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Psychische Gesundheit
Apps gegen Depressionen: Kann das funktionieren?
Seit 2020 dürfen Therapeuten bei psychischen Erkrankungen die Anwendung von Gesundheitssoftware verschreiben. So ist der Kursablauf und die Kritik von Experten.
urn-newsml-dpa-com-20090101-220815-99-396046.jpg       -  Bei manchen Gesundheitsapps für psychische Erkrankungen können die Nutzerinnen und Nutzer per Videotool mit Fachleuten sprechen.
Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild) | Bei manchen Gesundheitsapps für psychische Erkrankungen können die Nutzerinnen und Nutzer per Videotool mit Fachleuten sprechen.
Paula Binz
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:39 Uhr

Bei den psychischen Erkrankungen wurde in Bayern im vergangenen Jahr ein besorgniserregender Rekord geknackt: Noch nie haben sich so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus psychischen Gründen krankgemeldet, das geht aus einem repräsentativen Psychreport der Krankenkasse DAK hervor. Doch professionelle Hilfe bekamen viele Betroffene oft lange nicht. Im Schnitt warten sie im Freistaat fünf Monate auf einen Therapieplatz.

Kleinere Hürde als Anruf beim Therapeut: Können Apps bei Depressionen helfen?

Könnte eventuell eine App auf Rezept Abhilfe schaffen? Schließlich dürfen seit dem Jahr 2020 Ärztinnen und Ärzte sowie Therapeutinnen und Therapeuten App- und Webanwendungen auf Rezept verschreiben. Um als Medizinprodukt zugelassen zu werden, müssen die digitalen Angebote vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geprüft werden. Erst dann werden sie als „digitale Gesundheitsanwendung“ (DiGA) entweder vorläufig oder dauerhaft in ein Verzeichnis aufgenommen. Unter den knapp 50 bislang gelisteten DiGA befinden sich App- und Webanwendungen für verschiedene körperliche und psychische Krankheiten – von Multipler Sklerose über Diabetes bis hin zu Depressionen und Angststörungen reicht das Spektrum.

Als ein Vorreiter der psychotherapeutischen Apps gilt der Hersteller „HelloBetter“ mit Sitz in Berlin. „Für Betroffene ist es eine viel kleinere Hürde, sich eine App verschreiben zu lassen, als Dutzende Therapeuten anzurufen, bei denen man ohnehin auf einer Warteliste landet“, sagt Mitgründerin Hanne Horvath. Laut der promovierten Psychologin liegt der große Vorteil darin, dass die Apps „unkompliziert, schnell und kostenlos“ nutzbar sind. Für die sechs dauerhaft zugelassenen Kurse habe HelloBetter über 30 Studien durchgeführt, so Horvarth.

Zu 80 Prozent werde die App als eigenständige Behandlung genutzt – also nicht nur als Zusatz einer regulären Therapie. Die Kurse beruhten auf den Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie und bestünden aus acht interaktiven Einheiten, erklärt Horvath. In der ersten Einheit schildern die Betroffenen über Ankreuzfragen und Textfelder ihre Symptome und ihre Lebensgeschichte. Daraus leitet die App ein persönliches Störungsmodell ab, auf dem die folgenden Übungen basieren. Horvath gibt ein Beispiel: „Beim Depressionskurs ist eine Übung, wohltuende Aktivitäten zu identifizieren und sie in den Alltag zu integrieren.“ Ganz auf sich allein gestellt sind die Nutzerinnen und Nutzer jedoch nicht: Über eine Nachrichtenfunktion kann mit einer Psychologin oder einem Psychologen gechattet und Feedback eingefordert werden. Ein Kurs dauert etwa zwölf Wochen.

Psychotherapie-Professor kritisiert Zulassungsverfahren für Apps bei psychischen Problemen

Prof. Dr. Alkomiet Hasan ist nicht nur Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Augsburg, sondern auch Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Augsburg sowie Vorstandsmitglied der Bezirkskliniken Schwaben. Er sagt: „DiGA können einen wertvollen Mehrwert bieten, wenn sie richtig überprüft und in eine Gesamtbehandlung integriert werden.“

Der Facharzt weiß von einigen Kliniken und Ambulanzen, die bereits mit Apps arbeiten. Zum Beispiel könnten Therapeuten dadurch kleine Hausaufgaben aufgeben, etwa Achtsamkeitsübungen. Die Nutzung einer psychotherapeutischen App als alleinstehende Behandlung hält Hasan jedoch nur als Prävention und in der Nachsorge für sinnvoll. Wie wirksam eine App ist, sei auch abhängig vom Störungsbild. „Die meisten Hersteller konzentrieren sich auf Depressionen und Angststörungen“, sagt Hasan. „Bei Suchterkrankungen ist das Konzept meiner Ansicht nach schwieriger.“ Außerdem kritisiert er, dass DiGA über ein Schnellverfahren vorläufig genehmigt werden dürfen. Das bedeutet: Die Hersteller haben ein Jahr Zeit, um Wirksamkeitsstudien nachzureichen. Die Kritik: Dadurch kämen auch Apps mit mangelnder Evidenz auf den Markt. „Für mich ist ein Fast-Track-Verfahren nur in großer Not gerechtfertigt – zum Beispiel bei der Zulassung von Impfstoffen in einer Pandemie.“ Hasan plädiert daher für strengere Qualitätskontrollen.

Auch der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) ist das Schnellverfahren ein Dorn im Auge. Immer noch sind zwei Drittel der Apps nur vorläufig gelistet, einige wurden bereits wieder gestrichen, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. „Die Krankenkassen mussten also Mitgliedsbeiträge, die für sinnvolle medizinische Verfahren oft fehlen, für Apps mit durchaus fragwürdigem Nutzen ausgeben.“ Wichtig ist: Hierbei unterscheidet die KVB nicht zwischen psychotherapeutischen und DiGA für körperliche Beschwerden. Durch Patientenbefragungen kamen mehrere Krankenkassen laut KVB zu einem skeptischen Urteil. Die Kundenzufriedenheit sei durch die Bank nur mäßig, dafür sprächen auch hohe Abbruchzahlen.

 
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