, dass mein Lektor mich nicht anlügt, wenn er sagt: Das ist gut. Gleichzeitig war die Arbeit weniger druckvoll. Nicht jede Zeile muss eine Punchline sein, man kann einen Gedanken über viele Seiten strecken und erst dann auflösen.
Eine der wichtigsten Figuren im Buch ist ein unseriöser Business-Coach. So jemanden findet man tatsächlich oft auf Instagram. Warum haben Sie sich gedacht, dass das ein Roman-Thema ist?
Hotz: Erst einmal: Diese Menschen sind eine dankbare Pointe. Man sieht selten ein Video von so einem Lifestyle-Finance-Männlichkeits-Coach und denkt: Was für ein intelligenter Typ, mit dem möchte ich gerne Zeit verbringen. Aber auch bei schlechten Menschen gibt es einen Grund, warum sie so sind. In deren Weltbild hat jeder den Erfolg in der eigenen Hand, es liegt nur am Mindset. Das eigentlich Tragische ist, dass sie dann ja auch für alles Schlechte in ihrem Leben selbst verantwortlich sind. Ich habe ein bisschen gebraucht, um das zu erkennen: Eigentlich sind das traurige Männer, die durch dieses Weltbild zum Arschloch werden.
Für das Buch haben Sie quasi selbst so ein Coaching geschrieben. Wenn alle Stricke reißen: Ist Instagram-Business-Coach eine Option?
Hotz: Vor diesem Schicksal habe ich mich gerettet, indem ich mir – unbeabsichtigt – so ein anstrengendes Loser-Image gegeben habe. Ich glaube, niemand da draußen denkt: Oh mein Gott, ich möchte dringend sein wie El Hotzo. Und wenn alle Stricke reißen, kann ich stattdessen einfach zurück zu Siemens gehen. Mein Trumpf ist meine Ausbildung zum Industriekaufmann.
Aber den Instagram-Account Ihrer Hauptfigur, @krach_consulting, haben Sie vor fast zwei Jahren schon einmal eingerichtet.
Hotz: Ja, damit niemand anderes dieses Instagram-Profil nutzt! Ich dachte damals, vielleicht ziehe ich das marketingmäßig ganz groß auf. Aber eine Parodie auf etwas zu machen, das schon wie eine Parodie ist, das erschien mir dann doch zu viel des Guten.
Maximilian Krach und anderen Figuren im Buch sind Statussymbole extrem wichtig: teure Uhr, feiner Anzug, Sportwagen. Welches Statussymbol steht auf Ihrer Einkaufsliste, wenn die Verkaufszahlen von "Mindset" durch die Decke gehen?
Hotz: Würde ich mir ein Auto kaufen, würde ich auf Instagram fertig gemacht werden – und das zu Recht. Das passt nicht zu meinem Image, ich habe da schon ein paar andere Meinungen zu Autos veröffentlicht. Aber ich möchte nicht so tun, als wäre ich vor den schönen Dingen des Lebens gewahrt. Ein Statussymbol wäre für mich, mir an einem Bahnhof einfach so etwas von Le Crobag zu kaufen. Das kostet ja je nach Gebäckstück zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Ansonsten wäre das Statussymbol, das mich am meisten interessiert, ein Kühlschrank mit zwei Flügeltüren und Eiswürfelspender, wie bei einer amerikanischen Sitcom-Familie.
Im Gegensatz zu den prunkvollen Statussymbolen stehen im Buch die trostlosen Orte: ein Tagungsraum im Holiday Inn Express in Mülheim an der Ruhr, ein Bürokomplex in Gütersloh, leere Provinzbahnhöfe.
Hotz: Ich mag solche Nicht-Orte. Ich wohne ja in Berlin. Von meiner Persönlichkeit und vom Optischen passe ich aber eigentlich eher nach Bielefeld, wo ich davor gewohnt habe. In Berlin gibt es so viele schöne Menschen – da fühle ich mich wohler in Städten wie Mülheim oder in Gütersloh. Und dass in Berlin erzählenswerte Geschichten passieren, ist ja klar. Da finde ich es eher notwendig, Geschichten zu erzählen, die in vermeintlich schlechten und hässlichen, kleineren Orten passieren.
Das Holiday Inn Express in Mülheim an der Ruhr haben Sie auch in echt besucht – aber erst jetzt, als das Buch schon fertig war. Wie war das?
Hotz: Es ist nicht schwer, sich so ein Kettenhotel auszumalen, die schauen ja überall gleich aus. Aber als ich da war, dachte ich fast, das Hotel wurde durch meine Gedanken erbaut und ich bin magisch. Die Beschreibung ist unfassbar nahe dran. Ich habe bei einem Nachtschicht-Mitarbeiter eingecheckt und dachte: Den kenne ich, der ist in meinem Buch. Was sich unterscheidet: Die Lobby ist im ersten Stock, nicht ebenerdig. Ich hoffe, dass mir die Leser:innen dieses Versagen nachsehen.
Das können Sie dann ja im Herbst auf ihrer Lese-Tour testen. Nun hat man ja auf Twitter Ihr Gesicht nicht gesehen und auch als Autor beim ZDF Magazin Royale waren Sie – bis auf einige wenige Auftritte vor der Kamera – eher im Hintergrund. Im Herbst stehen sie ganz real vor Leuten auf einer Bühne.
Hotz: Ich habe gar nie so ein großes Geheimnis um mein Aussehen gemacht, wie oft getan wird. Wenn man auf meinem Instagram-Account ganz nach unten scrollt, findet man auch noch private Fotos von mir. Und ich zeige mich ja auch in den Storys und anderen Videos. Trotzdem ist die Lesereise natürlich ein Medienbruch. Aber der muss irgendwann sein. Ich kann ja nicht noch mit 40 nur coole Social-Media-Posts machen. Man muss dahin gehen, wo man hingehört, als alternder Comedian.
Auch das Publikum sitzt dann ganz real vor Ihnen. Was bedeutet Ihnen das?
Hotz: Drei real lachende Menschen sind mehr wert als 10.000 Likes. Unsere Gehirne sind noch nicht so weit, digitalen Zuspruch genauso zu verarbeiten wie realen. Deshalb freue ich mich sehr darauf, auf einer Bühne zu stehen und Menschen zum Lachen zu bringen. Das wollte ich schon immer machen. Und ich kann dann auch immer noch sagen: Das ist eine Lese-Tour, ich lese einfach ein bisschen aus dem Buch vor und Tschüss. Das ist ein gutes Back-up.
Zum Thema Medienbruch: Sie tauchen gerade ohnehin in nahezu jedem Medium auf – jetzt auch noch in einer Serie. Werden Sie Schauspieler?
Hotz: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich kann gut lügen, das ist allerdings leider nicht ganz dasselbe wie Schauspielen. Aber so etwas wie diese Rolle nehme ich sehr gerne mit. Die ZDFneo-Serie, in der ich jetzt auftauche, heißt "I don't work here". Da spiele ich einen Comedian mit einer Sockenpuppe – eine kleine Nebenrolle. Es war toll, mit jemandem wie Peter Lohmeyer zu arbeiten, der halt schon eine große Nummer ist, und kurz so zu tun, als wären wir auf Augenhöhe.
Buchautor, Fernsehautor, Serienrolle. Seit vergangenem Jahr haben Sie auch noch einen wöchentlichen Podcast mit "Aspekte"-Moderatorin Salwa Houmsi. Warum machen Sie eigentlich derart viele verschiedene Projekte?
Hotz: Ich bin in diesen Medienjob per Zufall reingerutscht. Ich wollte so etwas zwar immer machen, aber in meiner Lebensrealität hat die Aussicht auf einen kreativen Job nie existiert. Das war etwas für Leute in der Großstadt. Für mich, zwischen Forchheim und Bamberg groß geworden, war das irgendwie keine Option. Ich hab das dann ungeplant über den Umweg Internet geschafft. Und irgendwas in meinem Gehirn redet mir immer noch ein, dass das jederzeit vorbei sein kann. Deshalb mache ich alles, was mir Spaß macht, und nehme so viel mit, wie es geht.
Sie kennen das Hochstapler-Syndrom? Selbstzweifel, die einen glauben lassen, man wäre zu Unrecht in der Position, in der man ist und könnte jederzeit auffliegen?
Hotz: Ich glaube, es wäre weird, wenn ich das nicht hätte. Meine Arbeit besteht daraus, Witze zu machen, über die dann hoffentlich jemand lacht. Das ist nichts Greifbares, nichts Objektives. Vielleicht wachen ja irgendwann alle auf und sagen: So funny war der eigentlich nie. Es gibt ja eine ganze Ahnengalerie von Internethypes, die über Nacht wieder verschwunden sind. Das kann mir auch passieren.
Bedeutet es jemandem, der wie Sie im Internet zu Hause ist, eigentlich etwas, das eigene Buch in den Händen zu halten? Oder hätte es Ihnen auch als E-Book gereicht?
Hotz: Das Internet ist immer dann am magischsten, wenn es Auswirkungen auf die echte Welt hat. Eine Facebook-Party, wo Tausende zu irgendeiner Thessa nach Hamburg kommen. Oder eben, wenn Gags im Internet dazu führen, dass irgendwann ein Buch von mir erscheint. Für mich war es ein erhabenes Gefühl, das Buch zum ersten Mal in der Hand zu haben. Ein richtiges Buch, das ist schon auch ein Statussymbol. Ich freue mich natürlich, wenn das viele in ihr Regal stellen und sich in 20 Jahren fragen: Hey, was ist eigentlich aus dem geworden? Aber von mir aus können die das auch gerne als E-Book lesen. Das ist bestimmt aus irgendwelchen Umweltgründen ohnehin besser. Aber ein bisschen weniger romantisch.