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Essay
Parteien für alle! Wagenknecht, Letzte Generation und noch viel mehr
Eine Neugründung durch Frau Wagenknecht rückt näher. Warum nicht mehr davon? Die Gesellschaft hätte ein Abbild ihrer Zersplitterung – und wäre nur in bunten Koalitionen regierbar.
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Foto: Jörg Carstensen, dpa | Auf dem Weg zu einer neuen Partei: Sahra Wagenknecht, Noch-Linke.
Wolfgang Schütz
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:00 Uhr

Um mal ganz objektiv anzufangen, zwei Umfrage-Ergebnisse aus der letzten Zeit. Das eine besagt, dass in Ost-Deutschland (ohne Berlin) die AfD stärkste Kraft ist, sie liegt mit 26 Prozent drei Punkte vor der Union. Das andere besagt, dass sich in ebendiesem Osten 42 Prozent der repräsentativ Befragten vorstellen können, eine von Sahra Wagenknecht gegründete Partei zu wählen – im Westen sind es immerhin auch noch 18 Prozent, was zu einem Deutschlandmittelwert von 24 Prozent führt. 

Jetzt aber: Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Soll die Wagenknecht-Partei also quasi als eine Alternative zur Alternative für Deutschland nötig und dann vielleicht auch willkommen sein?

Und wenn die CSU bundesweit antreten muss?

Zugleich wurde schon gemunkelt, dass die Wahlrechtsreform alte Überlegungen in der CSU neu ankurbeln könnte, vielleicht doch mal auch im Rest der Republik anzutreten, und zwar dann mit einem deutlich wertekonservativeren Profil als die Schwester. Und schließlich legen konservative Medien wie die FAZ in Koalition mit Stimmen aus der FDP den Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ nahe, doch bitte eine Partei zu gründen, wenn sie wirklich etwas verändern und nicht bloß Rabatz machen wollten. Mal abgesehen davon, dass eine Institutionalisierung ja gerade dem gesellschaftskritischen Charakter der Bewegung im Kern widerspräche: Wo sich doch die wahrlich Klimabewegten aller gelesenen Geschlechter mitunter schon enttäuscht von der Ampel, aber vor allem auch den Grünen abwenden, und wo die doch auch mal so angefangen haben und sich nun in der kapitalistischen Moderne sowieso einfach alles bereitwillig manifestiert, was irgendwie funktioniert – warum eigentlich nicht?

Noch eine Partei! Mit den Fridays-for-Future-Leuten als Realos und den Letzte-Generation-Personen als Fundis. Bei einem auf 16 abgesenkten Wahlalter vielleicht durchaus tauglich, die Fünf-Prozent-Hürde zu meistern, solange diese überhaupt noch verfassungsrechtlich zu halten ist in einer Gesellschaft, die ja längst in immer kleinere Gruppen zersplittert und für diese Repräsentation einfordert. Wo ohnehin die alten Volksparteien im Sterben liegen, die Grünen nun wohl doch keine werden und bei Anzeichen, die AfD könnte zumindest in Landesteilen dorthin wachsen, sich eben Alternativen formieren wie die der guten, einst so schön auch mal im Porsche schillernden Sahra: Würde da ein über das ganze Spektrum reichendes Parteien-Potpurri nicht viel eher die Wirklichkeit repräsentieren in einer repräsentativen Demokratie ohne Mehrheitsgesellschaft? 

Wagenknecht mit Juli Zeh und Alice Schwarzer, Precht und Palmer

Die Wagenknecht-Partei wäre als Nachfolger ihrer gescheiterten „Aufstehen“-Bewegung also nun schon mal im Entstehen, bräuchte bloß noch ein bisschen mehr profiliertes Personal außer Sahra höchstselbst und einen Namen. Es böten sich an Prominenten an: Alice Schwarzer, wegen Einigkeit in der Ukraine-Frage; Juli Zeh, wegen Einigkeit im demokratie-strategischen Ansatz, die Lebenswirklichkeit und das Empfinden derer nicht der AfD zu überlassen, die sich nicht repräsentiert fühlen; Richard David Precht, wegen Einigkeit in der Opposition zu „den Leitmedien“ und „den Selbstgerechten“ der vermeintlich Links-Liberalen, aber vor allem Grünen; Boris Palmer wegen Einigkeit überhaupt … Man könnte dieser Partei den Namen DD vorschlagen, für Deutsche Demokraten, als die sie sich ja wahrhaft verstehen – aber das wäre wohl durch ein hinzugefügtes R wohl allzu leicht und empfindlich zu brechen. DWD für Deutschlands wahre Demokraten stieße sich im Kürzel mit dem Deutschen Wetterdienst. Also dann doch gleich direkter: Die Wahren! 

Die Guten gegen die Wahren! Und dazu noch die Schönen? Heidi Klum!

Daraus ließe sich ohnehin auch ein schöner, fast schon antiker Kontrast schnüren. Denn statt verzweifelt nach einem Kompromiss zwischen FFF und „Letzte Generation“ zu suchen und womöglich bei Deutsche Zukunftspartei zu landen und damit im nicht nur historischen Kürzel-Konflikt mit der Deutsche Zentrumspartei– warum sollten die sich nicht einfach der inneren Überzeugung gemäß taufen als: Die Guten! Damit wäre denn auch der Woke-Bewegung ein Zugang bereitet, die sonst auch noch auf die Idee einer eigenen Partei käme. Fragt sich für den Dreiklang nur, wer gründet sich noch als: Die Schönen? Heidi Klum als Germany’s Next Kanzlerkandidatin? 

Im Fall der CSU scheint die Sache klar, die muss sie selbst bleiben, höchstens noch mit dem Zusatz versehen: CSU DBD – stehend für „das bessere (oder beste?) Deutschland“, wahlweise und synonym auch „das bayerische Deutschland“. Und so weiter. So ließe sich das nach jeder Nicht-Erfüllung des Repräsentationsversprechens endlos weiter diversifizieren, Koalitionsverhandlungen wären ein buntes Spektakel … – bis letztlich jede einzelne Person, als welches Geschlecht auch immer gelesen, nur noch den einen echten Ausweg sieht: Allein zufrieden kann nur die Ich-Partei stellen. Das wird dann das Ende der Demokratie oder der Beginn des politischen Engagements. Wir haben die Wahl!

 
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