Der Welt der Winzer ist eine ganz eigene. Man staunt, wer da alles nebeneinander existiert: der weltläufige Weinmacher mit postmodernem Weingut, der mehrsprachig um die Welt jettet für den Verkauf seiner Tropfen. Der radikale Öko, der jeden Eingriff im Weinbau ablehnt. Der super-konventionell arbeitende Winzer, der an jedem Schräubchen der Weinbereitung dreht. Hauptsache, seine Weine verkaufen sich gut. Daneben gibt es eine Spezies an Weinmachern, die ihr ganz eigenes Ding jenseits aller Konventionen und Erwartungen machen. Im besten Sinne neben der Spur.
Christian Tschida erinnert sich noch genau an die Situation: "Mein Vater kam einigermaßen verstört heim von der Tankstelle. Dort hatte ihn ein Bewohner unseres Heimatdorfes Illmitz beiseitegenommen und gesagt: Nimm dem Buben die Weingärten weg. Sonst ist in drei Jahren euer Betrieb kaputt." Dies ereignete sich im Jahr 2009. Die Insolvenz kam nicht, aber das "Noma" in Kopenhagen, das fünf Mal zum besten Restaurant auf diesem Erdenrund vom "Restaurant Magazine" gekürt wurde in den vergangenen Jahren. Aber dazu später mehr.
Weine, die auf Namen wie "Himmel auf Erden" oder "Laissez-Faire" hören
Die Tropfen von Christian Tschida hören auf Namen wie "Himmel auf Erden", Pinot Noir "Brutal", "Birdscape" oder "Riesling Laissez-Faire". "Meine Weine sind nicht irgendetwas. Die haben ihren eigenen Stil, ihren eigenen Kosmos. Ich fühle mich auch keinem Stil treu. Am Ende ist es der Boden und unser Zutun. Was rauskommt dabei, ist einfach eine Addition", sagt Tschida mit einem ganz leisen Selbstvertrauen, das weit weg ist von der Großsprecherei vieler Kollegen. Der Anfang nach der Tankstelle war allerdings hart. Nach einem Jahr ist sein Bruder aus dem Weingut ausgestiegen mangels Erfolgsperspektive. Christian Tschida verfolgte seinen Weg weiter mit Inspirationen aus Frankreich und Spanien: "Dort waren Winzer, mit denen ich mich austauschen konnte. Das fühlte sich richtiger an als alles andere vorher. In Österreich war da niemand, mit dem ich meine Idee von Wein damals teilen konnte." Es ging auch um Themen, die sich um den Anbau drehten, um kleinbeerige Trauben, um erhöhte Stockdichte und um steile unwirtschaftliche Lagen im Leitha-Gebirge, die damals niemand haben wollte. Außer Christian Tschida eben.
Am Ende dieser Durststrecke waren es internationale Sommeliers, die Tschidas Weine überhaupt erst entdeckten. "Für eine Küche, die nicht über die Butter gelaufen ist, sondern über puristische Aromatik", erzählt Tschida. Die Folgerung für ihn war klar: "Deshalb mache ich auch Weine ohne Butter." Will heißen: ohne überbordenden Holzeinsatz, ohne Geschmacksschminke, ohne übermäßige Reife. Das ist für den Weinanfänger, der die Aromenmonster aus der Küche des Industrieweines mit allen Variationen von Reinzuchthefen und sonstigen legalen Zugaben gewohnt ist, nicht ganz einfach im Glas.
Im Noma gingen die Weine von Christian Tschida vorzeitig aus
Geholfen hat ihm dann auch die Geschichte mit dem "Noma", die viel über Tschidas Leidenschaft aussagt: Das Highend-Lokal hatte einen seiner Weine, den "Laissez Faire", für einen Gang ("Geräucherter und gegrillter Steinbutt in Waldpilz-Brühe mit Bitter Greens") im Menü. Der Wein kam so gut an, dass die Gäste unerwarteterweise am Tisch nachorderten und die Vorräte deshalb vorzeitig ausgingen. Der Notruf aus dem "Noma" vor dem Wochenende kam zu spät. Keine Spedition wollte mehr Weine aus Österreich nahe der ungarischen Grenze nach Kopenhagen liefern. Und so setzte sich Christian Tischida in seinen bis zum Rand vollgeladenen zehn Jahre alten Audi. Genau 16 Stunden später lieferte er in Kopenhagen aus. "Vorn is der Wagen aufgestiegn wegen dem Gwicht. Das haben die mir nicht vergessen", sagt Tschida, dessen Weine selbst fast kein spürbares Gewicht haben bei größter Substanz.
Tschida sucht die Frische. Den Grünen Veltliner und den Riesling vom Leithaberg, der kühlsten Lage im warmen Burgenland, will er "scharf geschnitten wie ein Maßanzug" haben.
Seine phänomenalen Rotweine (Pinot Noir, Syrah), allen voran der Cabernet Franc, zeichnet eine, ja, fleischige Frische mit Filigranität bei mäßigen Alkoholgraden aus. Dennoch sieht Tschida keinen typischen "Tschida-Stil" in seinen Tropfen. Den will er absichtlich nicht: "Wir bringen den Wein einer Rebsorte aus den einzelnen Fässern zusammen, damit keine geschmacklichen Tendenzen entstehen und es immer spannend bleibt." So anders ist dieser Zugang. "Aus der Spur eben." Umso schöner, dass mit Chris Biber ("Weinfurore") aus München ein ambitionierter und kenntnisreicher Mensch diese besonderen Weine der Mainstream-gewöhnten Kundschaft nahezubringen versucht.
2021 Kapitel I, Cabernet Franc, € 29.50, www.weinfurore.de
Winzerin Occhipinti benennt ihre Weine nach einer Landstraße: SP 68
Arianna Occhipinti hätte es sich einfach machen können. Sie stammt aus einer berühmten Weinbaufamilie mit gleichem Namen. Der Onkel Gusto Occhipinti betreibt das Weingut "Azienda Agricola COS", das für große sizilianische Weine steht. Nach ihrem Weinbau-Studium, das sie in Mailand absolviert hatte, kehrte sie jedoch nicht in den warmen Schoß der Familie zurück. Sie zog es vor, auf der Straße zu stehen. Genauer gesagt auf der Landstraße SP 68. Dort genau kaufte sie im Jahr 2004 zwei Hektar Weinland. Sie hatte ihre eigene Idee vom Anbau, der Erziehung der Reben und auch von den Rebsorten, mit denen sie sich profilieren wollte. Wer das klassische Sizilien mit hitzigen, alkoholstarken Weinen sucht, die vor Holzeinsatz nur mehr schwer laufen können, ist bei Arianna Occhipinti so was von falsch. Da begegnet einem im Glas der "SP 68 Rosso" und man glaubt es kaum: ein Rotwein aus Sizilien mit gerade einmal elf (!) Prozent Alkohol. Dabei hat die konsequent biodynamisch arbeitende Winzerin keineswegs ein leichtes Wässerchen geschaffen, sondern einen absolut eigenständigen Wein. Hauptbestandteil ist die endemische Rebsorte Frappato, die eine pikante Würzigkeit mitbringt. Auch bei den Weißweinen wird die Winzerin nicht international. Sie bleibt bei den sizilianischen Rebsorten Grillo, Moscato und Albanello. Erzogen werden die Reben von ihr unter anderem in der sogenannten "Buscherziehung". Das bedeutet eine geringe Höhe der Rebstöcke knapp über dem Boden. Der Nachteil davon heißt Handarbeit in gebückter Position bei geringen Erträgen. Der Vorteil ist, dass unter den Blättern dieser Pflanzen sich die Feuchtigkeit wesentlich besser halten kann. Arianna ist eine der wenigen Winzerinnen, die nicht bewässern. Das ist gänzlich neben der Spur im heißen Sizilien.
2022 Occhipinti bianco oder rosso, € 21, www.gute-weine.de
Jürgen Hofmann hat den "Tauberschwarz" vor dem Aussterben gerettet
Sie erwarten ein Weingut mit postmoderner Architektur, das aussieht wie ein soeben gelandetes Raumschiff. Davor der brandneue Geländewagen des Winzers, der Ihnen in den gängigen Weltsprachen eine Performance seiner Tropfen im stylischen Verkostungsraum gibt?
Dann kommt Jürgen Hofmann. Sein Weingut im Taubertal - wird keinen Architekturpreis mehr gewinnen. Der große Auftritt vor Publikum ist seine Sache nicht. Er spricht ein wunderbar leises Fränkisch, bei dem man die Endungen der Verben einfach weglässt. Nein, nicht aus Faulheit, sondern weil es praktisch ist. Schließlich weiß der Zuhörende längst, was gemeint ist.
Dann die Weine. Angefangen von der weißen Cuvée "Flint" über einen der wenig ernst zu nehmenden Bacchus bis hin zu filigranen Rieslingen, zum Beispiel aus der Lage "Röttinger Feuerstein", faszinieren diese Tropfen durch Ausdrucksstärke und nicht durch Wucht. Vielleicht ist das die Gemeinsamkeit der drei Weinpersönlichkeiten, die in dieser Geschichte die Hauptrolle spielen. Die Rotweine aus dem Hause Hofmann zeigen, warum das Taubertal unter Fachleuten nach der Klimaveränderung als spannendes Gebiet für die Zukunft gilt. Sie glänzen mit Filigranität und mäßigem Alkohol. Äußerst rar ist der "Tauberschwarz". Eine Rebsorte, die Jürgen Hofmann vor dem Aussterben gerettet hat mit seiner Entscheidung, sie in größerem Rahmen anzubauen. In den 1970er Jahren fiel nach einem frostigen Winter, bei dem die meisten Reben erfroren waren, ein Weinberg im Taubertal auf, dessen Reben im besten Zustand waren. Die ampelografischen Untersuchungen brachten die Existenz dieser vergessenen Rebsorte zutage, deren Weine bei gekonntem An-und Ausbau an Barolo erinnern: Tauberschwarz. In der Staatlichen Lehr-und Versuchsanstalt im württembergischen Weinsberg wurde dann die Erhaltungszüchtung beim Tauberschwarz vorangetrieben und somit die Existenz dieser wundersamen roten Rebsorteüberhaupt erst gesichert.
Aber auch in anderen roten Disziplinen glänzt Jürgen Hofmann. Beim unverschämt preiswerten roten "Schwarzriesling" beweist er, was man mit der Champagnerrebsorte machen kann – jenseits der Champagne in einem Stillwein.
Und dann erst die Spätburgunder. Mit seidiger Präsenz und dieser unglaublichen Feinheit, die an die Weine von Paul Fürst erinnern. Kein Wunder: Hofmann hat beim besten deutschen Spätburgunder-Winzer im fränkischen Bürgstadt gelernt. Wenn die Sterne dann vom Himmel fallen beim ersten Schluck vom "Spätburgunder RR", möchte man Jürgen Hofmann eigentlich gerne umarmen. Er sagt dann nur: "Kann man getrink." Qualität ohne Endung eben. Und neben der Spur.
2021 Tauberschwarz, € 16, www.geisels-weingalerie.de