
Frau Engelke, Garfield verkörpert ein narzisstisches Genusswesen. Was von diesen Zügen tragen Sie in sich?
Anke Engelke: Für mich verkörpert Garfield eher Genügsamkeit und Zufriedenheit, die ich bei Menschen ebenso rätselhaft wie bewundernswert finde. Ich will das auch nicht bewerten oder sagen, dass es falsch ist, so zu leben. Aber die Frage ist: Wie lange macht es einen glücklich, einfach nur abzuhängen, zu "chillaxen", Lasagne zu essen und fernzusehen? Ein bisschen was habe ich davon in mir, weil ich auch gerne genieße, aber ich habe gleichzeitig eine innere Unruhe, die fragt: Was könntest du eigentlich machen, anstatt auf dem Sofa zu sitzen? Sie werden mich also nicht unbedingt beim Serien-Bingewatchen erleben. Ich gehe viel lieber ins Kino.
Aber gibt es denn Charakteristika, die Sie mit dem Kater teilen?
Engelke: Garfield ist ein Teenager, der eine gewisse Unbeschwertheit besitzt. Er hat nicht diese Haltung, die sich mit zunehmendem Alter einstellt, wenn man nämlich zurückdenkt und sich sagt: "Oh, da habe ich einige Jahre ganz schön vertrödelt." Hinzu kommt etwas Unkonventionelles und Störrisches, das man Teenagern zuschreibt, aber eigentlich in uns allen steckt, auch in Erwachsenen. Ich stelle mich uns Menschen vor wie eine Wohnung, die mit Möbeln vollgestellt ist. Das eine oder andere Möbelstück sieht man allerdings nicht, weil es da hinten in der Ecke steht. Da ist zum Beispiel das Trampolin, auf dem wir ruhig hüpfen könnten, selbst wenn wir schon 85 sind. Das alles haben wir in uns, aber vieles gebrauchen wir nicht, weil sich das nach der Meinung der Leute nicht gehört. Da heißt es: "Du bist doch schon über 50, da kannst du dich doch nicht wie ein Teenager benehmen."
Wann haben Sie sich zum letzten Mal wie ein Teenager benommen?
Engelke: Vor sieben Minuten. Ich bin in dieses Hotelzimmer gekommen und habe gesehen, dass mein Kollege Hape Kerkeling, der Garfield spricht, dasaß und gefrühstückt hat. Ich habe ganz laut gerufen: „Drehen Sie sich nicht um! Es gibt hier nichts zu sehen.“ Das macht man eigentlich nicht als erwachsener Mensch. Man ist nicht so laut und plump lustig.
Doch Sie lassen sich von der Meinung der Leute nicht beeindrucken?
Engelke: Ich habe das Glück mit meinem Beruf, denn ich kann zum Beispiel behaupten, das sei zur Vorbereitung für eine Rolle, für die ich etwas ausprobieren müsse. So gesehen kann ich mich immer rausreden. Dann bekommen alle einen respektvollen Blick und sagen: "Ach sorry".
In Ihrem inneren Domizil stehen aber nicht nur Trampoline, sondern auch sehr gewichtige Möbel – denn Sie setzen sich intensiv mit Fragen des Umweltschutzes auseinander. Verbauen einem solche ernsthaften Themen die innere Leichtigkeit?
Engelke: Es ist lustig, dass ich mir eben dieses Möbel-Bild ausgedacht habe und wir uns jetzt daran abarbeiten. Ich würde es eher so ausdrücken: Wir haben alle in den letzten zehn, 15 Jahren eine andere Sichtweise auf die Zukunft bekommen. Die ist wie ein schweres Holzsofa, und das steht ebenfalls in der Ecke. Denn wir Menschen verdrängen teilweise die Auseinandersetzung mit der Zukunft. Dieses alte massive Sofa müssten wir dringend restaurieren, aber das ist anstrengend.
Macht Ihnen dieses anstrengende Thema keine schlechte Laune wie so vielen Menschen?
Engelke: Nee, überhaupt nicht. Schlechte Laune ist sowieso in meiner Gefühlswelt gar nicht vorhanden. Ich würde es eher so ausdrücken: Worüber mache ich mir Gedanken? Mir geht es wie vielen anderen: Mich beschäftigt sehr, dass die folgenden Generationen einen Planeten vorfinden, der nicht mehr intakt ist. Weil wir ja doch eigentlich recht egoistisch vor uns hinleben, anstatt zu überlegen: Wie würden wir das finden, wenn man uns so einen Planeten hinterlassen hätte?
Welche Schlussfolgerung ziehen Sie aus diesen Gedanken?
Engelke: Die beste Strategie ist wohl, damit aufzuhören, auf andere zu zeigen, und zu sagen: Jetzt fange ich erst mal bei mir an. Mehr ans Miteinander als ans Gegeneinander zu denken und rücksichtsvoller zu sein beginnt bei jedem einzelnen Menschen.
Woran hakt es Ihrer Ansicht nach in der Gesellschaft? Ist es nur ein Verdrängen?
Engelke: Da ich keine Expertin bin, kann ich nur analysieren, wie ich uns wahrnehme, und ich erkenne eine wachsende Verrohung im Umgang, in der Kommunikation, im Handeln, was man ja auch bei den Angriffen auf Politikerinnen und Politiker gesehen hat. Das ist finde ich alarmierend und besorgniserregend.
Für Unmut haben Sie bei den deutschen Landwirten mit Ihrer veganen Neuversion der „Häschenschule“ gesorgt, da in dem Buch der Bauer als Bösewicht präsentiert wird. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Engelke: Ich habe das mitbekommen, aber ich begegne Themen und Reaktionen wie diesen nicht mit Hass, Wut oder Angst. Dafür bin ich viel zu positiv und zugewandt.
Die weiblichen Figuren des Garfield-Films sind allerdings nicht so sanft gestimmt. Hat es Sie nicht gestört, dass Sie einen durchtriebenen Bösewicht sprechen, während die Männer alle gut davonkommen?
Engelke: Am Anfang war ich auch ein bisschen irritiert. Aber letztlich fand ich es überraschend angenehm, dass man das so umgedreht hat. Wenn die Männer die Bösen gewesen wären und die Frauen die Liebreizenden, könnte ich mich auch beschweren – nach dem Motto "Sind wir wieder die süßen Zuckermäuse oder was?". Wir müssen uns von dem reinen Klischee-Denken verabschieden. Die Welt ist voll verschiedenster Geschichten und der Garfield-Film zeigt jetzt Facetten, die ich ganz interessant finde. Beschwerden oder Kritik wird es immer geben, aber das lenkt von der eigentlichen Aussage und dem eigentlichen Kern ab. Denn letzten Endes erzählt der Film eine Geschichte von Vater und Sohn, von Vergebung und Versöhnung.
Können Sie sagen, welchen Einfluss Ihr Vater auf Sie hatte?
Engelke: Ich habe von väterlicher Seite ein breites Humorverständnis mitbekommen, für das ich sehr dankbar bin. Das umfasst die ganze Palette von albern-bescheuert bis tiefgründig. Mein Vater hat mir Monty Python gezeigt, aber eben auch Loriot. Ich erinnere mich an „Der Lottogewinner“ – das ist ein sehr komplexer Sketch, wo es um Sprachstrukturen, die Medien und das Phänomen der Prominenz geht. Das einem Kind zuzumuten – ich war damals um die zehn –, ist schon allerhand. Aber ich habe das gut aufgenommen. In dieser Hinsicht bin ich die Tochter meines Vaters
Das heißt, Ihre Comedy-Karriere wurde schon im Elternhaus vorgeprägt?
Engelke: Nein. Dass das in meinem Beruf stattfindet, ist eine herrliche Fügung. Ich habe in die Freundschaftsbücher meiner Schulfreundinnen jedenfalls nicht den Berufswunsch "Komikerin" oder "Schauspielerin mit hohem komödiantischem Anteil" eingetragen. Das war nie der Plan.
Haben Sie versucht, Ihr Humorverständnis an Ihre eigenen Kinder zu vermitteln?
Engelke: Das kann man nicht planen. Man kann nicht vorab sagen: Ich will Kinder, die diese Art von Humor haben. Man kann nicht eine Glocke nehmen und die auf jedes Kind draufstülpen. Denn jedes Kind ist komplett anders. Das habe ich auch viele Male bei „Der Sendung mit dem Elefanten“ erlebt: Nicht jeder unserer Witze kommt bei jedem Kind gleich gut an.
Humor unterliegt ohnehin einem Wandel. Von einigen Ihrer früheren Sketch-Rollen haben Sie sich distanziert, weil Sie sie als rassistisch empfanden. Haben Sie denn Kriterien, nach denen man bestimmte Gags bewerten soll?
Engelke: Die Frage, die sich stellt, ist: Wären die Witze auch gut gewesen, wenn ich das Kostüm oder die Maske weggelassen und die Namen anders gewählt hätte? Hätte die Pointe trotzdem funktioniert? Aus meiner Sicht ist das eine super Überlegung. Wir müssen nichts grundsätzlich verbieten, sondern einfach die Pointe und die Aussage überprüfen. Natürlich gibt es Sketche, die man im historischen Kontext sehen muss. Wir haben früher über Dinge gelacht, über die wir heute nicht mehr lachen würden. Auch die großen, nicht mehr lebenden Komikerinnen und Komiker haben Dinge getan und von sich gegeben, wo wir heute die Augen verdrehen und sagen: "Das kann ja jetzt nicht wahr sein". Das ist nicht nur eine Geschmackssache, sondern eine Frage der Haltung und des gesunden Menschenverstands. Damit verstehen wir, dass manches eben nicht witzig ist. Aber wir brauchen den albernen Humor, der spontan aus dem Bauch herauskommt, und das ansteckende Lachen, das aus einer Situation heraus entsteht. Das muss frei bleiben.