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Lesetipp
Erste Hilfe am Hund: Das gilt es für Herrchen und Frauchen zu beachten
Auch bei Tieren können Notfälle auftreten. Was in einem solchen Fall zu tun ist, können Halter bei einem Erste-Hilfe-Kurs lernen. Manches hört sich vertraut an.
Bill Titze
 |  aktualisiert: 17.05.2024 02:45 Uhr

Grey ist ein wahres Beispiel an Geduld. Die belgische Schäferhündin lässt sich von Frauchen Anna Pleitner in die Seitenlage bringen, die Pfote bandagieren und eine Maulschlinge umlegen. Zum Glück für Grey passiert das alles nur auf Probe in einem Erste-Hilfe-Kurs für Hunde, den die dafür ausgebildete BRK-Mitarbeiterin Pleitner leitet. Normalerweise verlaufen solche Dinge nicht so stressfrei. Für Herrchen und Frauchen kann schon der bloße Gedanke an einen Notfall bei ihrem Vierbeiner der blanke Horror sein. Dabei sind die richtigen Verhaltensweisen oft ähnlich wie die beim Menschen. Eine Übersicht.

Was tue ich, wenn sich mein Hund in einer Notsituation befindet?

Ganz wichtig ist es laut Pleitner, ruhig zu bleiben. "Ein überstürztes Handeln kann schnell böse Folgen haben." Ein in die Enge getriebener Hund könne sich heftig zur Wehr setzen, auch wenn er sonst gutmütig sei. Devise sei es deshalb, sich dem Tier langsam zu nähern. "Man sollte dem Hund dabei nicht in die Augen starren, aber doch beobachten, wie er sich verhält." Der Helfer solle sich nicht über den Hund beugen. Auch gelte: Zu viele Köche verderben den Brei. Heißt: Ähnlich wie bei Notfällen mit Menschen solle man Aufgaben delegieren.

Um einen Biss zu vermeiden, sei es wichtig, dem Tier eine Maulschlinge anzulegen. Das gehe im Zweifel auch mit Schnürsenkeln. Dazu macht der Helfer eine möglichst weite Schlaufe, um nicht in die Nähe der Hundeschnauze zu kommen. Anschließend zieht er die Schlaufe zu. "Gerne fest, es ist ja keine Sache von Stunden", sagt Pleitner. 

Wie überprüfe ich Puls und Atmung beim Hund?

Zum Fühlen des Pulses eigne sich am besten die Oberschenkelarterie. Die Pulsfrequenz liegt bei einem mittelgroßen Hund ungefähr bei 80-120 Schlägen pro Minute. Kleinere und jüngere Hunde haben eine höhere Frequenz. Bei Anstrengung oder Aufregung erhöht sich wie beim Menschen der Puls. Die Kreislaufsituation des Vierbeiners lässt sich an den Schleimhäuten des Zahnfleisches ablesen. Beim gesunden Hund sind diese blass rosa und feucht. Bei Druck mit dem Finger wird ein heller Abdruck erkennbar. Ist alles in Ordnung, färbt sich dieser schnell wieder zurück in die ursprüngliche Farbe.

Die Atemfrequenz liegt bei 10 bis 40 Atemzügen pro Minute. Beim Hecheln erhöht sich die Atemfrequenz um ein Vielfaches. "Da der Hund nicht schwitzen kann, muss er überschüssige Wärme durch Hecheln abatmen", erklärt Pleitner. Die übliche Körpertemperatur liege bei 38-39 Grad. "Das bedeutet aber nicht, dass es einem Hund bei 39,2 Grad direkt schlecht geht." Am besten sei es, ein Gespür zu bekommen, welche Temperatur beim eigenen Hund "normal" ist. "Das Messen geht bei Hunden aber nur rektal, etwas anderes funktioniert nicht."

Wie verhalte ich mich bei einem Atem- und Herzstillstand?

In einer solchen Situation muss der Helfer selbst tätig werden. Um Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen, ist es am besten, den Hund in die rechte Seitenlage zu bringen, da das Herz links liegt. Beim Hund ist eine Mund-Nase-Beatmung angesagt. Pleitner hält Grey dafür die Schnauze zu und simuliert, dass sie in die Nase ihrer Hündin atmet. Tatsächlich soll es auch gar nicht mehr sein. "Wenn man zu stark Luft zuführt, bläst man den Hund quasi auf."

Steht das Herz beim Vierbeiner still, macht sich der Helfer wie beim Menschen an eine Herzdruckmassage. Dabei wird dicht hinter dem Ellbogen die linke gegen die rechte Brustwand gedrückt. Das ist nicht gerade angenehm, deshalb führt Pleitner das an einer Puppe vor. "Wichtig ist, nicht zu fest zuzudrücken. Eine Rippe kann aber immer zu Bruch gehen", sagt sie. Als Faustregel lasse sich ein Rhythmus von zweimal Atmen und 30 Herzdruckmassagen empfehlen.

Wie lege ich einen Verband?

Zunächst ist eine Binde auf die Wunde zu drücken, dann folgt der Druckverband. "Der darf auch gerne eng sein", so Pleitner. Bei einem Pfotenverband sollte der Helfer darauf achten, die Zehen einzeln mit Watte auszupolstern – ansonsten entstehen nämlich Druckstellen. "Die entzünden sich später immer wieder", warnt die Sanitäterin. Wichtig ist auch, das Gelenk oberhalb der Verletzung mit einzubinden, sagt Pleitner. "Dann hält der Verband besser." Lösen sollte ein Verband ausschließlich der Tierarzt. Es entstünden nämlich Giftstoffe, die bei einem unsachgemäßen Öffnen in die Blutbahn des Hundes gelangen könnten. Sollte ein Gegenstand wie ein Ast im Hund stecken, sei es am besten, diesen stecken zu lassen, rät Pleitner. "Wenn man ihn einfach herauszieht, kann es sein, dass der Blutfluss unkontrollierbar ist." 

Wie reagiere ich bei Vergiftungen?

Ein schwankender, unsicherer Gang, weite oder enge Pupillen, Zittern, Erbrechen – alles das sind Symptome für eine Vergiftung beim Hund. Auch Blutungen am Zahnfleisch und Hämatome in der Haut sind Hinweise. Dann gilt es, schnell zu handeln und sofort den Tierarzt anzurufen. Nicht nur, weil dieser Gegengifte parat hat. Auch deshalb, weil es schwierig sei, den Hund selbst zum Erbrechen zum Erbringen, wie Pleitner sagt. "Es ist nicht ratsam, in einer solchen Situation dem Hund die Hand in den Rachen zu schieben." Auf alle Fälle solle der Helfer den Giftstoff aufbewahren, um eine spätere Identifikation zu ermöglichen.

Grey bekommt am Ende der mehrstündigen Erste-Hilfe-Sitzung etwas ganz anderes: Leckerlis fürs Stillhalten bei Verbände-Legen und Co. 

 
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