Graupensuppe, Spinat, Rosenkohl oder Haferschleim: So mancher Erwachsene schüttelt sich schon beim Gedanken daran. Und er hat schnell eine Begründung: Derart „eklige“ Dinge habe er schon als Kind nicht gemocht. Also: Was Hänschen nicht schmeckt, schmeckt Hans nimmermehr? Damit eines gleich klar ist: „Es gibt keine Ausrede. So etwas wie Geschmacksprägung, die sich in einem bestimmten Zeitfenster gebildet hat, gibt es nicht!“ sagt Geschmacksforscherin Kathrin Ohla. Was nicht bedeutet, dass das, was wir als Kinder gegessen haben, uns nicht im Erwachsenenleben beeinflusst.
Häufig erlebt man dies, wenn man sich mal nicht so gut fühlt: „Wenn wir dann daran denken, wie es früher Grießbrei gab, als wir krank waren, möchten wir ihn wieder essen und diesen Wohlfühleffekt spüren“, so die Psychologin von der Uni Münster.
Anders als bei Kindern funktioniert bei Erwachsenen kein Selbstbetrug
Was Vorlieben für den Geschmack („Flavour“) angeht, lernen wir aber ein Leben lang. „Wir können auch mit 70 noch etwas Neues ausprobieren und es plötzlich gut finden und neue Präferenzen entwickeln“, weiß die Expertin. Die Frage ist nur, wie man das hinbekommt. Kinder könne man zwar immer wieder ermutigen, neue Dinge auszuprobieren, bei Erwachsenen funktioniere das jedoch nicht.
„Wenn ich meinem Mann sage, er soll mehr Gemüse essen und er sagt Nein, dann kann ich mich auf den Kopf stellen und er tut es nicht“, sagt Ohla. Autorität und Überzeugungskraft könnten das Verhalten von Erwachsenen in diesem Fall nicht beeinflussen. „Da brauchen wir eine andere Strategie.“ Und die heiße Gesundheitsmotivation.
Bei Menschen, die sowieso auf ihre Gesundheit achten, funktioniere das: Die trinken auch freiwillig grüne Smoothies mit extra viel Spinat. „Und keiner kann mir erzählen, dass er die vom ersten Probieren an lecker fand“, so Ohla. Oft spielten auch Einflüsse von Freunden eine Rolle: „Wenn die plötzlich alle so ein neues gesundes Trendfood oder grüne Smoothies lieben, dann bin ich häufiger in der Versuchung zu sagen, das nehme ich auch mal, um nicht Außenseiter zu sein.“
Anders als bei Kindern, wo man quasi heimlich ein bisschen Brokkoli in die Nudeln mische, um sie an den Geschmack zu gewöhnen, funktioniere bei Erwachsenen jedoch kein Selbstbetrug: „Bei den Kindern muss man schummeln, bei Erwachsenen ist die bewusste Entscheidung der bessere Weg“, meint die Geschmacksforscherin.
Auch an Essen, das einem nicht schmeckt, kann man sich gewöhnen
Ihr Tipp beim Smoothie: Mit Bananen-Mango-Smoothie beginnen, und dann mit jeder Portion immer mehr Spinat hinzufügen und immer mehr Banane reduzieren. Mit der Zeit könne es so gelingen, auf eine gesündere, zuckerärmere Variante zu wechseln.
„Natürlich sollte ich mich in jedem Lebensalter, also auch als Erwachsener, gesundheitsbewusst, altersentsprechend sowie situations- und bedarfsgerecht ernähren“, sagt Professor Jens Putziger, Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner. „Die Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine gesunde Ernährung und Lebensweise kennt mittlerweile jeder.“ Aber gesund heißt eben nicht automatisch auch lecker.
Doch Kathrin Ohla macht Hoffnung: Denn an Essen oder Trinken, das einem eigentlich nicht schmeckt, kann man sich tatsächlich gewöhnen. Beispiel Smoothie: „Wenn mich der Gruppendruck dazu bringt, mein Verhalten zu ändern, passiert dasselbe, was wir auch bei Kindern sehen: Irgendwann schmeckt es gar nicht mehr so schlecht.“ Und Jens Putziger erinnert daran, dass auch das Auge mitisst: „Je geschickter Sie das Anrichten von Speisen beherrschen, desto mehr Appetit werden Sie entwickeln!“ sagt der Professor für Ernährungstherapie und -beratung von der SRH-Hochschule in Gera.
Tricks und Tipps: Rosenkohl muss nicht immer bitter schmecken
Das bestätigt auch Foodbloggerin Marita Koch von der „KochWerkstatt“ in Grambek. Sie hat viele Ideen entwickelt, damit selbst Rosenkohl nicht bitter schmeckt. Das fängt damit an, dass man ihn nicht als Tiefkühlware, sondern immer frisch kauft. „Achten Sie auf Züchtungen, die einen milden, leicht nussigen und fast süßlichen Geschmack aufweisen“, rät sie. Dazu lässt man sich am besten direkt vom Erzeuger in deren Hofläden oder auf deren Wochenmarktständen beraten.
Kochs Tipp zur Zubereitung: „Äußere Blätter entfernen, zusätzlich Strunk leicht einkürzen und kreuzweise einschneiden, so gart der Rosenkohl gleichmäßiger und schneller“, sagt die Expertin. Dies wirke sich auch auf den Geschmack und das Mundgefühl aus. Dann sollte man den Rosenkohl 8-12 Minuten blanchieren – in reichlich Salzwasser und ohne Deckel. Das erhält die grüne Farbe und die knackige Konsistenz.
Die Zugabe von 1-2 EL Zitronensaft oder 2 Zitronenscheiben sowie 1-2 Lorbeerblättern reduziere den Kochgeruch. Und der Geschmack werde dadurch etwas breiter beziehungsweise aromatischer und frischer. Das Gemüse dann in Butter/Öl oder in gerösteten Semmelbröseln mit Butter wenden, statt in ausgelassenem Speck. So trete der eventuell vorhandene restliche bittere Geschmack noch mehr in den Hintergrund.
Rezept der Foodbloggerin: Mit Käse überbackener „smashed Rosenkohl“
Ein weiterer Tipp: „In Gerichte integrieren und dabei auf gute Geschmacks- und Aromakombinationen achten!“, so Koch. Ihre Vorschläge: Rosenkohl mit Butter oder Olivenöl, Knoblauch und in feine Streifen geschnittene Tomaten statt mit gebratenem Speck braten – als Pfannengericht mit Kartoffelpüree. Oder Rosenkohl mit Zwiebeln, Sahne, Eier, Thymian und Käse als Quiche oder Auflauf.
Im Trend sei zudem „smashed Rosenkohl“: Dazu wird er nach dem Blanchieren mariniert, auf einem Backblech flachgedrückt und mit Käse überbacken. Und schließlich gebe es auch die Möglichkeit, Süße hineinzubringen: als Backofen-Rosenkohl mit Honig oder Ahornsirup-Thymian-Marinade – dann aber ohne vorheriges Blanchieren.
Der Trick mit den Protein–Shakes
An Essen oder Trinken, das einem eigentlich nicht schmeckt, kann man sich gewöhnen. „Studien mit Kindern haben gezeigt, dass das wiederholte Anbieten auch ganz kleiner Portionen von ungeliebten Lebensmitteln irgendwann dazu führt, dass diese mehr akzeptiert und am Ende tatsächlich auch häufiger gegessen werden“, so Geschmacksforscherin Kathrin Ohla von der Uni Münster.
Bei Erwachsenen gab es dazu bislang wenig Untersuchungen. Doch eine neue Studie über protein-angereicherte Milchgetränke sei jetzt zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Denn schon nach sieben Tagen änderte sich bei den Teilnehmern die Wahrnehmung für jene Proteinshakes, von denen sie vorher behauptet hatten, dass sie nicht süß genug seien oder einen Beigeschmack hätten.
Kathrin Ohla bewertet die Ergebnisse positiv: „Sie bieten Hinweise auf erfolgversprechende Ernährungsumstellungen, um sich auch an gegebenenfalls unappetitliche, funktionale Produkte zu gewöhnen und damit die Nährstoffversorgung zu verbessern.“
Hintergrund für die Studie sei die Erkenntnis gewesen, dass die durchschnittliche Proteinzufuhr über die Nahrung häufig nicht ausreiche, um die Muskelmasse – insbesondere im Alter – zu erhalten. Daher seien in den letzten Jahren etliche protein-angereicherte Lebensmittel entwickelt worden. Ohla: „Leider sind diese nicht weit akzeptiert, was wahrscheinlich an ihrem ‚Geschmack‘ liegt.“
Spannenderweise hätte bei der Studie der regelmäßige Konsum des Protein-Shakes auch zu einer erhöhten geschmacklichen Vertrautheit mit einem ganz neuen Proteingetränk geführt. Dieses habe sogar noch deutlich ungewöhnlicher und unangenehmer geschmeckt. „Das weist darauf hin, dass der ‚erworbene Geschmack‘ auf andere Produkte übertragbar ist“, so die Psychologin.