Die stillen Tage, an denen wir ausführlich gegessen und mit hohem finanziellem Aufwand getrunken haben, sind vorüber. Und jetzt, wo wir „versaut“ sind von gutem Wein, fragen wir uns, wie es weitergehen soll im neuen Jahr? Dies ist ein klarer Fall für Tropfen, die eigenständig sind, uns ganz unauffällig immerzu Freude machen und dabei kein Krater-großes Loch in den Geldbeutel reißen. Helden des Alltags eben.
Es ist so eine Sache mit den Namen der Rebsorten. Da gibt es große Miss-Deutungen: So ist der rote „Blaufränkisch“ weder blau, noch, in den allermeisten Fällen, fränkisch. Der „Primitivo“ aus Apulien muss nicht immer primitiv sein. Und der „Schwarzriesling“ ist ein Rot- und kein Weißwein und schon gar kein Riesling. Die Liste läßt sich beliebig fortsetzen mit dem österreichischen roten „Zweigelt“, der (noch immer) einem großen Verehrer des Nationalsozialismus gewidmet ist. Manche Rebsorten hören auf zwei grund-verschiedene Namen: Die „Scheurebe“ heißt in Österreich auch „Sämling 88“, der Südtiroler „Vernatsch“ wird in Württemberg zum „Trollinger“.
Gutedel und dazu eine gescheite Brotzeit
Und dann kommt da im Anbaugebiet Baden ein Weißwein daher, der „Gutedel“ heißt. „Gutedel“-das klingt nach den 1960er-Jahren. Vielleicht eine flotte Bezeichnung damals für einen Schmelzkäse oder eine Kaffee-Marke. Die hohen Erträge, die diese Rebsorte erbringen kann, haben ihn in der Vergangenheit zum Brot- und Butterwein im Badischen werden lassen. Auch nicht gerade der ganz große Glanz. Wenn man dem Gutedel jedoch mehr Aufmerksamkeit, geringere Erträge und Ambition entgegenbringt, dann kann er viel, bis hin zur Weltspitze, was Hanspeter Ziereisen mit seinem „10 hoch 4“-Gutedel bewiesen hat, der dreistellige Preise erzielt. Feine Noten nach Haselnüssen bringt er ins Glas, dazu eine diskrete Säure, die leise ist, aber sehr wohl vorhanden. Das klingt erstmal nicht aufregend, ist es aber dann schon nach dem zweiten Schluck. Einen besseren Begleiter für Käse-Fondue, Raclette und eine gescheite Brotzeit gibt es nicht.
Christoph Schneider widmet sich in seinem „Weingut am Schlipf“ im Dreiländereck in Weil am Rhein dieser Rebsorte mit höchstem Engagement. Gleich fünf verschiedene Gutedel baut er aus. Selbst die Basis-Qualität wird von Hand gelesen. Sie verdient eigentlich den viel eleganteren Schweizer Namen für diese Rebsorte: „Chasselas“.
„Gutedel vom Kalkstein 2020“/Baden, € 9.20, www.schneiderweingut.de
Schwarzriesling – passt zu Pasta aller Art
Wenn Sie stylische Etiketten erwarten, mit denen man Freunde beeindrucken kann und einen eloquenten Winzer, der Ihnen seine Weine am Telefon in allen gängigen Weltsprachen charmant erklärt wie ein Marketing-Manager, dann sind Sie beim Weingut Hofmann im Taubertal garantiert an der falschen Adresse. Auch das Weingut ist kein postmoderner Kubus mit Holz und Stein, sondern ein nüchterner Zweckbau mit sauberen Fremdenzimmern. Jürgen Hofmann spricht ein wunderbar leises Fränkisch, bei dem man die Endungen der Verben einfach weglässt. Seine Silvaner und Rieslinge beeindrucken nicht durch Wucht, sondern durch zarte Finesse. Und dann erst die Rotweine. Es gibt nicht viele Betriebe in Deutschland, die gleichermaßen hohe Qualität in beiden Wein-Farben auf die Flasche bringen. Die zarten Spätburgunder verraten den Lehrherrn von Jürgen Hofmann, nämlich Paul Fürst, den Großmeister des Pinot Noirs.
Ein ganz eigenständiges Projekt hat Jürgen Hofmann mit der roten Rebsorte„Tauberschwarz“, die er vor dem Aussterben gerettet hat. Die zwei Weine daraus blicken vom Taubertal ins Piemont Richtung Barolo. Der „Held des Alltags“ im Weingut Hofmann ist allerdings der Schwarzriesling. Die Namensgebung haben wir ja bereits früher im Text geklärt. Unter dem französischen Namen „Pinot Meunier“ spielt er eine entscheidende Rolle im Champagner.
Jürgen Hofmann macht daraus einen fleischigen Stillwein. Da spielt die Sauerkirsche mit dem Pfeffer einen feinen Doppelpaß, ungestört von komplexen Gerbstoffen. Könnte man jeden Tag haben mit aller Art von Pasta. Jürgen Hofmann sagt dann nur dazu: „Kann ma getrink.“ Qualität ohne Endung eben.
„Schwarzriesling 2020“/Franken, € 9, www.weinguthofmann.com
Naturwein – Neuland entdecken
Dass Naturwein nicht zu den preiswertesten Tropfen gehören kann, erschließt sich bei näherem Hinsehen. Die Winzer, die sich mit dieser absolut zukunftsträchtigen und sinnvollen Art Wein zu bereiten, beschäftigen, gehen zuerst einmal ein hohes Risiko. Sie verlassen die Welt der Reinzuchthefen, der flächendeckenden chemischen Schädlingsbekämpfung und die des Einsatzes von dutzenden Zusatzstoffen. Naturweine werden aus Trauben hergestellt, die aus biologischem oder biodynamischem Anbau stammen. Der Boden-Gesundheit wird dabei große Aufmerksamkeit gewidmet. Denn nur gesunde, lebendige Böden können mit den Folgen des Klima-Wandels langfristig umgehen. Was die Arbeit im Keller angeht, so kann man sie verkürzt mit „Nix rein-nix raus“ beschreiben. Keine Zusatzstoffe rein-keine Filtration, keine Schönung.
Für uns Weintrinker öffnet sich dadurch eine neue Welt, auf die es sich einzulassen lohnt. Der schlichte Vergleich taugt hier nicht. Es ist ein anderes Trink-Erlebnis: Naturweine sind weniger geprägt von Primär-Aromen, die einem sofort in die Nase und den Gaumen springen. Der erste Eindruck ist also ein durchaus leiserer als beim konventionell hergestellten Wein. Im Mund jedoch offenbart diese Art des Weines größere Tiefe und eine Vielschichtigkeit, die man regelrecht kauen möchte.
„Neuland“ heißt der Tropfen von Herbert Zillinger aus dem österreichischen Weinviertel, dem größten österreichischen Anbaugebiet, nord-östlich von Wien gelegen. Nun ist das Weinviertel bekannt für grundsolide konventionell erzeugte Weine, vornehmlich in Basis-Qualität zu kleinen Preisen. Kein einfaches Pflaster für Naturweine also. Herbert Zillinger geht dennoch seinen Weg seit vielen Jahren mit großem Erfolg. Mit dem Grünen Veltliner „Neuland“ baut er eine Brücke zwischen den Wein-Welten. Er erhält durch den Ausbau in Edelstahl und großen Holz-Fässern die tänzelnde Frische, und ja, auch das Veltliner-typische Pfefferl, das wir kennen. Das Mundgefühl jedoch bringt so viel mehr mit: eine animierende Salzigkeit, gepaart mit stoffiger Würze. „Freudig-ernsthaft“ möchte man sagen. Und das Schönste daran ist: Diese Art von Weinen kann, bedingt durch ihre natürliche Gerbstoff-Struktur (siehe: „nix raus“), lange lagern-sogar in der schon offenen Flasche. Perfekte Speisenbegleiter sind sie eh. Der fehlenden Primärfrucht, die die Richtung vorgeben würde, sei Dank. Kleiner Tipp noch: Naturweine trinkt man etwas wärmer. Bei 13 Grad im großen Glas einschenken und dann erleben wie sich ein lebendiger Wein mit jedem Grad verändert.
„Neuland 2021“/Weinviertel, Grüner Veltliner, € 12.50, www.weinhalle.de
Ein Kellergeheimnis aus Franken
Schaumwein und gleichzeitig „Held des Alltags“ zu sein, ist eine schwierige Aufgabe. Die Herstellung dieses Wein-Typs, ist, wenn sie Qualität haben soll mit der „Methode champenoise“, aufwändig und kosten-intensiv. Dabei wird ein fertiger Stillwein ein zweites Mal auf der Hefe in der Flasche vergoren und nicht etwa im Tank. Einen Kohlensäure-Zugabe von außen kommt nicht in Frage. Hier ein wirklicher Geheimtipp, der manchmal sogar auf der Weinguts-eigenen Preisliste verheimlicht wird: Der Betrieb von Paul und Sebastian Fürst ist bekannt für großartige Burgunder, ob es nun der Weißburgunder oder der Chardonnay ist. Im roten Bereich hat man im fränkischen Bürgstadt mit dem Frühburgunder und den Spätburgundern (Pinot Noir) aus den drei Lagen Hundsrück, Centgrafenberg und Schlossberg schon seit Jahren die absolute Weltklasse erreicht.
Damit wäre die Geschichte eigentlich erzählt. Hätten Vater und Sohn nicht ein kleines Keller-Geheimnis, das sie von Zeit zu Zeit lüften. Die Rezeptur ist erstmal von der Natur vorgegeben: Die Rassigkeit, die die roten Buntsandstein-Böden in der Lage „Bürgstädter Berg“ hervorbringen, ermöglichen einen Wein-Typ, der den Ausbau zum Schaumwein mag. Wenn dann noch der Jahrgang stimmt, kann es losgehen. „Es muß ein Jahr sein mit einer prägnanten Säure-Struktur und einem niedrigen PH-Wert“, sagt Sebastian Fürst. Das war im Jahr 2017 der Fall. In den drei folgenden Jahren 2018, 2019 und 2020 haben die Fürsts einfach ausgesetzt. Der 2021er ruht noch. Die Trauben für den einzigen Schaumwein des Hauses werden im Edelstahl und im großen Holzfass ausgebaut. Ein Hefe-Lager von 55 Monaten haben Fürsts ihrem Schaumwein danach gegönnt. Nicht viele Champagner können auf eine derart lange Lager-Zeit vorweisen. Aber dann! Wenn der „Rosé Mousseux“ in einem hoffentlich nicht zu kleinen Glas auftritt, glänzt er mit Noten nach Zitrus, Brioche und roten Johannisbeeren. Passt hervorragend zu aller Art von Fisch, geht aber auch als High-End-Apero durch. „Er ist halt ein Insider-Tipp“, sagt Sebastian Fürst, „den nehmen wir noch nicht einmal auf Wein-Messen mit.“ Sieht man das Fürstsche Preisgefüge an, wird er doch noch zum „Held des Alltags“.
„Rosé Mousseux Brut 2017“/Franken, € 26, www.weingut-rudolf-fuerst.de