
Die beflügelnden Tage fern von zu Hause gehen zu Ende. Aber wie immer, wenn ich von einer beruflichen oder privaten Reise heimkomme, bringe ich irgendetwas mit in meinen Berliner Lebensraum. Nein, kein kitschiges Rumstehchen, das nach einer Weile verstaubt und anschließend in den Müll wandert, sondern etwas Genussvolles, mit dem ich die hinter mir liegenden Urlaubstage am Küchentisch oder auf dem Sofa noch mal nachschmecken kann.
Was gibt es Feineres, als mit seinen Liebsten nicht nur die erzählten Geschichten und Fotos auf dem Smartphone zu teilen, sondern auch die Gerüche, Düfte und Besonderheiten uns fremder Küchen zu kosten. Hast du uns was mitgebracht? Das fragen nicht nur die Kinder. Es geht doch nichts über einen gedeckten Tisch mit ein paar Leckereien, um sie gemeinsam zu genießen. Geteilte Freude ist doppelte Freunde.
Die ersten Macarons probierte ich bei Sprüngli. Sie waren rosenrot und zimtfarben. Sie passten genau auf die Zunge. Nicht zu groß und nicht zu klein. Und der Himmel tat sich auf über dem Paradeplatz in Zürich. Dieses Knistern! Dieser Schmelz! Ein Ereignis, das sich seither wiederholt, sobald ich in der Stadt bin und die wunderbare Confiserie in Sichtweite kommt. Ich kaufe ein. Auf den Rückflug wartend verdrücke ich die eine Hälfte der puderfarbenen Makronen verstohlen schon auf dem Flughafen hinter einer der Säulen, um meine glückliche Gier vor den Mitreisenden zu verbergen. Die anderen befinden sich weich gepolstert im aufgegebenen Koffer und kommen trotzdem garantiert wieder ziemlich derangiert als größere Oblaten zum Vorschein. Eisgekühlt aber sind sie köstlich, und alle fallen darüber her.
Bin ich auf Mallorca, stehe ich bald in der Hauptstadt Palma vor dem Schaufenster der weltweit allerschönsten Bäckerei Fornet de la Soca. Von dort draußen schaut man wie in ein reich illustriertes Märchenbuch. Drinnen sind Engel am Werk und vor allem Tomeu Arbona, um all die duftenden Kuchen und süßen Teilchen zu backen, die so herrlich duften und zum Anbeißen aussehen. Auch die berühmteste Schnecke der Insel kann man dort kaufen. Sie ist aus federleichtem Schmalzteig, pur mit Puderzucker bestäubt oder mit saftigen Aprikosen belegt. Vorsichtig wird sie in einen schönen flachen Karton gebettet, so fluffig und taufrisch wie sie ist, muss aber warten bis Berlin. Eine Ensaimada nehme ich immer mit nach Hause.
Die Sarden sind Meister im Brotbacken. Es gibt unzählige regionale Sorten, die man gern morgens zum Frühstück hätte. Aber beim Pane Carasau halte ich die Luft an. Mal rund, mal quadratisch, finde ich mit etwas Ausdauer das hauchzarte von Hausfrauen gemachte Trockenbrot aus Weizengrieß und Hefe noch immer in irgendeiner Bäckerei. Halte ich es gegen das Licht, scheint mild und golden die Sonne hindurch, so dünn ist es. Darum hat ein poetischer Mensch das Pane Carasau auch Carta da Musica getauft: Notenpapier. Obwohl es das geröstete Fladenbrot inzwischen auch in italienischen Feinkostläden bei uns gibt, muss es für mich das hausgemachte Mitbringsel sein. Seit meinem ersten Sardinien-Besuch vor vielen Jahren weiß ich, wie schnell Urlaubsträume zerbrechen. Also gaanz gaanz vorsichtig damit!
Auf dem Rückweg von London gebe ich immer mein Gepäck auf, so klein der Koffer auch ist. Ich muss nämlich unbedingt jedes Mal zu Neal’s Yard Diary!. Entweder gehe ich in eines der drei Geschäfte oder doch auf den quirligen Bourough Market südlich der Themse. Der ist für Foodies ein Erlebnis. Wer dort bei den Käseaffineuren von Neal’s Yard nicht fündig wird, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Allein die Vielfalt an Cheddar, die allesamt nichts mit den bei uns oft angebotenen möhrengefärbten Teilen zu tun haben, ist überwältigend. Für besondere Freunde bringe ich gern den „Stinking Bishop“ mit, einen Weichkäse, der seinem Namen alle Ehre macht. So was gehört nun wirklich nicht ins Handgepäck.
Wer sagt denn, dass die Schweiz das alleinige Schokoladenland ist? Bei Fazer in Helsinki ist die seit 1922 gefertigte Vollmilchschokolade Fazerin Sininen (Fazers Blaue) mein absoluter Favorit, wobei man sagen muss, dass das Unternehmen einst von dem Schweizer Karl Fazer gegründet wurde. Als einer der vielen Zuckerbäcker, die im 19. Jahrhundert aus ihrer Schweizer Heimat in die Welt hinauswanderten, eröffnete Karl Fazer 1891 ein russisch-französisches Café im finnischen Helsinki. Das gibt es immer noch. Das süße Angebot wuchs und mit ihm das Unternehmen. Fazer ist immer noch familiengeführt. An der Schokolade komme ich jedenfalls nicht vorbei, zuletzt am Flughafen. Einpacken!
Wenn ich meine Freundin Astrid in Lappland besuche, dann frage ich als Erstes, was es zum Abendessen gibt. Das geht so, seit Astrid mich einmal mit Löjrom und Schmand samt fein geschnittener Zwiebelchen auf Knäckebrot fütterte. Löjrom ist ein feinperliger aprikotfarbener Maränen-Kaviar. Ganz oben in Nordschweden vor der Küste der Provinz Norrbottens wird die kleine Lachsart für nur fünf Wochen im Jahr von Ende September an wegen dieses Kaviars gefischt. Was mache ich? Ich besuche meine Freundin in ihrem falunroten Häuschen im Herbst. Dann sind auch die Mücken weg, und der neue Löjrom ist da. Von Kühlelementen flankiert kommen die kleinen Eier wohlbehalten und immer noch gefroren in Berlin an.
In Brüssel bin ich leider allzu selten. Es sei denn, es gibt mal eine tolle Ausstellung. Was es immer gut und zwar von ausgesuchter Güte gibt, das sind Spekulatius. In Belgien heißen sie Speculaas oder Speculoos, je nach Landstrich. Die zerbrechlich mürben mit Motiven geprägten duftenden Kekse wurden inzwischen sogar zum Erbgut der Stadt erklärt. Dabei ist gar nicht klar, wer sie eigentlich erfunden hat. Es gibt sie mit Gewürzen und ohne und das seit bald 200 Jahren. Deshalb gehe ich immer zu Dandoy, einem Traditionsunternehmen seit 1829, und stopfe mir die Tüten voll, egal ob Weihnachten ist oder nicht. Diese Spekulatius schmecken immer, nur ordentlich Butter muss drin sein. Die Bäcker müssen es ja wissen.
Nach Lissabon zieht es mich immer wieder. Kaum eine Stadt ist so sehr dem Wasser zugewandt wie Portugals Hauptstadt dem Tejo. Da muss man einfach Fisch essen. Und da man den frischen Fang nicht einfach einpacken kann, sind Sardinen in Dosen das perfekte Mitbringsel. In den sechs Shops der Firma Comur taucht man ein in die Welt der Sardine. Das hatten sich die kleinen Schwarmtiere jedenfalls nicht träumen lassen, dass sie mal eine so große Karriere machen und von Touristen in alle Welt getragen werden. Der Konservenveteran Comur in Murtosa presst an der Lagune Ria de Aveiro seit 1942 Fische in Dosen. Seine Läden gleichen romantischen Zirkusarenen oder Jahrmärkten. Es drehen sich die Sardinendosenkarussells. Kunterbunte flache Dosen mit allerliebsten Motiven pflastern die Wände. Sogar Jahrgangssardinen gibt es. Was für ein herrliches Theater! Die Sardine ist der Star in der perfekten Vintage-Dose. Aber wenn der Kühlschrank zu Hause mal gar nichts mehr hergibt, wird auch die allerschönste Dose dem Hunger geopfert.
Lange war ich nicht mehr in Istanbul, aber nie vergesse ich, wie mich Nadir Güllü zuschauen ließ, wie seine Männer das Baklava zubereiteten. 14 Häute hauchdünnen Blätterteigs werden geschichtet und immer wieder mit gehackten Pistazien bestreut, dann in Rauten geschnitten und geschmolzene Butter drübergegeben. Ab in den Ofen bis alles goldgelb ist und dann recht schnell Zuckersirup mit Zitrone drüber. Wie das knistert. Und wie man es isst? Auf eine Gabel spießen und mit der Unterseite auf die Zunge geben. „Dann ist die Pistazien näher am Gaumen“, hatte Herr Güllü gesagt, der „Mister Baklava“ von Istanbul. Seitdem liebe ich das süße Gebäck. Istanbul sowieso. Zu gern würde ich mal wieder hinfahren, Baklava frisch aus dem Ofen kosten und noch mehr einpacken.
Und was bringe ich meinen Gastgebern in der Welt aus Berlin mit, wenn ich auf Reisen gehe? Ich mag Marzipan, und zwar nur das eine. Es ist von Marzipan Wald und nicht so überzuckert. Manches wird in Schokolade gehüllt, das Einzigartige ist aber pur und hat obenauf durch Abflämmen eine leckere braune Kruste. Königsberger Marzipan hat der Konditormeister Paul Wald 1939 aus Ostpreußen nach Berlin gebracht. Alternativ gehe ich zu „Hamann“, auch ein Familienunternehmen, das 1912 von dem Konditor Erich Hamann aus Memel (heute Klaipeda in Litauen) gegründet wurde. In dem denkmalgeschützten Laden gibt es Ingwerstäbchen, Borkenschokolade, zarte Täfelchen, Fische in Silberpapier und Marzipankartoffeln in Echtgröße. Alles ist, wie es schon immer war, auch die weißen Schachteln mit dem blauen Karomuster und den blauen Schleifen.