
Herr Fetscher, Sie haben sich besondere Gedanken darüber gemacht, wie Familien finanziell vorsorgen. Gerade in Zeiten hoher Inflation ist dies ein großes Thema. Was müssen Familien anders machen als Singles?
Sandro Fetscher:Familien haben noch weniger Zeit als Singles, sie sind noch gestresster. Gleichzeitig haben sie noch höhere Ausgaben und müssen darüber nachdenken, dass jeder Euro sinnvoll investiert ist. Früher hat eine Familie zur Vorsorge einen Bausparer und eine Lebensversicherung abgeschlossen. Das funktionierte noch nie richtig und heute angesichts der hohen Inflation und vergleichsweise niedriger Zinsen überhaupt nicht mehr.
Weshalb ist die Notwendigkeit zur finanziellen Vorsorge so groß?
Fetscher: Wer sich auf die gesetzliche Rente im Alter verlässt, ist verlassen, das ist fast jedem klar. In den 60er Jahren kamen auf einen Rentner oder eine Rentnerin sechs Beitragszahler. Das hat wunderbar funktioniert. Im Jahr 2020 waren es aber nur noch 1,8 Beitragszahler. 2030, wenn die Babyboomer in Rente sind, werden es nur noch 1,3 sein. Jeder versteht, dass sich damit kein ausreichendes Rentenniveau sichern lässt. Die Politik hat die Entwicklung verschlafen. Eigeninitiative ist der einzige Ausweg.
Mit welchem Betrag in der Rückhand wären Sie beruhigt?
Fetscher: Bei einem Nettoeinkommen von 2700 Euro für zwei Ehepartner und einer Inflation von nur zwei Prozent bräuchte man mit 67 Jahren 528.000 Euro, um den Lebensstandard im Alter gut halten zu können. Entnimmt man das Vermögen dann Stück für Stück, hätte man zusammen mit der Rente bis zum Lebensende ausgesorgt. Bei einem Zins von fünf Prozent würde es sogar ewig reichen.
Nur dass die Inflation gerade nicht zwei Prozent beträgt, sondern deutlich mehr ...
Fetscher: Richtig, rechnet man mit vier Prozent Inflation, müsste man 846.000 Euro angespart haben.
Heißt es nicht immer, ein eigenes Haus wäre die beste Altersvorsorge?
Fetscher: Es gibt viele Menschen, die sich freuen, dass sie mit 60 oder 65 Jahren in einer abbezahlten Immobilie mietfrei wohnen können. Reicht die Rente allein aber dann aus, um gut leben zu können? Und was, wenn plötzlich eine Sanierung ansteht oder einer ein Pflegefall wird? Selbst mit Immobilie sollte man im Alter einen sechsstelligen Betrag auf der Seite liegen haben, um davon leben zu können.
Wie sorgt eine Familie Ihrer Meinung nach stattdessen vor?
Fetscher: Es ist ähnlich wie bei einem Single: Sie brauchen zwei Dinge: ein Tagesgeldkonto mit einem Notgroschen von zwei bis drei Monatsgehältern für dringende Ausgaben. Und ein Depot für den Vermögensaufbau.
Ist es nicht komplett unrealistisch, einfach mal so 500.000 Euro wegzusparen?
Fetscher: Angenommen, Sie sind 42 Jahre alt. Dann haben Sie 25 Jahre Zeit bis zum Rentenalter von 67. Legen Sie einmalig 20.000 Euro und monatlich 600 Euro richtig an, erreichen Sie bei einer durchschnittlichen Rendite von sechs Prozent genau die 500.000 Euro. Es ist also gut möglich. Eltern ab einem Einkommen von rund 4000 Euro können so ganz leicht finanziellen Wohlstand erreichen.
Wo aber findet man sechs Prozent Rendite?
Fetscher:Über Sparprodukte geht es nicht, aber über entsprechende Wertpapieranlagen. Es gibt 14.000 Fonds, die in Deutschland zum Vertrieb zugelassen sind, weniger als ein Prozent ist Weltspitze. Die Auswahl ist entscheidend. Gerade auch, um alle Anlageklassen in den jeweiligen Marktphasen optimal auszunutzen. Eine Orientierung ist der norwegische Staatsfonds, der für den Ruhestand der Norwegerinnen und Norweger vorsorgt: Mit 1,2 Billionen Euro Einlagen ist es einer der größten Aktionäre weltweit, seit den 60er Jahren hat der Fonds mit Aktien, Immobilien und Anleihen im Schnitt sechs Prozent Rendite gemacht. Jedem Norweger stehen damit 220.000 Euro zu. Die Norweger müssen sich keine Sorgen machen.
Raten viele Fachleute nicht einfach zu einer Anlage im Aktien-Weltindex MSCI World?
Fetscher: Der MSCI World investiert rund 70 Prozent in US-Aktien, hauptsächlich getrieben von Apple, Amazon& Co., die zur wesentlichen Wertentwicklung beitrugen. Das ist ein Klumpen-Risiko. Ich denke, man muss die Fondsauswahl breiter streuen. Man kann sich nicht immer nur auf wenige Unternehmen verlassen. Es gab die letzten 25 Jahre auch Phasen, in der der MSCI World 4 und 5 Jahre gebraucht hat, um ein neues Hoch zu erreichen.
Derzeit steigen ja die Zinsen. Drei Prozent Zins sind bei Festgeld möglich. Muss man da wirklich ins Risiko Aktien gehen?
Fetscher: Bei einem Zins von drei Prozent und einer Inflation von sieben Prozent bleibt unter dem Strich immer noch ein Minus, also ein Kaufkraftverlust. Der Realzins bleibt negativ. Und die Inflation geht nicht so schnell weg, wie erwartet. Es wird längere Zeit dauern, bis wir wieder ein Inflationsniveau von ein bis zwei Prozent haben. Zudem wird der Spielraum der EZB für weitere Zinserhöhungen enger. Vielleicht gibt es noch ein, zwei Erhöhungen, dann ist das Maximum an Zins erreicht. Aktien unter dem Gesichtspunkt der extrem breiten Streuung und einer Anlagedauer von fünf, besser zehn Jahren sind eine sichere Investition.
Auch das Bausparen erlebt eine Renaissance, schließlich kann man sich niedrige Darlehenszinsen sichern. Dagegen spricht aber für eine Familie nichts, oder?
Fetscher: Ich halte das Bausparen kaufmännisch für eine schlechte Lösung. Sich einen niedrigen Bauzins zu sichern, klingt nur anfangs sinnvoll. Zunächst müssen Sie aber dafür zum Beispiel 10 Jahre lang Kapital aufbauen zu einem sehr niedrigen Guthabenzins – ein riesiger Kapitalverlust in der Ansparphase. Bei einer Bausparsumme von 100.000 Euro muss man zum Beispiel erst 40.000 Euro ansparen, um dann 60.000 Euro Kredit zu bekommen. Hilft einem das weiter? Zum Immobilienkauf braucht man ja eher 500.000 Euro. Ich halte das Bausparen für eine der teuersten Arten der Baufinanzierung überhaupt.
Sie setzen stark auf den Aktienmarkt. Was macht Sie so sicher, dass langfristig dort Gewinne zu machen sind?
Fetscher: Die Bevölkerung der Welt wächst noch immer um rund ein Prozent im Jahr. Daraus entsteht ein Konsumwachstum und unser jährliches weltweites Wirtschaftswachstum von im Schnitt drei Prozent. Selbst im Ukraine-Krisenjahr 2022 ist die Welt um über drei Prozent gewachsen, sie wird auch dieses Jahr um rund drei Prozent wachsen. Die Gewinne der großen Unternehmen legen im Schnitt rund fünf bis sechs Prozent im Jahr zu. Über Aktienbeteiligungen kann man sich dies zunutze machen, Rohstoffe gehören auch dazu. So landet das Geld am Ende in den Taschen, wo es herkommt, bei uns Konsumenten. Das ist fair und langfristig die sicherste und ertragreichste Anlage, die die Welt je gesehen hat.
Zur Person: Sandro Fetscher, 44, ist unabhängiger Finanzberater in Augsburg und zusammen mit Christian Schüler Autor des Buches "Familienvermögen aufbauen und schützen".