Wo man hinhört, das gleiche Lied: Gefühlt erleben die Menschen in der Region einen ausgesprochen dunklen Winter. Die Sonne lässt sich nur selten blicken, an manchen Tagen wird es kaum hell. Viele klagen über anhaltende Müdigkeit, Lustlosigkeit, fehlende Energie. Eine Folge des Lichtmangels?
Tatsächlich schaffte im Dezember die Sonne in Würzburg nur zwei Drittel des langjährigen Mittelwertes: Exakt 27 Stunden hat der Deutsche Wetterdienst (DWD) gemessen. Und bereits die Monate September bis November waren beim Sonnenschein unterdurchschnittlich. Von Extremwerten ist man aber noch weit entfernt.
Dunkler Dezember: Würzburg bundesweit im Mittelfeld
Deutlich mehr Grund zum Jammern hätten da die Einwohner von Bad Marienberg (Rheinland-Pfalz) mit nur 1,7 Sonnenstunden im Dezember oder viele Orte in Nordrhein-Westfalen mit ebenfalls einstelligen Werten. Deutschlandweit war es laut Wetterdienst sehr trüb. Unter den 300 DWD-Messstationen rangiert Würzburg bei der Dezembersonne im Mittelfeld (Platz 158).
Der bisherige Minusrekord liegt in Würzburg bei 19,9 Sonnenstunden im Dezember 1988. Damals war der ganze Winter (Dezember bis Februar 1988/89) so grau und dunkel wie keiner zuvor und danach: 82,3 Sonnenstunden kamen nur zusammen. Das war nur ein Drittel gegenüber dem Sonnen-Rekordwinter 2002/03 mit 254,8 Stunden.
Holt der Winter noch Sonnenstunden auf?
Wie dunkel der aktuelle Winter in Mainfranken tatsächlich wird, ist nach Einschätzung von DWD-Meteorologe Uwe Zimmermann spekulativ. Für den Februar könne man noch keine Vorhersage treffen, „da ist noch viel möglich“. Und der Januar hat bis diesen Dienstag in Würzburg immerhin schon 28 Sonnenstunden beigesteuert – nicht viel, aber zum Vergleich: Im Januar 2010 wurde der bisherige Minusrekord von läppischen 9,2 Stunden gemessen.
Auch längere Dunkelperioden sind keine Seltenheit. So registrierte man in Würzburg von August 2014 bis Februar 2015 gar sieben Monate in Folge ein Sonnendefizit. Wetterexperte Zimmermann weiß aus 40 Jahren Erfahrung: „Oft kann das Gefühl der Leute gewaltig täuschen“, weil man selektiv und subjektiv wahrnimmt.
Licht bremst das Schlafhormon Melatonin
Aber natürlich: „Licht beeinflusst eine Reihe von Körperprozessen“, sagt Prof. Jürgen Deckert, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Uniklinikum Würzburg. So wird bei stärkerem Licht weniger Melatonin ausgeschüttet – das körpereigene Schlafhormon. Umgekehrt kann jahreszeitlicher Lichtmangel zu Müdigkeit, Schlappheit und Verstimmung führen. „Das ist dann aber noch keine Depression“, warnt Deckert, hier gelte es zu differenzieren.
Allerdings kann die Dunkelheit der Wintermonate bei Menschen mit entsprechender Veranlagung tatsächlich eine so genannte „saisonal abhängige Depression“ (SAD) hervorrufen. Sie gilt als eher seltene Unterform der depressiven Erkrankung. Symptome sind fehlender Antrieb, mangelnde Energie und eine über Wochen anhaltende Niedergeschlagenheit.
Frauen leiden stärker unter saisonalen Depressionen
Mitverantwortlich für saisonale Depressionen im Herbst und Winter dürfte der Lichtmangel sein, auch wenn eindeutige wissenschaftliche Beweise fehlen. Laut Psychologin Dr. Yvonne Paelecke-Habermann von der Uni Würzburg sind – wie allgemein bei Depressionen – Frauen mit einem Anteil von rund 75 Prozent deutlich stärker betroffen als Männer. Man nimmt an, dass Frauen und Männer unterschiedlich empfindlich auf Lichtveränderungen reagieren.
Auch trete die Krankheit in den nördlichen (und winterdunklen) Breiten vermehrt auf – in Alaska etwa sechsmal häufiger als in Mitteleuropa. Patienten könne in 50 bis 85 Prozent eine Lichttherapie helfen. An der psychiatrischen Uniklinik in Würzburg wird sie begleitend zu weiteren Therapieformen eingesetzt. Noch effektiver und gesünder als das Kunstlicht ist nach Ansicht von Klinikdirektor Deckert die Bewegung bei Tageslicht an der frischen Luft: „Selbst ein bewölkter Himmel bringt so viel Licht wie eine Lichttherapie.“
Vitamin D hilft den Knochen, aber auch der Psyche?
Weil der Körper mangels Sonne weniger Vitamin D produziert, greifen viele Menschen als Ausgleich zu künstlichen Präparaten – als erhoffte Stimmungsaufheller. Deckert ist skeptisch: „Vitamin D hat Einfluss auf die Knochen und den Kalziumstoffwechsel. Alles andere ist nicht belegt.“ Eine ausgewachsene Depression nur mit Vitamin D zu behandeln, sei gefährlich.
Dr. Dieter Geis, Vorsitzender des bayerischen Hausärzteverbandes aus Randersacker (Lkr. Würzburg), spricht gar von einer „Modedroge“. Er kennt die Beschwerden über den „Winterblues“ aus seiner Praxis und kann nur raten, sich nicht einlullen zu lassen. Seine Tipps: An die frische Luft gehen, Sport treiben, die Wohnung gut beleuchten, sich gesund und vitaminreich ernähren und: Veranstaltungen besuchen und Leute treffen. Geselligkeit kontra Trübsal.
Sonnenstudios freuen sich über verstärkten Zulauf
Während viele Menschen über die winterliche Dunkelheit klagen, kann sich eine Branche darüber freuen: Sonnenstudios haben in diesen Wochen Konjunktur, wie eine Mitarbeiterin in Würzburg bestätigt. Der Wunsch vieler Kunden: „Ich brauch' jetzt endlich mal Licht!“