
Herr Klaußner, der Film „Die Unschärferelation der Liebe“ ist auf Ihre Initiative hin entstanden. Sie haben das Stück „Heisenberg“, das dem Drehbuch zugrunde liegt, mit Caroline Peters bereits am Theater gespielt. Warum war es Ihnen wichtig, den Stoff ins Kino zu bringen?
Burghart Klaußner : Weil ich das Gefühl hatte, dass es immer filmischer wurde, je länger wir es spielten. Die Geschichte schrie nach der Leinwand. Wir haben das Stück in Düsseldorf rausgebracht und später auch noch in Wien am Burgtheater gespielt. Es wurde überall gut angenommen. Da habe ich gedacht: Ja, Kinder, das muss man einem breiteren Publikum zeigen! Dann ging die Suche nach Finanzierungs- und Produktionsmöglichkeiten los. Sechs Jahre hat das gedauert. Deshalb gibt es nun diesen Film. Ich dachte, man könne das nicht nur am Theater einem sehr begrenzten Publikum zeigen. Das müssen Millionen sehen. (lacht)
Auf Gretas Frage, warum er Metzger geworden sei, antwortet Alexander: „Weil ich Tiere mag.“ Warum sind Sie Schauspieler geworden?
Klaußner: Weil ich Menschen mag! Das ist ganz einfach weiterzudenken. Weil ich Menschen mag und das Bild des Menschen einfach so spannend und ewig neu finde. Das ist einfach so. Wenn man das als Berufsfeld hat und auf das Material schaut, sind da mehrere Milliarden, die vorbeimarschieren. Jeder ist anders, das ist schier unglaublich. Diese Fülle und dieses Besondere haben mich immer fasziniert. Aber natürlich reizt es einen auch, sich zu zeigen – vor allen Dingen, wenn man jung ist. Ich sage das immer, wenn ich mit Schauspielschülern arbeite. Bei denen sehe ich oft, dass sie ihre Seele zeigen wollen. Etwas, was man nicht so leicht erkennen kann und nicht so leicht zeigt. Das ist ein schöner Vorgang am Theater. Man kann sich da ganz zeigen. Anders, weiter, größer und vielfältiger als im normalen Leben. Das sind die Gründe.
Werden Sie öfter von Fremden auf der Straße angesprochen?
Klaußner: Das kommt durchaus vor, ja. Auf jeden Fall. Meistens ist es sehr angenehm und nett. Man staunt darüber, was die alles von einem wissen, gesehen und gelesen haben. Auch auf mein Buch, an dem ich sehr hänge, werde ich relativ häufig angesprochen
War es für Sie als Prominenter schwierig, neue Freundschaften zu schließen, weil man die Intentionen eines Menschen nicht kennt, der einem begegnet?
Klaußner: Also für so prominent, dass es solche Schwierigkeiten erzeugt, halte ich mich nicht. Ich bin sowieso nicht besonders prominent. Ich bin eher so ein Spezialschauspieler für Sonderaufgaben, die manchmal vielleicht sogar ein bisschen schwierig sind. Sozusagen ein Einsatz-Klaußner: Kommen Sie mal, machen Sie mal hier, das wird gerade gebraucht. Neue Freundschaften zu schließen, ist im Leben sowieso nie ganz einfach. Kinder können das toll, das ist ja deren großer Vorzug. Aber aufgrund von Prominenz habe ich, glaube ich, damit keine Schwierigkeiten.
Alexander sagt: „Ich fühle nicht, ich denke.“ Was für eine Mischung aus Kopf- und Bauchmensch sind Sie?
Klaußner: Sagen wir mal so: Für mich gilt beides. Für Alexander ist es aber ein polemischer Satz gegen diese ewige Gefühle-Quatscherei. Die Temperaturen müssen schon gefühlt und nicht mehr objektiv sein. Alles geht über dieses: „Ich habe ein Bauchgefühl dahin und dorthin.“ Diese Art von Willkürlichkeit und auch Dummbeutelei stößt Alexander auf: „Ich fühle nicht, ich denke.“ Das ist wunderbar, das gibt es natürlich. In dieser Situation will er das halt so zuspitzen.
Heutzutage lernen sich die Menschen verstärkt online kennen. Mit welchen Gefühlen beobachten Sie diese Entwicklung?
Klaußner: Oh, mit durchaus positiven Gefühlen. Wenn das funktioniert, finde ich es toll. Wie haben sich die Leute früher kennengelernt? Oft in der nächsten Umgebung und manchmal in den Ferien. Aber bei vielen blieb dann doch immer so ein Gefühl zurück: Ist das jetzt schon das Ende der Fahnenstange, das Ende der Suche? Kommt da noch was? Diese Möglichkeit, andere Leute in dem Ausmaß kennenzulernen, zu sehen und ihre Vorlieben zu prüfen und zu vergleichen, finde ich großartig. Unser Film handelt ja von der Unwahrscheinlichkeit der Begegnung dieser zwei Menschen. Aber Alex und Greta könnten sich vielleicht auch im Internet kennenlernen und auf irgendeinen positiven Aspekt abfahren, hinter dem sich dann vielleicht doch ein Abgrund auftut.
Gehen Sie meistens mit der Zeit oder sind Ihnen Trends egal?
Klaußner : Ich gehe mit der Zeit, soweit es vernünftig ist. Ich gehe aber sicher nicht nach Moden. Bestimmte Entwicklungen sehe ich natürlich mit Skepsis. Die Entwicklung in unserer Sprachlandschaft ist wirklich nicht nur Freude machend. Die ganze Genderei ist ein großes Thema, auch wenn ich nicht grundsätzlich dagegen bin. Diese Frage wird vor dem Hintergrund gestellt, wie man gerecht miteinander umgeht. Dabei darf man aber die Schönheit des Umgangs und der Sprache nicht vergessen. Man muss ein bisschen darauf achten, dass man nicht aus lauter politischer Korrektheit jede Art von sprachlicher Schönheit über Bord schmeißt, nur um irgendetwas zu beweisen. Überhaupt ist das Problem mit unserer Sprache nicht zu übersehen. Sie nimmt in ihrer Vielfältigkeit und Deutlichkeit ab. Das ist nicht nur der Migration, sondern natürlich auch anderen Faktoren wie zum Beispiel dem Internet geschuldet. Wenn wir lesen, dass Kinder nicht mehr in dem Ausmaß lesen können, ja, warum wohl? Weil sie gar nicht mehr von Anfang an Buchstaben, sondern eher Bilder verfolgen! Da gibt es viele Gründe. Bei diesem Thema bin ich natürlich nicht im Trend und sage nicht, dass wir das alles mitmachen müssen.
Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt?
Klaußner : In den Ferien. (lacht) Im Urlaub in Griechenland, was eines der schönsten Länder ist und wo ich demnächst auch noch mal hinfahren werde. Ich liebe es dort, das sind so wunderbare Menschen. Ja, so kam das.
Alexander hat keine Angst vor dem Tod, weil ihm seine verstorbene Schwester erzählt, wie es ist. Teilen Sie seine Furchtlosigkeit? Und was erwarten Sie danach?
Klaußner : Das sind ja hier die letzten Fragen, die Sie uns stellen – mir und meinem Alter Ego Alex. Ich teile nicht ganz, was er da behauptet. Ich bin auch nicht sicher, dass er selbst ganz sicher ist, dass er keine Angst vor dem Tod hat. Aber gut, warum nicht? So was gibt es natürlich. Bei mir ist es ein bisschen anders, würde ich sagen. Es ist aber, wie bei vielen Menschen, eher die Angst vor dem Sterben als vor dem Tod. Wir müssen sehen, dass wir endlich eine vernünftige Kultur dafür entwickeln und es den Menschen leichter gemacht wird, abzutreten. Da ist Alex natürlich bevorteilt, weil er Zwiesprache mit dem Jenseits hält. Das sind Köstlichkeiten dieses Drehbuches, bei denen man sich nicht lange aufhält, weil man sagt: „Ja, warum nicht?“
Wäre es dieser Tage nicht sehr schwierig, die Geschichte mit umgekehrten Rollen zu erzählen, mit dem älteren Mann als „Eroberer“ der jungen Frau?
Klaußner : Ich muss sagen, dass ich darüber nie nachgedacht habe. Ich habe diese quasi mathematischen Spiele gar nicht angestellt und es genommen, wie es ist. Das ist ja oft das Beste. Alex weiß am Anfang gar nicht, wo ihm der Kopf steht. Dem fliegt die Birne weg, mehr oder weniger. Das ist natürlich schon eine so herrliche Situation, dass ich gar nicht auf die Idee kam, es irgendwie mal im Kopf umzudrehen. Aber das könnte man natürlich tun und diese Frage stellen, klar. Wir beide können darüber spekulieren, wenn Sie wollen. Ich sehe es auch so wie Sie. Das wäre sicherlich etwas merkwürdig. Man müsste sich dann allerdings auch einen männlichen Charakter vorstellen können, der sich um Kopf und Kragen redet und an der Bahnsteigkante lebt – da kommt das Wort „Borderline“ ins Spiel. Aber dafür bestand für mich, ehrlich gesagt, kein Anlass.
Sie stehen seit 40 Jahren vor der Kamera. Wann haben Sie zum letzten Mal eine Rolle gespielt, nur um Ihre Rechnungen bezahlen zu können?
Klaußner : Selten, muss ich sagen. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit dem Verlauf der Performance. Das ist mir erspart geblieben. Es kam ganz selten vor, dass ich dachte: So, jetzt mache ich hier mal … Das habe ich vermeiden können und wollen. Es gibt ja Sachen, die man einfach nicht machen will. Dann geht man vielleicht lieber Eis verkaufen oder so. Aber auch das war nicht nötig. Ich habe mich ganz gut durchgewurstelt. Nehmen Sie es so. Oft habe ich Glück gehabt. Manches habe ich gekonnt. Manches oder sogar vieles habe ich falsch gemacht. Wenn Sie jetzt fragen: was?, kann ich sagen, man hätte früher und öfter mal fünfe gerade sein lassen können. Dazu war ich aber zu sehr Perfektionist. Ob das immer richtig ist, bleibt mal dahingestellt. Es ist aber so: Diese Geschichte ist für mich gewissermaßen auch ein neues Fach. Jemand, der als Liebhaber gesucht wird und der sich auch als gar nicht so schlechter Liebhaber entpuppt, ist jetzt Gott sei Dank endlich mal auf der Agenda angekommen.
Täuscht der Eindruck, oder treten Sie in den letzten Jahren etwas kürzer?
Klaußner : Ich hatte zuletzt dankenswerterweise im „Tatort“ München (Anm.: „Hackl“) eine wunderbare Figur zu spielen. Das war sozusagen die letzte Arbeit. Da ich mit meiner Musikgruppe auftrete, schreibe und Theater spiele, ist es sowieso die Frage, wie man das alles gewichtet. Ich bin zu neugierig auf alles, das verbraucht viel Zeit.