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Interview
Cynthia Nixon: "Die 50er können wie eine zweite Jugend sein"
Cynthia Nixon ist wieder als Miranda in "And Just Like That" zu sehen, der Nachfolge von "Sex and the City". Sie spricht über Midlife-Krisen und sagt, was sie von ihrer Serienfigur gelernt hat.
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Foto: RTL / ©2021 WarnerMedia Direct | "And Just Like That": Cynthia Nixon (links), Sarah Jessica Parker und Kristin Davis sind wieder als beste Freundinnen zu sehen.
Rachel Kasuch
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:27 Uhr

In “And Just Like That” sehen wir Miranda in Los Angeles. Was passiert dort mit ihr? 

Nixon : Die Idee war, zu zeigen, dass New York eher ernsthaft ist, während L. A. ein wenig verrückt und unkonventionell ist. Wir sehen, dass Miranda in New York an ihre Grenzen kommt und mit den Nerven am Ende ist. Sie denkt sich deshalb, dass ein wenig Zeit am Strand ihr guttun könnte. Aber am Ende des Tages merkt sie, dass sie irgendwann wieder zurückkehren muss zu ihren Wurzeln und zum wirklichen Leben. Für Menschen wie mich, die nicht in L. A. leben, fühlt es sich immer so an, als würde man dort vor dem wahren Leben flüchten. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass es dort den normalen Lebensalltag gibt.

Miranda hat Schwierigkeiten, ihre sexuelle Orientierung in Worte zu fassen oder in eine Kategorie zu stecken. Wie sehen Sie das?

Nixon : Es ist lustig, weil wir eine ähnliche Situation auch in ‘Sex and the City’ hatten, als Samantha ihre lesbische Phase hatte. Die anderen Frauen haben sich damals gefragt: Kann man einfach so von heute auf morgen entscheiden, dass man plötzlich auf Frauen steht? Auf einmal ist man lesbisch, ohne vorher jemals darüber nachgedacht zu haben. Und so ähnlich geht es Miranda. Sie versucht irgendwie, ihr Gefühlschaos einzuordnen und zu verstehen, was wirklich in ihr vorgeht.

Sie spielen Miranda schon seit 25 Jahren. Was haben Sie von ihr gelernt? 

Nixon: Ich habe von ihr gelernt, selbstbewusster zu sein und offen zu meinen Ansichten zu stehen. Ich traue mich jetzt mehr, für mich und meine Meinung einzustehen und zu kämpfen.

Welchen Ratschlag würden Sie Miranda geben? 

Nixon: Ich würde ihr raten, liebevoller und verständnisvoller mit sich selbst umzugehen und sich nicht so fertigzumachen, nur weil ihr Ex-Mann sauer ist oder ihr Kind durch eine schwere Phase geht. Sie weiß noch nicht, wie ihr nächstes Kapitel aussieht, aber ich würde ihr raten, auf das zu vertrauen, was das Leben für sie bereithält. Was sie durchstehen muss, ist wirklich schwierig. Und ja, vielleicht hat sie nicht alles perfekt gelöst und hat Fehler gemacht, aber sie kämpft um ihr Leben. Auch wenn sie am nächsten Morgen aufwacht und keine Ahnung hat, was der Tag bringt, sollte sie gelassener und verständnisvoller mit sich umgehen. Sie sollte sich selbst lieben, sich verzeihen und sich vor allem mehr Zeit geben.

Wie auch in “Sex and the City” kann der Zuschauer etwas lernen: Mit 50 ist das Leben noch lange nicht vorbei … 

Nixon: Ich habe das Gefühl, dass diese Zeit im Leben einer Frau in ihren 50ern und darüber hinaus fast wie eine zweite Jugend sein kann. Sicherlich passiert in der Zeit viel mit den Hormonen einer Frau, aber genauso versuchen sie herauszufinden, wer sie wirklich sind. Das ist mit der Zeit als Teenager durchaus zu vergleichen. Frauen haben in ihren 50ern oft den Punkt in ihrer Karriere erreicht, an dem sie Erfolg haben und sich fragen, ob es noch mehr für sie gibt oder ob sie wirklich glücklich sind. Viele wollen die Zeit nutzen, um noch eine positive Veränderung hinzukriegen. Dasselbe gilt auch, wenn man sich das Eheleben vieler Frauen ansieht. Und wenn sie Kinder haben, sind diese in der Regel bereits erwachsen oder auf dem Weg dorthin. Es ist eine Zeit, in der sich Frauen wirklich auf ihr Leben konzentrieren können – aber hoffentlich mit etwas mehr Weisheit im Vergleich zu Teenagern. 

"Sex and the City" ist jetzt 25 Jahre alt, aber mit "And Just Like That" und einer Vielzahl von brillanten Podcasts lebt die Erinnerung weiter. Warum, denken Sie, trifft die Serie so einen Nerv in der Gesellschaft? 

Nixon: Ich glaube, "Sex and the City" war eine Art perfekter Mix aus wunderbaren Zutaten. Sicherlich sind alleine die Serienfiguren sehr stark und aussagekräftig. Ich denke, jeder Mensch interessiert sich für Sex und welche Art von Sex andere Menschen haben und was in anderen Schlafzimmern passiert, aber ich denke, dass die Serie immer in der Realität verwurzelt war und dass alle Handlungsstränge aus den Geschichten unserer Drehbuchautoren oder dem Umfeld der Autoren kamen. Hinzu kommen die exzellente Kamera-Arbeit, die Klamotten und all die anderen schönen Dinge, die man beim Zusehen bewundern kann. Am Ende ist es aber so, dass wir mit sehr starken Charakteren begonnen haben, die nicht nur Freunde waren, sondern auch über die Hürden im Leben gesprochen haben. Wir haben diesen Charakteren erlaubt zu wachsen, sich zu entwickeln, zu altern und sich zu verändern. Und ich denke, dass das der Grund ist, warum die Serie bis heute so beliebt ist.

Wenn Sie zurückblicken, gibt es eine bestimmte Szene, auf die Sie besonders stolz sind, weil sie ihrer Zeit voraus war?

Nixon: In Bezug auf eine Szene, auf die ich besonders stolz bin, muss ich sagen, dass ich am meisten stolz darauf bin, dass wir durch die Serienfiguren die Grenzen zwischen einer Jungfrau und einer ‘Hure’ zum Verschwimmen gebracht haben. Es war in der Serie nie so, dass es nette Mädchen gab, die nicht viel Sex hatten oder nicht daran interessiert waren, und dann gab es gierige sexuelle Wesen, die mit einem Etikett wie ‘Schlampe’ oder Ähnlichem versehen wurden. Es war so, dass wir liebenswerte Frauen gezeigt haben, die an Sex interessiert waren und viel Sex mit vielen verschiedenen Partnern hatten. Wir sind eine feministische Show, aber wir zeigen nicht auf übertriebene Art und Weise, wie fantastisch und perfekt Frauen sind. Frauen sind natürlich großartig, aber manchmal eben auch nicht. Manchmal sind sie selbstzerstörerisch oder enttäuschend oder was auch immer. Das bedeutet aber nicht, dass wir sie nicht lieben und uns mit ihnen identifizieren dürfen. Aber wir identifizieren uns nicht mit ihnen und lieben sie nicht, nur weil sie perfekt sind, sondern vielmehr weil sie bewundernswerte und auch fehlerhafte Eigenschaften haben.

Hat Miranda in der neuen Staffel mit einer Art Midlife-Crisis zu kämpfen?

Nixon: Ich glaube, wir alle haben ein gewisses Vorurteil im Kopf, wenn es um eine Midlife-Crisis geht, oder? Wir sehen dann einen Mann, der seine Frau verlässt für eine 21-Jährige, während er einen roten Flitzer fährt. Für mich ist eine solche Midlife-Crisis ein unrealistisches Festhalten an der Jugend, die längst verblasst oder vergangen ist. Gleichzeitig denke ich, dass eine Midlife-Crisis nicht unbedingt eine Panik auslösen muss. Eine Midlife-Crisis kann ein Moment sein, in dem man auf sein Leben blickt und sieht, dass mehr hinter einem liegt als vor einem. Ich habe einen bestimmten Punkt in meinem Leben erreicht, an dem ich ein Resümee meines Lebens ziehe, das mir nicht gefällt. Das will ich ändern, indem ich zum Beispiel ein Glücksspielproblem entwickle oder was auch immer. Man kommt vielleicht an einen Punkt, an dem man tatsächlich sagt: Diese Ehe ist vorbei. Das habe ich vielleicht lange ignoriert, weil ich die Zeit damit verbracht habe, Anwältin zu sein und die Karriereleiter hinaufzuklettern, um die Position, das Gehalt und die Autorität zu haben. Aber ich möchte nicht sterben und auf meinem Grabstein stehen haben: Hier liegt Miranda, sie war eine Anwältin. Ich denke, die Kombination aus ihrem Alter, ihrer Ehe, die in eine Sackgasse geraten ist, sowie die Wahl von Donald Trump und die Black-Lives-Matter-Bewegung, haben all diese Dinge in Miranda ausgelöst. Wenn ich kein Teil der Lösung bin, bin ich Teil des Problems. Und weil ich ein Teil des Problems bin, werde ich etwas grundlegend ändern.

Wie viel Miranda steckt wirklich in Ihnen?

Nixon: Es ist eine wirklich lustige Sache: Als wir 1997 die Pilotfolge gedreht haben, konnte ich kaum Gemeinsamkeiten mit Miranda finden. Sie war kein Teil von mir. Zuvor habe ich vor allem Mauerblümchen und eher schüchterne Frauen verkörpert – also sehr unterschiedlich zu Miranda. Zudem war ich in einer langfristigen Beziehung, war bereits Mutter und eine Karrierefrau. Aber ich war sicherlich nicht eine Aufsteigerin in einer männlichen Branche, wie sie das war. Ich war dagegen fast wie eine Hausfrau, was bei Miranda überhaupt nicht zutrifft. Wir waren uns dementsprechend fast überhaupt nicht ähnlich. Wir beide sind vielleicht lediglich intelligent und karriereorientiert, aber das war’s auch schon. Nachdem insgesamt rund sechs Jahre vergingen und wir die letzten Episoden der sechsten Staffel drehten, sagte ich jedoch plötzlich zu einem Reporter: Ich bin in jeder Hinsicht wie Miranda. Ich war ihr plötzlich nähergekommen und habe viel mehr Gemeinsamkeiten gefunden. Miranda hatte ein Kind, war verheiratet und ist in gewisser Weise sesshaft geworden. Sie hat ihre häuslichen und fürsorglichen Qualitäten entdeckt. Ich habe gleichzeitig auch viel von ihr gelernt. Ich habe wirklich gelernt, mehr auf meine Meinung zu vertrauen und offener und konfrontativer zu sein, um für meine eigene Meinung einzustehen.

Wenn Sie auf Miranda von vor 25 Jahren blicken, was geht Ihnen dann durch den Kopf? Hätten Sie jemals gedacht, dass Sie durch die Rolle zu einer feministischen Ikone und zu einem Aktivismus-Vorbild werden? Ist das organisch passiert oder war es geplant?

Nixon: Wenn ich Aufnahmen von vor 25 Jahren sehe, erkenne ich mich da selbst kaum wieder. Mittlerweile habe ich drei Kinder, aber mein zweites Kind sieht mir besonders ähnlich. Sein Name ist Charlie und er sieht genau so aus wie ich. Wir haben das gleiche Gesicht, aber er ist eben viel jünger. Er ist 20 Jahre alt. Und wenn ich jetzt alte Aufnahmen von mir sehe, denke ich immer, dass ich Charlie sehe – Charlie mit roten Haaren. Ich denke, das Schöne an Miranda ist, dass ich immer mit all ihren Meinungen einverstanden war. Sie konnte aber auch unglaublich streng und provokant sein, wenn sie ihre Meinung vertreten hat. Für mich war das tatsächlich sehr hilfreich, weil es gezeigt hat, dass es bei manchen Frauen eine wirkliche Schwachstelle gibt, wenn es darum geht, seine Meinung zu sagen. Viele fühlen sich dann unsicher oder ängstlich. Es ist wirklich interessant, zu beobachten, wie Miranda über Männer und Frauen, Ungleichheit und faire Behandlung spricht. Sie hatte schon damals extrem feministische Ansichten.

 
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