
„Was ist eigentlich passiert? Zwei Menschen haben sich ineinander verliebt. Und weil diese beiden Menschen dienstlich miteinander zu tun haben, haben sie sich überlegt, das auch öffentlich zu erklären.“ Mit diesen Worten nahm Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) Stellung zu einem Thema, das über die Berliner Landesgrenzen hinaus für Aufregung gesorgt hat: Die Liaison des Bürgermeisters mit seiner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (ebenfalls CDU). „Nach reiflicher Überlegung haben wir uns gesagt: Das geht in Berlin im Jahr 2024“, so Wegner. Doch ganz so einfach ist es nicht: In Berlin kamen schnell Fragen nach möglichen Interessenskonflikten auf. „Die Fragen nach Regelungen, wie man Berufliches und Privates trennt, sind durchaus berechtigt“, sagte auch Katharina Günther-Wünsch. Nun ist der Kabinettstisch im Roten Rathaus nicht der einzige Ort, an dem sich Kollegen ineinander verlieben. Wenn Amor zielt, macht sein Pfeil oft nicht vor der Bürotür halt. Je nachdem in welcher beruflichen Beziehung das Liebespaar zueinander steht, kann das allerdings für Probleme mit dem Arbeitgeber sorgen. Das fängt an mit vom Geturtel genervten Kollegen und kann bis zu handfesten arbeitsrechtlichen Konflikten reichen.
Klar ist: Wenn beide in der Firma in völlig unterschiedlichen Ressorts arbeiten und sich abseits des Privaten höchstens mal in der Kantine oder bei der Weihnachtsfeier über den Weg laufen, ist die Beziehung unproblematisch. Außer vielleicht für das Paar selbst, wenn zu viel aus dem gemeinsamen Job ins Privatleben mitgenommen wird. Geht es jedoch um eine Liebesbeziehung innerhalb eines Teams oder einer Abteilung, „kann das für einen selbst und auch die Kollegen und Vorgesetzten zu einer echten Belastung werden“, sagt der Kölner Psychologe Rolf Schmiel. Denn in einer ersten Phase dreht sich zunächst alles um die neue Liebe. „Für die Kollegen drumherum kann solch ein Turteltäubchen-Verhalten tierisch nervend sein“, so Schmiel. Auch die Effektivität und Qualität im Job können leiden: „Die Hormone spielen verrückt – dann wird es schwer mit guten Arbeitsergebnissen.“
Liebe am Arbeitsplatz: "Lieber die Führungskraft frühzeitig mit einbeziehen"
Im Gegensatz zu Phase zwei, der Stabilitätsphase: Denn gutes Teamplay und gegenseitige Unterstützung kann schließlich förderlich am Arbeitsplatz sein und sich auch auf den Workflow positiv auswirken. Leider kommt danach meist die Phase drei – und damit der entscheidende Einwand gegen die Kombination von Job und Beziehung: Streitigkeiten und Konflikte blockieren dann nämlich nicht nur die beiden Beteiligten, sondern verschlechtern auch die Laune und Arbeitsabläufe der Kollegen.
Vom Geheimhalten einer Beziehung hält Schmiel nichts. „Lieber die Führungskraft frühzeitig mit einbeziehen, als dass es hinterher rauskommt“, so der Psychologe. Wird man gar von Kollegen oder dem Chef auf die Liebelei angesprochen und streitet diese ab, könne dies einen Vertrauensverlust bedeuten. Aus arbeitsrechtlicher Sicht könne man sich allerdings auch auf den Standpunkt stellen, dass den Arbeitgeber Privatangelegenheiten nichts angehen, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Köln. Wenn zwei Kollegen hierarchisch auf derselben Stufe stehen, gebe es zunächst einmal keinen rechtlichen Grund, dies der Führungskraft mitzuteilen – außer, die Liebschaft wirkt sich auf den betrieblichen Alltag aus. „Wenn das Paar private Probleme hat und das im Büro auslebt, kann das den Betriebsfrieden stören“, so Oberthür.
Führungskräfte sollen aufpassen, in wen sie sich verlieben
Besonders problematisch ist es, wenn die Beziehung auf eine arbeitsrechtliche Pflichtstellung durchschlägt. Rechtlich pikant sind in dieser Hinsicht Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern oder gar Auszubildenden. „Eine Führungskraft, die verantwortlich ist, sollte sich doppelt und dreifach überlegen, in wen sie sich verliebt“, betont Psychologe Schmiel. Hier könnte es dann geboten sein, dass einer von beiden die Abteilung oder das Unternehmen wechselt, weil sonst über kurz oder lang Konflikte mit den übrigen Mitarbeitenden vorprogrammiert sind.
Es kann auch vorkommen, dass das Unternehmen durch ein Liebesverhältnis einen Schaden erleidet – dann nämlich, wenn Loyalitätskonflikte entstehen. Diese können insbesondere bei Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Geschäftspartnern vorkommen – etwa, wenn die Mitarbeiterin der Einkaufsabteilung eine Beziehung mit einem Lieferanten hat und deshalb nachgiebiger bei Preisverhandlungen sein könnte. „In solchen Konstellationen muss der Arbeitgeber über die Beziehung informiert werden“, betont die Fachanwältin. In manchen Betrieben sind Beziehungen untersagt – etwa auf Kreuzfahrtschiffen zwischen Crew und Passagieren.
In Deutschland sind private Beziehungen am Arbeitsplatz nicht verboten
Auch in den USA haben einige Unternehmen strenge Regeln erlassen und drohen mit Kündigung, sollte es zu Flirts und intimen Beziehungen kommen. „Unternehmen aus anderen Rechtskreisen meinen bisweilen, dass solche Richtlinien auch im Ausland berücksichtigt werden müssen“, sagt Oberthür. „Aber private Begegnungen am Arbeitsplatz verbieten zu wollen, ist in Deutschland nicht möglich.“
Grundsätzlich müsse man sehr individuell beurteilen, ob eine Beziehung in einem Unternehmen zu Problemen führt und ob man daher den Chef informieren muss, sagt Fachanwältin Oberthür. Allgemein rät sie dazu, zu prüfen, ob man einen Interessenskonflikt begründet sehen könnte. Dann sei es möglicherweise geboten, das Verhältnis mitzuteilen. So, wie es auch Berlins Bürgermeister Kai Wegner und Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch getan haben. Wegner hat auch eine Regelung vorgeschlagen, wie Interessenskonflikte vermieden werden sollen: In Konfliktfällen, die das Bildungsressort betreffen, wird nicht mehr er als Regierender Bürgermeister, sondern sein Stellvertreter, Finanzsenator Stefan Evers, die Vermittlerrolle übernehmen. Zudem haben Wegner und Günther-Wünsch versprochen, in der Regierungsarbeit Privates von Politischem zu trennen.