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Interview
Expertin erklärt: Das kann man beim Erben und Vererben falsch machen
Die Expertin für Erbrecht erklärt im Interview, wieso im Testament oft einzelne Sätze entscheidend sein können. Und warum es trotzdem ein "Liebesdienst" ist.
Beim Erben kommt es häufig auf Details an, erklärt die Fachanwältin für Erbrecht.  Foto:       -  Beim Erben kommt es häufig auf Details an, erklärt die Fachanwältin für Erbrecht.
Foto: Martina Diemand, Silvia Marks (dpa) | Beim Erben kommt es häufig auf Details an, erklärt die Fachanwältin für Erbrecht.
Marina Kraut
 |  aktualisiert: 19.03.2024 02:49 Uhr

Frau Heidl, ist es ein Klischee, dass es in Familien beim Thema Erbe immer zu Streit kommt?

Franziska Heidl: Als Anwältin erlebe ich natürlich viele Familien, bei denen es nicht gut funktioniert. Und wenn es zu Streitigkeiten kommt, dann können die heftig, lang und kostspielig werden. Erben ist einfach ein emotionales Thema und deshalb auch ein streitanfälliges.

Geht es beim Erben immer nur ums Geld?

Heidl: Es geht häufig auch um Familienkonflikte, die nach einem Erbfall über das Geld ausgetragen werden. Dabei ist oft gar nicht der Betrag entscheidend, der am Ende auf einem Konto landet. Es geht vielmehr um das Emotionale, sprich, ob man sich gerecht behandelt fühlt. Ob man sich innerhalb der Familie als Gewinner oder Verlierer der Erbangelegenheit wahrnimmt.

Sind Sie als Fachanwältin also auch Konflikt-Schlichterin?

Heidl: Ja, defintiv. Ein Teil meiner täglichen Arbeit ist natürlich das Durchsetzen der Interessen und Ansprüche meiner Mandanten, wenn nötig auch gerichtlich. Aber bei vielen Konflikten kann durch vermittelnde Gespräche eine gute und schnelle außergerichtliche Lösung erreicht werden. Oft bin ich nach einem Todesfall auch die erste Ansprechpartnerin für die Hinterbliebenen. Bei ihnen kommen Fragen auf: Was muss ich jetzt tun, wie mache ich es rechtlich richtig? Dazu kommt die emotionale Ausnahmesituation.

Ich führe dann die Personen durch diese Situation und berate, auch zur praktischen Abwickklung des Erbfalls, zum Beispiel mit dem Nachlassgericht oder ob sie einen Erbschein brauchen. Die Menschen erzählen mir dabei oft die Geschichte hinter dem Todesfall. Ich bin natürlich in erster Linie Ansprechpartnerin für das Juristische, aber trotzdem mit familiären Fragen konfrontiert, die darüber hinaus gehen.

Welche Fehler machen Familien denn beim Erben immer wieder?

Heidl: Der größte Fehler ist, sich nicht mit dem Thema zu beschäftigen. Für jede Person, die verstirbt, gibt es im Gesetz eine Regelung, welcher Personenkreis erbt und wer dabei welchen Anteil am Erbe erhält. Das ist je nach Familiensituation individuell. Der erste Schritt sollte also sein, sich zu überlegen: Was ist meine gesetzliche Erbfolge? In fast allen Fällen zeigt sich: Das, was das Gesetz vorsieht, entspricht oft nicht dem Wunsch, was mit dem Vermögen nach dem Tod passieren soll.

Warum denn nicht?

Heidl: Fast immer entsteht ohne Testament eine Erbengemeinschaft. Und die ist streitanfällig. Besonders weil viele Entscheidungen über das Erbe von allen Mitgliedern einstimmig getroffen werden müssen. Außerdem müssen die Erben sich dann an einen Tisch setzen und eine Lösung finden, wie das Erbe verteilt wird. Das funktioniert nur selten. Mit einem Testament oder Erbvertrag kann ich deshalb von meiner gesetzlichen Erbfolge abweichen und eine bessere Lösung festlegen. Dazu muss ich aber erstmal meine gesetzliche Erbfolge kennen. Stirbt etwa ein kinderloser Ehepartner, dann entsteht eine Erbengemeinschaft zwischen dem übriggebliebenen Ehepartner und den noch lebenden Schwiegereltern. Das wissen viele nicht und das ist nicht für jeden etwas.

Erben hat doch auch etwas gutes: Ich bekomme einen Wert, ohne dafür etwas getan zu haben. Warum bereitet es Menschen dennoch so viele Probleme?

Heidl: Von Kindern gibt es oft eine gewisse Anspruchshaltung an ihre Eltern, dass sie etwas erben und dass eine Gleichbehandlung gegenüber den übrigen Geschwistern stattfindet. Diese Haltung ist oft problematisch: Denn gerade Geschwister vergleichen sich oft. Häufig hat ein Kind zum Beispiel zu Lebzeiten schon etwas von den Eltern als Schenkung erhalten, da stellt sich dann die Frage wie das im Erbfall berücksichtigt wird. Und so entsteht unter Geschwistern häufig das Gefühl, beim Erbe nicht fair behandelt worden zu sein. Ein Problem ist heutzutage auch, dass der Großteil des Vermögens in Immobilien steckt und nicht in Bargeld. Und Immobilien lassen sich schlecht aufteilen. Selbst wenn man mehrere Wohnungen hat, haben diese oft nicht den gleichen Wert. Es ist per se schwierig, genau gleich zu verteilen.

Was können Familien tun, damit Streit beim Erben nicht vorprogrammiert ist?

Heidl: Passen die gesetzlichen Regeln nicht, dann gilt es, ein Testament zu machen. Man sollte sich dabei unbedingt vom Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen. Wenn ein Testament gut gemacht ist, dann ist es juristisch einwandfrei geregelt, wie ein Erbe verteilt wird - damit gibt es zwischen den Parteien keinen Raum für Diskussionen. Ein gutes Testament kann aus meiner Sicht ein Liebesdienst an der Familie sein, weil es Klarheit schafft und die Abwicklung nach dem Tod sehr vereinfacht.

Was ist denn ein gut gemachtes Testament?

Heidl: Streitanfällig sind neben einer Erbengemeinschaft oft Testamente, die laienhaft gemacht sind. Wenn man sich also ohne Beratung daheim hingesetzt und einfach mal herunter geschrieben hat, wie man sich das nach seinem Tod so vorstellt. Da bleiben dann nach dem Tod sehr häufig Fragen offen, es werden falsche oder widersprüchliche Begriffe genutzt und dann ist Streit vorprogrammiert. Außerdem wird häufig vergessen, dass es mehr zu Vererben gibt als Immobilien und Geld. Es gilt, umfassend zu vererben. Derjenige der erbt, bekommt erstmal alles, was ich habe. Also mein Auto, mein Haus, mein Geld. Aber auch meinen Handy-, Miet- oder Darlehensvertrag, also auch meine Schulden. Die Person tritt in alle meine rechtlichen Fußstapfen.

Ab wann hat es Sinn, ein Testament zu schreiben?

Heidl: Ein Testament brauche ich, sobald mir die gesetzliche Regelung nicht passt. Jeder gibt bei seinem Tod etwas weiter. Auch wer kein großes Vermögen hat, hat beispielsweise Daten, also etwa ein E-Mail-Konto oder Konten bei Sozialen Medien. Will ich, dass mein Erbe Zugriff darauf hat? Wenn nein, dann sollte ich das regeln.

Kann ich mein Erbe ablehnen?

Heidl: Ja. Dafür hat man allerdings nur sechs Wochen Zeit. Nach dieser Frist gilt das Erbe als angenommen. Nach Ablauf der Frist kommt man nur unter sehr engen Voraussetzungen aus der Erbschaft wieder heraus.

Die Vermögen, mit denen Sie zu tun haben, sind auf irgendeine Art und Weise schon einmal versteuert worden. Beim Erbe selbst wird dann noch einmal die Erbschaftssteuer fällig. Ist das aus Ihrer Sicht unfair?

Heidl: Die Erbschaftssteuer ist ein großes Thema und viele Leute empfinden es als ungerecht. Zu Gunsten der Politik muss man allerdings sagen, die Steuer zahlt derjenige, der das Erbe bekommt. Ich habe als Erbe dafür also erstmal keine Leistung erbracht. Dazu kommt aber, dass der Wert eines Einfamilienhauses heutzutage schnell über den Freibeträgen liegt. Es kann sehr unangenehm sein, dafür Erbschaftssteuer zu zahlen. Es kommt vor, dass Erben verkaufen müssen, was sie bekommen haben, um die Erbschaftssteuer bezahlen zu können, wenn neben der Immobilie nicht auch noch viel Geldvermögen vererbt wird.

Macht es als Erbrechtsanwältin auch Spaß, gewisse Steuerschlupflöcher für ihre Mandaten zu finden?

Heidl: Es macht auf jeden Fall Freude, erleichterte Mandanten zu sehen, wenn sie sich mit ihrem Tod auseinandergesetzt und ihr Erbe rechtlich und steuerlich gut geregelt haben. Ich würde es aber nicht Steuerschlupflöcher nennen. Bei der Testamentsgestaltung spielt die möglichst steuergünstige Gestaltung aber natürlich eine Rolle und wenn die Familien frühzeitig kommen, kann man zusätzlich etwa mit Schenkungen viel steuerlich optimiert gestalten. Obwohl es bei meiner Beratung um den späteren Tod geht, sind die Menschen nach Abschluss des Mandates glücklich.

 
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