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Interview
Denzel Washington: „Wenn ich drehe, denke ich nicht an mögliche Botschaften“
US-Schauspieler Denzel Washington spielt in „The Equalizer 3“ einen eiskalten Killer. Ein Gespräch über authentische Rollen, Eskapismus und die Zukunft des Kinos.
Rüdiger Sturm
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:40 Uhr

Sie haben noble Helden gespielt, aber eben auch knallharte Killer wie in den „Equalizer“-Filmen. Sehen Sie bei Ihren Rollen eigentlich die Verantwortung, gegenüber dem Publikum ein Vorbild abzugeben?

Denzel Washington: Nein, denn den Leuten ist es egal, wie vorbildlich ich mich in einer Rolle verhalte. Die wollen einen guten Film sehen. Wenn der schlecht ist oder ich schlecht spiele, dann interessiert sie der nicht.

In den „Equalizer“-Filmen zeigen sie die unterschiedlichsten Methoden, wie man Menschen töten oder verletzen kann. Das hat keine Wirkung auf die Zuschauerinnen und Zuschauer?

Washington: Ich kann mir das nicht vorstellen. Wenn einer einem Menschen Gewalt antun will, dann tut er das, ohne dass er sich dafür einen Film anschaut. Und er lässt sich auch durch einen Film nicht davon abbringen. Speziell Amerika ist an sich ein gewalttätiges Land. Und ich habe leider auch keine Antwort, wie sich das ändern lässt.

Und was ist die Motivation für Sie, solche Filme zu machen?

Washington: Die Chance, in Italien zu drehen. Für mich und meine Familie ist das so etwas wie eine zweite Heimat. Und ich habe eine sehr gute Arbeitsbeziehung zu meinem Regisseur und Produzenten. Grundsätzlich möchte ich die Menschen unterhalten. Die Zuschauer lieben diese Art von Eskapismus. Sie wollen sich über die Bösen aufregen, für die Guten begeistern und dabei ihr Popcorn essen. Gerade in der heutigen Welt ist es wichtig, dass wir der Wirklichkeit entfliehen können.

Für Schauspieler wie Sie gibt es aber auch die Chance, Preise einzuheimsen. Sie haben ja schon zwei Oscars. Inwieweit interessiert Sie das?

Washington: Man kann doch nie vorhersehen, ob ein Film für eine Auszeichnung nominiert wird. Das Entscheidende ist immer, dass er von so vielen Leuten gesehen wird wie möglich und die damit Spaß haben. Ich mag es, wenn ich vom Publikum Feedback bekomme. Deshalb wollte ich mich ursprünglich auch aufs Theater konzentrieren. Und im Kino ist nun mal der Erfolg an der Kasse ein Maßstab, wie die Leute auf deine Arbeit reagieren. Für mich persönlich geht es darum: Liebe ich den Film? Bin ich stolz, mitgemacht zu haben? Und werden ihn die Zuschauer mögen?

Wobei Sie auch Filme gedreht haben, die sich mit Rassismus, Justizskandalen oder Homophobie auseinandersetzten – etwa „Glory“, „Hurricane“ oder „Philadelphia“. Sind solche Themen nicht für Rollenentscheidungen wichtig?

Washington: Wenn ich einen Film drehe, dann denke ich nicht an mögliche Botschaften oder Themen. Ich lese das Drehbuch und interpretiere die Rolle. Ich möchte einfach nur die Figur richtig hinbekommen. Wer ist dieser Mann? Woraus bezieht er seine Existenzberechtigung? Warum glaubt er, dass er sich so und so verhalten muss? Das sind die wichtigen Fragen für mich. Was dann eine Geschichte an weiterführenden Aussagen bietet, muss allein der Zuschauer entscheiden. Darum kann ich mich nicht kümmern. 

Sie denken auch nicht an die aktuelle politische oder gesellschaftliche Situation, wenn Sie einen Film drehen?

Washington: Nein. Weil mir das eben nicht hilft, eine Figur zu erschaffen. Es spielt keine Rolle, wie es aktuell auf der Welt zugeht oder was die Leute dabei empfinden. Auf ihre Gedanken will ich auch keinen Einfluss nehmen. Allein die Zuschauer sollen sich ihre Meinung bilden. Ich konzentriere mich auf die spezifischen Details einer Rolle, und wenn die dann für andere eine universelle Bedeutung annehmen, dann liegt das daran, dass ich diese Einzelheiten richtig hinbekommen habe.

Davon abgesehen – worin liegt der Schlüssel zu Ihrer Vorgehensweise als Schauspieler?

Washington: Ich will ehrlich und wahrhaftig sein und den Moment ganz bewusst erleben. Alles andere ergibt sich automatisch daraus. Ich überlasse mich dann diesem Fluss. Ich spiele dabei nicht für die Kamera. Eigentlich nehme ich sie kaum wahr. Denn letztlich tut sie nichts anderes, als mein Spiel einzufangen. Wenn ich also lüge oder nur simuliere, dann ist das genau das, was im Film landet. Aber ich hoffe natürlich, dass ich Authentizität vermittle.

Auch wenn Sie mit Ihren Rollen nicht zwingend ein Vorbild sein wollen, so dürften Sie das dank Ihrer Karriere für junge Schauspielerinnen und Schauspieler sein. Wie gehen Sie damit um?

Washington: Ich will mich nicht großartig zum Mentoren stilisieren. Aber ich vermittle gerne meine Erfahrungen, wenn man mich danach fragt. Und das ist ein natürlicher Prozess. Als junger Schauspieler hast du noch nicht so viel Ahnung, und wenn du dann älter wirst, kannst du eben auf mehr Erkenntnisse zurückgreifen, während eine Generation nach der anderen nachkommt. Und denen vermittle ich das eben, wenn sie es von mir wissen wollen. Ich habe das ja auch selbst erlebt, als ich am Anfang meiner Karriere stand. Es gab Menschen, die ich respektiert und deren Meinung ich vertraut habe, und so war ich froh, dass ich denen Fragen stellen konnte.

Sie sind auch seit 30 Jahren der nationale Sprecher für die Boys & Girls Clubs of America. So gesehen müssen Sie diesem Austausch mit der jüngeren Generation etwas abgewinnen.

Washington: Ich habe eben auch die Verantwortung, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben. Ich bin sehr froh, dass wir inzwischen 5000 von diesen Clubs haben, wo sich junge Menschen nach der Schule betätigen können. Denen erzähle ich in meinen Vorträgen gerne, wie wichtig Kreativität für das Leben ist. Dieser Austausch macht mir sehr viel Freude. Denn ich habe verstanden, mit wie viel Optimismus diese Kids in die Zukunft schauen. Unsere Generation der Alten ist zum Teil viel desillusionierter und zynischer.

Welche Hoffnungen hatten denn Sie als junger Schauspieler?

Washington: Ich wollte einfach nur Rollen bekommen, damit ich meine Rechnungen bezahlen konnte. Und das war für einen Afroamerikaner wie mich schwierig genug. Denn für jeden Job gab es unzählige Bewerber. Das war noch ganz anders als heute. Das Rollenangebot für alle Ethnien und Geschlechter ist inzwischen immens. Und ich kann im Film Figuren spielen, die früher für mich undenkbar gewesen wären – einen Macbeth zum Beispiel. Seinerzeit dagegen existierten Hauptrollen für jemand wie mich nicht – höchstens, wenn ich Komödien gemacht hätte. Der letzte große afroamerikanische Star war Sidney Poitier. Sonst gab’s da niemand, dem ich hätte nacheifern können. Wobei ich, wie gesagt, ohnehin lieber Theater spielen wollte. Und ich hätte mir damals nie träumen lassen, dass ich in Sidneys Fußstapfen folgen würde. 

Sie kannten Ihn doch auch persönlich?

Washington: Ja, wir waren eng befreundet. Ich habe ihn oft bei sich zu Hause besucht und mich lange unterhalten. Er war jemand, zu dem ich aufgeschaut habe, und gleichzeitig konnte ich mich mit ihm über alles austauschen. Wir hatten großartige Gespräche. 

Können Sie erklären, warum Sie dann letztlich doch so einen Status wie er erreichten?

Washington: Das war alles eine Frage der Zeit. Und es hat ganz schön lange gedauert. Es gab keine Schnellstraße für mich. Ich habe mich einfach darauf konzentriert, dass ich die nächste Rolle bekam und dann die nächste. Und ich hatte das Glück, dass ich in einigen sehr starken Filmen mitwirken durfte. Aber das war eben ein Prozess, keine spektakulären Durchbrüche.

Wie reagieren Sie, wenn Leute zu Ihnen aufschauen und Sie mit Lob überschütten?

Washington: Lob höre ich gerne. Aber es ist nicht so, dass man mir ständig unter die Nase reibt, wie großartig ich bin. Und Lob steigt mir auch nicht zu Kopf. Ich weiß, dass mein Ego keine Rolle spielt. Abgesehen davon sorgt meine Frau schon dafür, dass ich keinen Größenwahn entwickle. Und ich selbst achte ganz bewusst darauf, dass ich nicht die Bodenhaftung verliere. Letztlich bin ich einfach nur ein Mensch, egal, welches Etikett man mir verpasst. 

Inwieweit spielt finanzieller Erfolg für Sie persönlich eine Rolle – abgesehen davon, dass er zeigt, wie das Publikum Ihre Filme mag?

Washington: Für mich war es entscheidend, dass ich meine Rechnungen zahlen kann. Dafür musste ich eben entsprechend verdienen. Denn ein guter Anwalt hat mir beigebracht, dass ich wegen der Steuer das Doppelte von dem einnehmen muss, was ich ausgebe.

Ihr Vermögen haben Sie ja mit Kinorollen gemacht. Kann es sein, dass in der Streaming-Ära die Tage der Leinwandspektakel gezählt sind?

Washington: Das glaube ich nicht, auch wenn man zwischenzeitlich etwas anderes prognostiziert hat. Man sieht doch, dass die Leute jetzt wieder ins Kino gehen. Denn dieses Erlebnis, wenn du mit vielen anderen in einem dunklen Raum sitzt, ist durch nichts zu ersetzen. Garantiert nicht dadurch, dass du zu Hause auf deinem Allerwertesten hocken bleibst.

Und Sie werden auch nie die Lust an Ihrem Job verlieren?

Washington: Der Zeitpunkt, als diese Gefahr mal drohte, ist viele Jahre her. So habe ich damals dann Regie geführt und ich habe begriffen: Im Vergleich dazu ist die Schauspielerei so viel einfacher.

 
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